Es war seine erste Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. „Mich braucht niemand von der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaftskammer NRW überzeugen, das weiß ich selbst zu gut“, sagte Dr. Martin Berges gleich zu Beginn der Hauptversammlung am Freitag.
Dr. Berges ist seit Ende Juni Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW, zuvor war er 14 Jahre Kammerdirektor. Das ist seit Mitte September Dr. Arne Dahlhoff, der bis dahin das Versuchsgut Haus Düsse geleitet hat. Beide betonten unabhängig voneinander, dass sie allmählich in ihre neuen Rollen finden würden, aber noch in der Lernphase seien.
Rote Gebiete und Pflanzenschutz
Erschwerend kommen die aktuell großen Herausforderungen für die Landwirtschaft hinzu. Das zeigte sich besonders bei der Ansprache von Dr. Berges. „Ich habe leider kaum Wohlfühlthemen mitgebracht“, sagte er und machte beispielhaft deutlich:
- Die roten Gebiete mit verschärften Düngeregeln haben sich in NRW um den Faktor 3,1 auf rund 507000 ha erhöht. Dr. Berges bedauert, dass die EU-Kommission die vorherige Berechnungsmethodik nicht akzeptiert habe. Ziel sei aber weiter ein verursachergerechtes Verfahren, dafür setze sich NRW in Berlin ein. Es gebe aber noch keinen Fahrplan, wann das gelingen könne.
- Den Vorschlag der EU-Kommission, Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten zu verbieten, bezeichnete Dr. Berges aus „unglaublich“. Damit wären in NRW 90 % des Ackerlandes vom Totalverbot betroffen. Zwar zeichne sich in Brüssel ein gewisses Einlenken ab, dass es möglicherweise nicht so drastisch komme, trotzdem appellierte der Staatssekretär, dass die Landwirtschaft weiter auf die drastischen Folgen aufmerksam machen sollte. Auch die schwarz-grüne Landesregierung wolle den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, sie setze aber auf Kooperationen und technischen Fortschritt.
- Das geplante Tierhaltungskennzeichengesetz sei grundsätzlich gut, nur der Vorschlag der Berliner Ampelregierung lasse viele Frage offen, so Dr. Berges. Hier seien Nachbesserungen nötig. NRW will über ein Sofortprogramm mehr Tierwohl ermöglichen, der Startschuss soll Anfang 2023 fallen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer versuchen die Landwirtinnen und Landwirten bei diesen Themen fachlich zu unterstützen, verdeutlichte Kammerdirektor Dr. Dahlhoff. Bei allen Herausforderungen stellte er auch einige positive Entwicklungen des Jahres 2022 heraus. So seien die Erträge trotz Hitze und Trockenheit oft unerwartet gut ausgefallen. Die Unternehmensergebnisse fielen im Schnitt besser als im Vorjahr und im fünfjährigen Schnitt aus. Vor allem Acker- und Futterbaubetriebe verbuchten bessere Ergebnisse, Veredlungsbetriebe hatten dagegen das zweite verheerende Jahr in Folge.
Haushalt 2023: Hebesatz steigt
Die Hauptversammlung hat den Haushaltsplan für das Jahr 2023 verabschiedet. Demnach erwartet die Landwirtschaftskammer Einzahlungen von 237.122.600 € und Auszahlungen von 241.620.200 €. Der Haushaltsplan schließt mit einem Fehlbetrag von 4,49 Mio. €, der der Rücklage entnommen wird.
Der Personalaufwand ist mit rund 172,5 Mio. € geplant und berücksichtigt die jährliche Tarifsteigerung sowie soziale Abgaben. Daneben sind Aufwendungen für die Bewirtschaftung und Verwaltung von rund 41,8 Mio. € vorgesehen. Inflationsbedingte Preissteigerungen führen zu einem erheblichen Anstieg der Sachkosten. So sind allein bei der Energie Mehrkosten von rund 4,3 Mio. € eingeplant. Das für 2023 geplante Investitionsvolumen beträgt rund 19,5 Mio. €. Der größte Teil davon ist für bauliche Maßnahmen an den Versuchs- und Bildungsstandorten vorgesehen.
An Einnahmen erwartet die Landwirtschaftskammer vom Land NRW für die landesfinanzierten Aufgaben Verwaltungskostenerstattungen von 148,1 Mio. €. Das Gebührenaufkommen aus Aufgaben nach dem Landwirtschaftskammergesetz ist mit rund 29,0 Mio. € eingeplant. Die Umlage zur Landwirtschaftskammer trägt mit 25,7 Mio. € zur Finanzierung der Aufgaben der Selbstverwaltung bei. Die Planung berücksichtigt, dass der Hebesatz der Umlage für das Haushaltsjahr 2023 um 1,00 € auf 9,50 € pro 1.000 € Einheitswert erhöht wird. Dieses sichere die nachhaltige Finanzierung der Aufgaben der Landwirtwirtschaftskammer für die kommenden Jahre.
Ausbildungszahl bleiben stabil
Weitere positive Botschaft: Die Grünen Berufe sind bei Auszubildenden nach wie vor beliebt und die Auszubildendenzahlen bleiben stabil auf hohem Niveau. Erfreulich sei dabei, dass die Anzahl an Auszubildenden in der Landwirtschaft höher ist als 2021, aktuell gebe es knapp 1500 Ausbildungsverträge.
Auch mit Blick auf die Agrarprämien hatte Dr. Dahlhoff noch eine erfreuliche Nachricht: Der Großteil der Auszahlungen aus der Zweiten Säule sei bereits in der vergangenen geflossen. Und die EU-Zahlstelle werde die Flächenprämien mit einer Auszahlungsquote von rund 95 % vor Weihnachten an die Betriebe ausschütten.
Die Agrarprämien werden die Kammer auch direkt im neuen Jahr fordern. Durch die Agrarreform stehen etliche Veränderungen an. Dr. Dahlhoff: „Bei uns laufen die Vorbereitungen für eine rechtssichere und praktikable Umsetzung der Maßnahmen, um Ihnen mit dem nächsten Start des Antragsverfahrens zur Seite stehen zu können.“
Lesen Sie mehr: