„Dass ein grüner Minister den Borchert-Plan nicht umsetzt, ist unter aller Sau!“ Karl Friedrich Osenberg machte gleich zu Beginn der Jubiläumsfeier der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) NRW in dieser Woche seinem Ärger Luft - über die Grünen und insbesondere über Bundesagrarminister Cem Özdemir. Dabei sollte Osenberg eigentlich auf die Gründung der AbL Anfang der 1980er-Jahre zurückblicken, landete aber immer wieder bei aktuellen politischen Themen.
Pläne nicht umgesetzt, Arbeit eingestellt
Gerade das Ende der Borchert-Kommission stand in Bergkamen im Fokus. Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert, nach dem das Gremium benannt ist, saß im Publikum. Er bekam viel Lob, dass er 2020 einen breit akzeptierten Weg aufgezeigt hat, wie der Umbau der Nutztierhaltung zu mehr Tierwohl gelingen kann. Nur: Weder die vergangene noch die aktuelle Bundesregierung haben die Pläne vollumfänglich umgesetzt. Daher hat das Gremium die Arbeit eingestellt.
Keine Umsetzung aus Eitelkeit?
Der Zorn darüber richtet sich insbesondere an die Politik. „Der Ball lag quasi auf dem Elfmeterpunkt. Aber der jetzige Minister ist nicht einmal angetreten zum Schuss“, kritisierte auch Friedrich Ostendorff, Gründungsmitglied der AbL und langjähriger Bundestagsabgeordneter der Grünen. Seiner Meinung nach habe sich insbesondere die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) gegen die Umsetzung gestellt – weniger aus inhaltlicher Sicht, sondern aus Eitelkeit. Ohnehin habe Künast eine „städtisch geprägte Sicht auf die Landwirtschaft“, was öfter zu Konflikten mit der AbL führe, so Ostendorff.
Tierhalter brauchen Perspektiven
Enttäuscht zeigte sich auch Ursula Heinen-Esser, ehemalige Agrar- und Umweltministerin in NRW. Sie hat in den Ergebnissen der Borchert-Kommission eine „Brücke für die Zukunft“ gesehen, die jetzt aber ein stückweit zerschlagen sei. Dabei bräuchten gerade junge Tierhalter jetzt Perspektiven und Hoffnung. Daher war ihr eindringlicher Rat: „Bleiben Sie dran an dem Thema. Machen Sie Druck auf die Minister und Abgeordneten – das sind Ihre gewählten Vertreter.“
Umsetzung in Etappen
„Dran bleiben“ empfahl auch Wolfgang Reimer, Vorsitzender der Agrarsozialen Gesellschaft. Aus seinen Erfahrungen aus der Zeit im Stuttgarter bzw. Berliner Ministerium schlug er vor, den Borchert-Plan in Etappen umzusetzen. Beispielsweise ließe sich die zugesagte 1 Mrd. € aus dem Bundeshaushalt zum Umbau der Tierhaltung mit Landesmitteln aufstocken. Das könnte dann der Investitionszuschuss für die Landwirte sein. Die Bundesländer könnten ergänzend über Förderprogramme Prämien für mehr Tierwohl anbieten. Baden-Württemberg habe das über das „FAKT-Programm“ gemacht und gleichzeitig den Lebensmittelhandel motiviert, Zehn-Jahresverträge mit den Landwirten abzuschließen. Reimers Appell: „Nicht aufgeben, sondern fragen, wie kann es weitergehen mit der Tierhaltung!“
40 Jahre AbL NRW
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) NRW hat sich 1983 gegründet. Hauptantrieb war, „alte sowie tradierte Strukturen zu durchbrechen“ und aus Unmut über den „Alleinvertretungs-Anspruch des Bauernverbandes“, sagte Karl Friedrich Osenberg, der von Beginn an dabei ist. Zusammen mit anderen AbL-Urgesteinen wie Onno Poppinga, Josef Jacobi, Friedrich Ostendorff und Hugo Gödde schwelgten sie auf der 40-jährigen Jubiläumsfeier in Bergkamen in Erinnerungen. Für Schmunzeln sorgten dabei immer wieder Geschichten über vergangene Protestaktionen, mit denen sie öffentliche Aufmerksamkeit erzeugten. Früher wie heute ist den AbL-Verantwortlichen um die Vorsitzenden Anne Rothkranz-Pott und Bernd Schmitz wichtig: Agrarpolitik ist Gesellschaftspolitik.
Lesen Sie mehr: