Davon waren selbst langjährige Branchenkenner überrascht: Aldi hat Anfang dieser Woche die Preise für Konsummilch um 5 Cent pro Liter erhöht. Andere Lebensmittelhändler zogen direkt nach. Vollmilch der jeweiligen Eigenmarke kostet nun 88 Cent/Liter (3,5% Fett) bzw. 80 Cent/Liter (1,5% Fett). Und das, obwohl der Handel erst Anfang Januar die Verkaufspreise um 3 Cent/Liter erhöht und die Kontrakte üblicherweise mehrere Monate laufen. Die Preiserhöhung vor fünf Wochen hatte unter anderem der Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) als „absolut nicht marktgerechte Anpassung“ scharf kritisiert. „Deshalb ist diese jüngste Preiserhöhung der Lebensmittelhändler nicht nur überfällig, sondern im Ansatz wieder etwas mehr marktkonform“, sagt VMB-Geschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Seufferlein.
Mehr Marge für Handel?
Eine eindeutige Erklärung dafür, was den Handel zu der aktuellen Preiserhöhung veranlasst hat, kann er aber nicht geben. Bei der Frage tappen allerdings selbst Molkeristen in Dunkeln. „Die Erhöhung im Regal ist autark und unangekündigt“, sagt ein norddeutscher Molkereivertreter auf Wochenblatt-Nachfrage. Ein Milcheinkäufer einer süddeutschen Molkerei geht davon aus, dass Aldi zum einen ein Stück weit entgangene Marge wieder gut machen wolle, zum anderen aber möglicherweise auch seit Januar mehr für die Milch bezahlen müsse – da seit 2021 neue Regeln bei den Kontrakten gelten.
Neue Regeln, altes Spiel
Bis vergangenes Jahr waren die Kontraktlaufzeiten zwischen Handel und Molkereien für Produkte der Weißen Linie (Konsummilch usw.) relativ klar geregelt: Sie liefen von Anfang Mai bis Ende Oktober und von Anfang November bis Ende April. In dieser Zeit war der Preis mit ganz wenigen Ausnahmen fix. Auf Drängen des Handels hat sich das geändert: Es gibt keine festen Verhandlungszeitpunkte mehr und die Kontraktlaufzeiten variieren ebenfalls. Zum Teil soll es auch mehrjährige Verträge geben, in denen sich der Preis variabel von Marktindikatoren ableitet. „Das wäre für mich eine Erklärung, warum jetzt nach so kurzer Zeit eine Preiserhöhung erfolgt“, sagt ein Branchenkenner gegenüber dem Wochenblatt.
Auch mehr Milchgeld?
Allerdings: Ob die Molkereien und somit auch die Erzeuger von dieser Preiserhöhung im Regal etwas haben, ist fraglich. Gegenüber dem Wochenblatt bezweifeln mehrere Vertreter aus der Branche, dass mehr Geld vom Handel Richtung Molkereien fließt. Discountprimus Aldi schweigt dazu. Ein Sprecher von Aldi Süd bestätigt auf Nachfrage zwar die Preiserhöhung um 5 Cent im Regal, bittet ansonsten aber um Verständnis, „dass wir darüber hinaus keine weiteren Informationen zur Verfügung stellen können.“ Auffällig ist zudem, dass die Preise für die Biomilch-Eigenmarke bei Aldi bisher unverändert bei 99 Cent für Vollmilch bzw. 1,09€ pro Liter für die fettarme Variante blieben.
Da die Einführung der Haltungsformkennzeichnung bei Milchprodukten unmittelbar bevorsteht, schließt Dr. Seufferlein auch einen strategischen Hintergedanken von Aldi und Co. nicht aus: Die Verbraucher auf ein generell steigendes Preisniveau vorbereiten. Das wiederum schließen Molkereivertreter aus. Ein Beleg, wie undurchsichtig das ganze Marktgeschehen aktuell ist.
Milchmarkt im Höhenflug
Auf den Produktmärkten stehen die Zeichen klar auf feste bzw. steigende Preise:
- Milchanlieferung: Die deutsche Milchmenge ist 2021 auf ihren tiefsten Stand seit acht Jahren gesunken. Anfang Februar 2022 lag die Milchanlieferung in Deutschland 1,1% unter Vorjahr.
- IG Milchbarometer: Das IG-Milchbarometer ist Ende Januar gegenüber dem Vormonat um 1,4 ct auf 52,1 ct/kg Milch gestiegen. Der Wert berechnet sich aus den Börsenkursen für Butter und Magermilchpulver der künftigen zwölf Monate.
- Global Dairy Trade: Auf der internationalen Handelsplattform Global Dairy Trade legte der Durchschnittspreis für Milchprodukte Mitte Februar um 4,2% auf 4.840 $/t zu. Der kalkulierte Preisindex kratzt mit 1516 Punkten an der Rekordmarke von 1573 Punkten im April 2013.
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