Etwa 10 000 Landwirte in Deutschland vermieten freie Flächen oder Dächer an Mobilfunkanbieter, damit diese dort Mobilfunkmasten oder -antennen betreiben können. Zuletzt kontaktierten die Mieter viele Vermieter. Um welche Entwicklungen geht es? Was bedeutet das für Landwirte, die Grundstücke an Netzbetreiber vermieten? Hier gibt es die Antworten und Hinweise zur Gestaltung von Mietverträgen.
Bewegung auf dem Markt
Im vergangenen Jahr lagerten viele Netzbetreiber ihre Antennenstandorte an Subunternehmen aus oder verkauften an Investoren. Dadurch entsteht auf dem Markt eine Situation, die schwer zu durchschauen ist. In der Branche sind mittlerweile viele verschiedene Unternehmen zu finden. Die wesentlichen Akteure sind geblieben:
- Deutsche Telekom: Die Deutsche Funkturm (DFMG) betreibt als Tochter der Telekom rund 30 000 Mobilfunkstandorte.
- Vodafone: Zu Vodafone gehört das Unternehmen Vantage Towers, das allein in Deutschland bereits fast 20 000 Standorte betreibt.
- Telefónica: Der spanische Mobilfunkriese (in Deutschland unter anderem als O2 aktiv) hat seine passive Infrastruktur an sein Subunternehmen Telxius ausgegliedert. Telxius wiederum hat 30 000 Standorte an den US-Konzern ATC verkauft.
- Neu ist Drillisch/1&1. Der deutsche Anbieter muss im Gegensatz zu den drei anderen Unternehmen ein neues, eigenes Netz aufbauen.
Zwar werden immer noch viele Standorte von den Netzbetreibern selbst gehalten, das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Gründe und Motivation für solche Umstrukturierungen gibt es viele:
- Die Anbieter sehen die Chance, Schulden abzubauen und Bilanzen zu entlasten. Allein Vodafone hat mehr als 50 Mrd. € Schulden.
- Die Unternehmen brauchen Kapital, um ihr Netz auszubauen, beispielsweise im Rahmen von 5G. Die Ausgliederungen bringen Gewinne an der Börse. Vantage Towers ist beispielsweise gerade vom SDAX in den Mittelwerteindex MDAX aufgestiegen.
- Funktürme versprechen den Unternehmen eine attraktive Rendite, unter anderem durch Untervermietung. Vantage Towers macht mit jedem seiner deutschen Türme einen Jahresumsatz von über 20 000 €.
- Neue Masten für 5G Dazu kommen technische Entwicklungen.
- Der zukünftige Ausbau für 5G spielt in den Planungen der Mobilfunkunternehmen bereits eine große Rolle. Bestehende Masten müssen entsprechend aufgerüstet werden.
Neue Masten braucht das Land
Wegen der technischen Eigenheiten von 5G müssen zudem neue Masten gebaut werden. Der 5G-Ausbau wird in den kommenden Jahren auch für deutsche Landwirte mit freien Flächen von Bedeutung sein.
Neben betriebswirtschaftlichen Erwägungen und technischem Fortschritt gibt es weitere Ursachen für die aktuellen Umwälzungen: Die Bundesnetzagentur hat den Mobilfunkunternehmen unter anderem Ausbauverpflichtungen auferlegt. Zum Beispiel sollen bis Ende 2022 mindestens 98 % aller deutschen Haushalte Zugang zu schnellem Internet haben.
Gerade im ländlichen Raum gibt es viele „weiße Flecken“ und damit einen besonders hohen Bedarf an neuen Standorten für 4G und zukünftig auch 5G.
Mobilfunkgiganten suchen Silos, Gebäude, Flächen
Die Bundesnetzagentur betont sogar ausdrücklich, dass vor allem der ländliche Raum besser versorgt werden muss. Dafür sind die Mobilfunkunternehmen auf Landwirte als Vermieter von Standorten angewiesen. Besonders begehrt sind hohe Gebäude und Silos, aber auch freie Flächen beispielsweise an ICE-Strecken oder Autobahnen.
Die momentanen Umstrukturierungen haben auch Folgen für viele Landwirte, die Standorte an Mobilfunkunternehmen vermieten.
