Zu den Vorschlägen der EU-Kommission, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten komplett zu verbieten, hat Silke Gorißen eine klare Meinung. „Da ist die Kommission deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Denn in NRW wäre 90 % der landwirtschaftlichen Fläche vom Totalverbot betroffen“, sagte die nordrhein-westfälische Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz gestern auf dem WLV-Kreisverbandstag Coesfeld in Senden.
Unterschiede in EU
Um den Kommissionsmitgliedern diese Auswirkungen einmal zu verbildlichen, habe sie zu einem Gespräch in Brüssel großformatige, ausgedruckte Karten mitgenommen – und diese den Kommissionsmitgliedern als Erinnerung überlassen. Aufgefallen sei ihr bei dem Gespräch noch, dass es unter den EU-Mitgliedstaaten offenbar unterschiedliche Definitionen gebe, was ´sensible Gebiete´ seien, die vom Pflanzenschutz-Totalverbot betroffen sind. Gorißens Eindruck war, dass „Deutschland besonders fleißig bei der Meldung sensibler Gebiete“ war, andere dagegen etwas verhaltener.
Die CDU-Politikerin nimmt allerdings wahr, dass es ein gewisses Einlenken der EU-Kommission gebe. Es sei aber auch noch weiter Weg und verlange viele Diskussionen, auf eine praktikable Lösung zu kommen. „Doch bei aller Kritik an dem Kommissionsvorschlag, an den eigentlichen Zielen – den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu senken - kann man nicht rütteln“, sagte Gorißen. Das sei ihrer Meinung nach auch den Landwirten klar. Nur der Weg dorthin dürfe nicht über Verbote gehen, sondern gemeinsam mit den Landwirten.
Deshalb will die Agrarministerin nun eine NRW-eigene Strategie zur Pflanzenschutzmittel-Reduktion erarbeiten. Zum einen, weil die schwarz-grüne Landesregierung das im Koalitionsvertrag vereinbart habe. Und zum anderen, um in Brüssel aktiv einen Gegenvorschlag zu den Kommissionsplänen vorzulegen. Gorißen will dazu in Kürze einen runden Tisch einberufen, an dem ausgewählte Fachleute unterschiedlicher Gruppen einen praxistauglichen und realistischen Plan entwerfen, wie sich welche Ziele bis wann beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erreichen lassen. Unbedingt einfließen soll dabei auch, welche Einsparpotenziale moderne Technik bietet. Weitere Details wollte die Ministerin auf Wochenblatt-Nachfrage noch nicht verraten. Nur: Die Strategie soll tragfähig sein.
Kritik an roten Gebieten
Das ist gerade mit Blick auf die sogenannten roten Gebiete mit strengen Düngeregeln ein wichtiges Argument. Auch hier hatte NRW einen eigenen praktikablen Weg bei der Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete gefunden – bis Brüssel das Verfahren aberkannte. Schlagartig vergrößerten sich die roten Gebiete um den Faktor drei auf jetzt rund 507000 ha in NRW. „Den Unmut der Landwirte darüber kann ich sehr gut verstehen“, sagte Gorißen, „zumal ich überzeugt bin, dass wir mit der jetzigen Ausweisungsmethode fachlich hinter der zuvor verwendeten Methode bleiben.“
Die Gebietsausweisung bezieht sich jetzt auf die rund 1300 Messstellen, zuvor nutzte NRW die emissionsbasierte Binnendifferenzierung. Schnelle Abhilfe für Betriebe in roten Gebieten, beispielsweise durch eine einzelbetriebliche Berechnung, zeichnet sich der Ministerin zufolge nicht ab. Als Unterstützung für betroffene Landwirte verwies sie auf die kostenlose Düngeberatung der Landwirtschaftskammer.
Lob für die klare Kritik an den neuen roten Gebieten bekam Gorißen vom Kreisverbandsvorsitzenden und Vizepräsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) Michael Uckelmann. Er bezog sich auf ein Video, in dem die Ministerin, WLV-Präsident Hubertus Beringmeier, der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes Bernhard Conzen und Kammerpräsident Karl Werring die Neuausweisung bemängeln. „Das kam bei den Berufskollegen gut an“, sagte Uckelmann.
Darüber freute sich die Agrarministerin sichtlich und versicherte: „Trotz allen Herausforderungen gibt es auch viel erfreuliches, zum Beispiel, dass Landwirt laut einer Umfrage der drittwichtigste Beruf ist. Ich und mein Haus stehen Ihnen zur Seite. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und möchte Politik für die Landwirtschaft machen.“
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