SILVIA BENDER, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium
Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, woher Fleisch, Wurst, Milch oder Eier stammen – und unter welchen Bedingungen sie erzeugt werden. Doch das ist nicht immer leicht herauszufinden.
Ohne eine umfassende Transparenz werden wir die Tierhaltung nicht verändern können. Das betrifft sowohl die Art und Weise, wie Tiere gehalten werden, als auch das Einkommen der Menschen in der gesamten Wertschöpfungskette. Deshalb setzen wir uns auf EU-Ebene für eine Ausweitung der Herkunftskennzeichnung für tierische Erzeugnisse ein. Da andere Mitgliedsstaaten eigene Regelungen vorlegen, wird häufig gefragt: „Wieso auf EU-Ebene und nicht national?“
Dies hat mehrere Gründe: Pflichtangaben für Lebensmittel sind weitestgehend EU-weit vereinheitlicht. Es bleibt nur ein enger Rahmen für nationale Maßnahmen. Für verpflichtende nationale Herkunftsangaben sind die rechtlichen Hürden besonders hoch. Es muss nachgewiesen werden, dass Herkunft und Qualität eines Lebensmittels miteinander in Verbindung stehen und dass die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher der Angabe zur Herkunft wesentliche Bedeutung beimisst.
Der Europäische Gerichtshof hat bereits eine mitgliedsstaatliche Regelung für rechtswidrig erklärt, da dieser Nachweis nicht hinreichend erbracht wurde. Die Europäische Kommission will im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie die Herkunftskennzeichnung EU-weit stärken und ausweiten und noch in diesem Jahr einen Legislativvorschlag vorlegen. Daher ist es unseres Erachtens sinnvoll, diese Pläne zu unterstützen. Wir bringen bereits jetzt unsere Vorstellungen zur Ausgestaltung einer Herkunftskennzeichnung in den Prozess ein. Gleichzeitig behalten wir uns vor, nationale Ansätze auf den Weg zu bringen – für den Fall, dass sich die europäischen Pläne verzögern oder nicht unseren Zielsetzungen entsprechen.
Bis Ende des Jahres wollen wir der Einführung einer national verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung den Weg ebnen. Zudem wird unsere Investitionsförderung künftig auf gute Haltungsbedingungen ausgerichtet und ein Finanzierungssystem entwickelt, um die Betriebe beim Umbau verlässlich zu unterstützen.Unser Ziel ist klar: Wir wollen den Umbau der Tierhaltung erreichen, eine Transformation. Ein „Weiter so“ wird es mit uns nicht geben.
DR. TORSTEN STAACK, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN)
Die Bundesregierung lässt wertvolle Zeit verstreichen. Statt mit der geplanten Einführung einer Haltungskennzeichnung für tierische Erzeugnisse auch gleichzeitig die Herkunftskennzeichnung zu implementieren, wird das im Koalitionsvertrag angekündigte Ziel in Richtung Brüssel und somit auf die lange Bank geschoben. Für die wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehenden Schweinehalter ist das mehr als enttäuschend.
Schon vor zwei Jahren wollte die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine europäische Tierwohlkennzeichnung in Brüssel unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft voranbringen. Aber seitdem ist man nicht weitergekommen. Das wird auch ihrem Nachfolger, Herrn Özdemir, nicht entgangen sein. Und trotzdem will man in Deutschland auf Brüssel warten?
Ein neuerlicher Abstimmungsprozess auf EU-Ebene wird Zeit kosten – Zeit, welche die deutschen Schweinehalter nicht mehr haben, denn dann sind viele von ihnen bereits ausgestiegen. Dabei macht Frankreich doch vor, wie es mit einer Herkunftskennzeichnung gehen kann. Da muss man sich langsam wirklich fragen, ist es verzögertes Handeln aus Unwissenheit oder Absicht?
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir verspielt jedenfalls gerade seinen Vertrauensvorschuss als Brückenbauer. Unter dem Strich kann der Transformationsprozess der Tierhaltung nur mit einem Gesamtkonzept aus einem Guss gelingen:
- mit der Möglichkeit, die Ställe überhaupt umbauen zu dürfen,
- mit einer auskömmlichen Finanzierung der Mehrkosten und
- mit einer konsequenten Haltungs- und einer bis zum Ferkel zurückgehenden Herkunftskennzeichnung für alle Schweinefleischprodukte. Das heißt, die Kennzeichnung muss für Frischfleisch und verarbeitete Ware sowie gleichermaßen im Lebensmitteleinzelhandel, Großhandel und Außer-Haus-Verzehr gelten.
Der Kunde muss sehen können, was er kauft, damit deutsches Schweinefleisch in Deutschland nicht noch mehr durch günstige Importprodukte ausgebootet wird. Denn wenn die hiesige Schweinehaltung hier erst verschwunden ist, brauchen wir uns auch nicht mehr über die Ausgestaltung der Tierhaltung zu unterhalten.
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