- Neuer Mieter: Erstens ändert sich mit der Ausgliederung der Antennenstandorte an Subunternehmen offiziell eine der Vertragsparteien, nämlich der Mieter. Viele Vermieter haben bereits entsprechende Schreiben von Telxius, Vantage Towers und Co. bekommen.
- Neue Bedinungen: Zweitens nutzen die Mobilfunkanbieter solche Umstrukturierungen gern dazu, um die Vertragsbedingungen zu ihrem eigenen Vorteil zu beeinflussen.
Profis verhandeln Verträge
Es ist wichtig, zu verstehen, wie die Netzanbieter in den Vertragsverhandlungen agieren. Für Telekom, Telefónica, Vodafone und 1&1 sind oft Subunternehmen aktiv. Außerdem gibt es große, international agierende externe Dienstleister wie MD7, Divigroup oder Eubanet. Dazu kommen kleinere, regionale Vermittlungsunternehmen, die auf derartige Vertragsverhandlungen spezialisiert sind. So oder so: Seitens der Mobilfunkanbieter führen geschulte Profis die Verhandlungen. Die versuchen, die besten Vertragsbedingungen für die großen Netzbetreiber herauszuholen.
Sie sind auf alle gängigen Fragen und berechtigen Einwände der Vermieter vorbereitet. Außerdem sind die Vertragsdokumente für Laien oft schwer zu verstehen. Das gilt für Neuverhandlungen von auslaufenden Verträgen ebenso wie für erstmalige Vertragsangebote.
Was sollten Landwirte also tun?
Am besten erst einmal nichts unterschreiben, empfiehlt Raymond Rieke von Vorblick Consulting. Er hat selbst jahrelang auf Seite der Mobilfunkunternehmen gearbeitet und weiß daher, mit welchen Methoden sie bei den Vertragsverhand-lungen vorgehen. Rieke rät, mögliche Verschlechterungen in den Vertragsbedingungen nicht einfach hinzunehmen. Oft gibt es noch Verhandlungsspielraum. Somit sind Neuverhandlungen also auch eine Chance für Landwirte, bessere Bedingungen für sich zu erstreiten.
Gute Position für Landwirte
Hier kann es sich lohnen, einen Experten hinzuzuziehen, mit dessen Hilfe man das Beste aus dem Vertrag herausholt. Das gilt in allen Situationen: bei Angeboten für ganz neue Standorte und bei Neuverhandlungen von bestehenden Verträgen. Bei Verträgen, die bald auslaufen, kann man sich schon im Vorfeld beraten lassen.
Grundsätzlich ist zu beachten: Die Miete ist immer Verhandlungssache und variiert stark von Standort zu Standort. Daher ist es schwer, pauschal irgendwelche Vorhersagen zu treffen, ohne die Details des Grundstücks zu kennen.
In den Schreiben an die Vermieter klagen die Mobilfunkunternehmen nicht selten darüber, dass die schwierige Lage auf dem Markt sie dazu zwinge, Einsparungen vorzunehmen. Davon sollte man sich nicht überzeugen lassen: Die hohen Börsengewinne von Vantage Towers und Co. sprechen eine andere Sprache. Zudem müssen die Netzbetreiber neue Standorte erschließen, um die Vorgaben der Bundesnetzagentur zu erfüllen. Sie sind also auf die Vermieter angewiesen. Landwirte, die Standorte an Mobilfunkunternehmen vermieten oder darüber nachdenken, können die momentanen Veränderungen auf dem Markt also als eine Chance auf zusätzliche Einnahmen sehen.
Musterverträge: Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat mit Unterstützung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) Anfang November 2021 einen Mustermietvertrag mit dem Mobilfunkturm-Betreiber Vantage Towers AG abgeschlossen. Dieser Vertrag enthält die Vertragsempfehlungen. Bitte lassen Sie sich in Ihrer WLV-Kreisgeschäftsstelle beraten, wenn Ihnen von einem Mobilfunkturm-Betreiber (oder einem entsprechenden Subunternehmer) ein Vertragsangebot vorgelegt wird. Seit Mitte vergangener Woche gibt es einen weiteren Mustervertrag mit der Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft des Bundes (MIG).
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