Das Verordnungs-Tempo in der vergangenen Bundeslegislaturperiode war definitiv zu hoch. Mit diesem Satz sprach NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser bei der Sitzung des Landesverbandsausschusses des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes gestern in Werl wohl jedem Landwirt aus der Seele. Und sie ließ mehrmals anklingen, dass auch sie mit einigen Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen aus Berlin und Brüssel unzufrieden ist.
Insektenschutzpaket: Was plant NRW?
Zum Beispiel beim Insektenschutzpaket. Auch NRW wolle den Verlust von Biodiversität stoppen, aber mit einem kooperativen Ansatz. Das ließ sich in Berlin aber nicht durchsetzen, wenngleich das Land NRW im Bundesrat gegen die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung gestimmt habe. Allerdings hätten die Länder noch Gestaltungspielräume, die sie nutzen möchte, sagte die Ministerin. So soll es schon kommende Woche einen Erlass für Härtefall-Regelungen geben. So könnten Betriebe, die einen gewissen Anteil ihrer Flächen in Naturschutzgebieten haben, vom Pflanzenschutz-Verbot ausgenommen sein. Und es soll einen Erschwernis-Ausgleich mit einer jährlichen Zahlung geben, finanziert über Bund und Land. Betroffene Betriebe könnten eines der beiden Elemente nutzen. Vom Bund forderte Heinen-Esser, jetzt zügig die Kriterien für den Erschwernis-Ausgleich festzulegen. Und gab den Hauptstadtpolitikern noch den Seitenhieb mit, dass auch aus ihrer Fachabteilung aus fachlicher Sicht niemand das generelle Glyphosat-Verbot in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten verstehe.
NRW macht Tempo beim Borchert-Plan
Sehr verärgert ist Heinen-Esser, dass der Bundestag vor der Bundestagswahl keinen klaren Rahmen mehr für den Borchert-Plan zum Umbau der Nutztierhaltung gesetzt hat. Jetzt seien Wahlen, dann Regierungsbildung und dann müssten die Ausschüsse wieder ans Arbeiten kommen. „Vor Frühjahr wird das nichts“, sagte sie. Deshalb wolle sie einen Bundesrats-Antrag stellen, sich mit dem Borchert-Papier zu befassen. Dann sei auch der Bund gezwungen, wieder schneller daran zu arbeiten. Ein bisschen treibe sie die Frage dabei um, wer die neue Bundesregierung überhaupt stelle und wie diese sich zum Borchert-Plan positioniere. Für Heinen-Esser steht fest: „Wir brauchen die Umsetzung des Borchert-Papiers, um Perspektiven zu schaffen. Und meine Vision ist, wenn wir das geschafft haben, muss auch mal zehn Jahre Ruhe sein!“ Denn der Umbau sei für die Landwirte mit riesigen Investitionen verbunden, da dürfe nicht alle paar Monate was Neues kommen.
CMA 2.0
Als Unterstützung für die aktuelle Krise am Schweinemarkt verwies die Ministerin vor allem auf die Ergebnisse des Schweinegipfels am Vortag. Zudem appellierte sie eindringlich an die Branche, eine Agrarmarketing-Gesellschaft zu gründen. Früher habe die CMA Werbung für deutsche Produkte gemacht. Diese Rolle habe der Lebensmittelhandel übernommen – der manchmal für deutsche Produkte werbe, manchmal aber auch für ausländische. „Nehmen Sie die Zügel wieder selbst in die Hand und zeigen Sie den Kunden, was Sie sind“, sagte Heinen-Esser. So könne es gelingen, wieder auf Augenhöhe mit dem Handel zu gelangen. Als Start für die „CMA 2.0“ könnten die 70 Mio. € aus dem Absatzfonds der Landwirtschaftlichen Rentenbank dienen.
Rote Gebiete zu klein?
Ungemach könnte noch aus Brüssel kommen: Die EU-Kommission stelle die Modellierungsverfahren bei der Düngeverordnung in ganz Deutschland infrage. Aus Sicht der EU-Beamten seien die roten Gebiete zu klein. Heinen-Esser sieht das völlig anders. Die Verhandlungen liefen, Ausgang ungewiss. Äußerst kritisch sieht die NRW-Ministerin auch die Brüsseler Farm-to-Fork-Strategie: Die Vorgaben für die Erzeuger seien sehr detailliert, danach werde es sehr schwammig. „Undiskutabel“, war ihr klares Urteil.
Windenergie-Anlagen im Wald
Geändert hat Heinen-Esser ihre Meinung zu Windenergie-Anlagen auf Kalamitätsflächen im Wald. Die Prüfung lauf mit dem Ziel, das Forstgesetz noch in der Legislaturperiode der Landesregierung zu ändern.