Hätte, könnte, würde. – Teilnehmer der NRW-Biokraftstofftagung konnten schnell den Eindruck gewinnen, nicht im Hier und Jetzt zu sein: Biokraftstoffe hätten das Potenzial, die Treibhausgas (THG)-Emissionen im Verkehrssektor entscheidend zu senken. Doch leider sind die politischen Rahmenbedingen so schlecht, dass die Biokraftstoffbranche keine ausreichenden Entwicklungschancen hat, so das Fazit der Veranstaltung, die in der vergangenen Woche im Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse stattfand.
Hehre Ziele, wenig Anreiz
Dabei sind die Pläne der Bundesregierung ambitioniert: Laut Klimaschutzplan sollen die verkehrsbedingten THG-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 % im Vergleich zum Basisjahr 1990 sinken. „1990 stieß der deutsche Verkehr 165,8 Mio. t Treibhausgase aus. Im Jahr 2016 waren es 164,5 Mio. t. Der Ausstoß sank also gerade mal um 1,3 Mio. t in 26 Jahren!“, sagte Wolf-Dietrich Kindt vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). „Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund das politische Ziel ein, den Ausstoß bis 2020 auf 126 Mio. t und bis 2030 auf 93 Mio. t zu senken? Ich würde sagen: Das schaffen wir nicht.“
Die Maßnahmen, mit denen die Klimaziele erreicht werden sollen, sind bisher nur halbherzig: Neben dem Ausbau der Elektromobilität soll die Beimischung von Biokraftstoffen zu fossilen Kraftstoffen die THG-Emissionen senken. Im Jahr 2015 wurde hierfür die sogenannte THG-Quote eingeführt. Durch die Beimischung von Biokraftstoffen sollen die Emissionen der fossilen Kraftstoffe in diesem Jahr um 4 % sinken. Ein Tropfen auf den heißen Stein: Sowohl für den Klimaschutz als auch für die Biokraftstoffindustrie.
„Unser Dilemma ist, dass die Biokraftstoffe immer effizienter werden, also mehr THG-Emissionen pro Liter einsparen“, erklärte Kindt. „Mit jeder Effizienzsteigerung wird unser Markt aber kleiner.“ Obwohl der Dieselabsatz seit 2010 um über 16 % gestiegen ist, sank der Marktanteil der Biokraftstoffe gleichzeitig um knapp 30 %.
Weniger Raps benötigt
Ab 2020 soll die THG-Quote auf 6 % steigen. Dann dürfen jedoch zum Beispiel auch der Einsatz von fossilem Flüssiggas oder Maßnahmen, die den Ausstoß von Klimagasen bei der Produktion von fossilen Kraftstoffen senken, mit angerechnet werden. „Irgendwie müssen die 6 % ja erreicht werden“, sagte Kindt zynisch.
Dabei ließe sich die gewünschte Emissionsminderung allein über den Einsatz von Biodiesel locker erzielen. „Die Politik möchte das aber nicht“, sagte Kindt. Und so wird der Einsatz von Raps in der Biodieselproduktion zukünftig wahrscheinlich eher weiter sinken.
Emissionsarmes Biomethan
Die Verkehrswende, da waren sich die Referenten einig, lässt sich nur über eine Kombination verschiedener, erneuerbarer Kraftstoffe erreichen. Für Pkw ist der Elektroantrieb ein guter Weg. „E-Autos sind 2,5-mal effizienter als Autos mit Verbrennungsmotoren“, sagte Kindt. Für den Schwerlast- und den Luftverkehr sowie für die Schifffahrt sind Elektromotoren jedoch kaum geeignet.
Erste Pilotprojekte zunächst mit LNG (Flüssigerdgas), zeigen, dass Gas im Schwerlastverkehr gut mit Diesel konkurrieren kann, sagte der Vizepräsident des Fachverbandes Biogas Hendrik Becker. „Gasfahrzeuge stoßen weniger Emissionen aus als Dieselfahrzeuge. Zudem besitzt LNG eine höhere Energiedichte, sodass Gasfahrzeuge mit weniger Kraftstoffgewicht weiter fahren können“, erklärte er.
Noch besser sieht die Klimabilanz bei Einsatz von zu reinem Methan bzw. Bio-LNG aufbereitetem Biogas aus. „Biomethan erreicht mit Abstand die höchste CO2-Reduktion aller Biokraftstoffe und führt auch zu sehr geringen NOx- und Feinstaubemissionen“, sagte Becker. Die verschiedenen Biokraftstoffe gegeneinander auszuspielen, lag Becker jedoch fern: „Wir benötigen einen Mix aus allen Biokraftstoffen. Zusammen bieten sie ein riesiges Potenzial“, sagte er.
Doch trotz aller theoretischen Vorteile: Der Einsatz von Biomethan als Kraftstoff ist aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen in der Praxis kaum wirtschaftlich möglich. „Für eine breite Anwendung benötigen wir ein einfacheres Förderregime“, forderte Becker. Zurzeit jedoch würden die politischen Hürden für die Produktion von Biokraftstoffen immer höher. Die Lobby der fossilen Kraftstoffindustrie leiste hervorragende Arbeit.
Gas statt Diesel
Für viele kräftezehrende Arbeiten in der Landwirtschaft sind Elektroantriebe nicht geeignet. Eine Alternative zu Diesel könnte der Einsatz von (Erd-)Gas sein. Dr. Volker Wichmann von der Universität Rostock stellte die Ergebnisse eines Forschungsprojektes vor. Wissenschaftler haben den (Diesel-)Motor eines 83-kW-Deutz-Schleppers zum Gasmotor umgebaut. Der Schlepper ist seitdem gut ein Jahr im Praxiseinsatz. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Der Gasmotor hat ähnliche Leistungsparameter wie der Dieselmotor.
- Die NOx-Emissionen sind niedrig. Die NH4-Emissionen liegen unterhalb des Grenzwertes.
- Auf dem Prüfstand verbraucht der Gasmotor 10 % mehr Energie als der Dieselmotor. Hier, so Wichmann, besteht noch Entwicklungsbedarf.
- Die Treibhausgasemissionen sinken bei Einsatz von Erdgas im Vergleich zu Diesel um rund 16 %. Kommt Biomethan zum Einsatz, sinken die Emissionen um 78 %.
- Der Gasmotor ist kompakter und kleiner als der Dieselmotor, startet auch bei sehr niedrigen Temperaturen gut. Gas als Treibstoff ist nicht wassergefährdend.
- Am Schlepper konnten die Wissenschaftler acht Methantanks mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 316 l unterbringen. Die Reichweite liegt bei drei bis vier Stunden (Dieselmotor rund sieben Stunden).Der Gasantrieb eignet sich in erster Linie für kleinere Schlepper unter 100 kW. Größere Schlepper werden aufgrund der benötigten Gastanks schnell zu schwer.