Interview

Silke Gorißen über die Zukunft der Landwirtschaft

Für Land- und Forstwirte sowie Verbraucher sind es turbulente Zeiten – und mittendrin hat Silke Gorißen ihr Amt übernommen. Wie will die NRW-Agrarministerin für Stabilität sorgen?

Frau Gorißen, letztes Jahr hat Ministerpräsident Hendrik Wüst Sie von der Landrätin in Kleve zur Agrar­ministerin in NRW gemacht. Würden Sie heute immer noch „Ja“ sagen?

Gorißen: Ja, sofort.

Warum?

Gorißen: Weil ich wichtige Themen für die Menschen in Nordrhein-West­falen politisch gestalten darf – die Landwirtschaft, den Wald, die Ernährung und den Verbraucherschutz. Es geht um grundlegende Fragen unseres Alltags und der Zukunft, gerade mit Blick auf Klimaschutz und Ernährungssicherung. Das ist eine große Ehre für mich.

Wenn Sie selbst Bilanz ziehen: Ihr größter Erfolg bisher?

Gorißen: Für die Landwirtschaft haben wir unsere Stimme immer dann lautstark erhoben, wenn Vorschläge aus Berlin und Brüssel kamen, die wir für nicht praktikabel halten. Unser Haus steht für mehr Tierwohl und Umweltschutz, aber immer mit Praxis­bezug und im Austausch mit den Landwirten. Das haben wir von Beginn an klargemacht. Beim Waldumbau kommen wir insgesamt gut voran. Und die Verbraucher konnten wir bei der Energiekrise und gesunder Ernährung unterstützen.

Und Ihre größte Enttäuschung?

Gorißen: Von Enttäuschungen würde ich nicht sprechen. Bei einigen ­Themen sind wir noch nicht am Ziel, haben aber Zwischenschritte erreicht. Beispielsweise beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz oder der Wiederbewaldung der von den Borkenkäfern zerstörten Flächen.

Auf beide Punkte gehen wir noch ein. Bleiben wir zunächst beim Koalitionsvertrag. Noch in diesem Jahr soll ein NRW-Klimaschutzgesetz kommen. Worauf müssen sich Land- und Forstwirte einstellen?

Gorißen: Wir rechnen nicht mit Verschärfungen. Vielmehr können mit dem Klimaschutzgesetz Chancen entstehen. Wir werden Windenergieanlagen auf Kalamitätsflächen im Wald ermöglichen und den Ausbau von Photovoltaik auf versiegelten Flächen sowie Dächern vorantreiben. Freiflächen-Photovoltaikanlagen sehen wir nur auf wenigen Standorten, um die Flächenkonkurrenz nicht weiter zu verschärfen.

Zumal NRW das Ziel von maximal 5 ha Flächenverlust pro Tag wieder einhalten will. Wie soll das diesmal gelingen?

Gorißen: Es muss gelingen! Selbst 5 ha pro Tag sind noch viel. Unsere hochwertigen landwirtschaftlichen Flächen müssen erhalten bleiben. Oft sind es europaweit beste Böden! Landwirtschaft ist einem enormen Konkurrenzdruck ausgesetzt, durch Gewerbe, Wohnbau und Industrie. Gut, dass mit dem Reviervertrag 2.0 im Rheinischen Revier die grundlegend bestehenden Verpflichtungen zur Rückgabe rekultivierter landwirtschaftlicher Flächen gewahrt bleiben. Zukünftige Generationen müssen die Chance haben, die sehr fruchtbaren Böden zur Sicherung der regionalen Versorgung zu bewirtschaften.

Im Koalitionsvertrag hat sich Schwarz-Grün auf die Gründung einer Landgesellschaft verständigt. Könnte sie sich darum kümmern und wann kommt sie?

Gorißen: Wir müssen den Druck von den landwirtschaftlichen Flächen nehmen und den Flächenverlust stoppen. Dazu müssen viele Fragen geklärt werden, organisatorisch, rechtlich und finanziell. Das tun wir, aber das braucht Zeit.

Die Landesregierung will einen zweiten Nationalpark – wann und wo soll er kommen?

Gorißen: Das steht noch nicht fest. Der Start für einen landesweiten Findungsprozess, bei dem sich Regionen für einen Nationalpark beteiligen und bewerben können, ist nach den Sommerferien geplant. Die Federführung hat das Umweltministerium. Mir persönlich ist wichtig, dass es die Region auch möchte und der Nationalpark breit in der Region getragen wird. Wir müssen auch...