"Bitte gehen Sie in Ihre virtuelle Wahlkabine“ – höchst ungewöhnlich, aber dennoch reibungslos verlief die 19. Hauptversammlung der Landwirtschaftskammer (LWK) am Freitag der vergangenen Woche. Coronabedingt hatte die Kammer erstmals „virtuell“ eingeladen. 162 Mitglieder saßen zu Hause am Computer bzw. Laptop, lauschten den Vorträgen, diskutierten und stimmten per Klick ab. „Corona hat der Digitalisierung einen großen Schub verliehen“, stellte der wiedergewählte Präsident Karl Werring fest.
Kammer leistet tolle Arbeit
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser attestierte dem Ehren- und Hauptamt der Kammer exzellente Arbeit. Gerade jetzt müsse die Kammer voll handlungsfähig bleiben, deshalb bleibe der Landeszuschuss für die hoheitlichen Aufgaben 2021 konstant bzw. er werde leicht steigen. Den Bauernfamilien in NRW versprach die Rheinländerin weiter ihre volle Unterstützung, wobei sie auch heikle Themen aufgriff:
- Die Kammer wird an zwei Stalltypen auf Haus Düsse moderne Haltungsverfahren für Schweine erproben. Eine moderne Tierhaltung müsse in der Praxis funktionieren. „Am Ende müssen die Behörden die neuen Ställe dann auch genehmigen.“
- Heinen-Esser lehnt ein Totalverbot von Glyphosat in der Landwirtschaft ab. Zu dieser Haltung wurde ihr in der Diskussion der Rücken gestärkt. Kreisstellenmitglied Christoph Daldrup (Coesfeld): „Bundesumweltministerin Schulze verbreitet Unwahrheiten, wenn sie behauptet, Glyphosat würde Bienen und andere Insekten töten. Das sind Fake News.“
- Den Waldbauern will die CDU-Ministerin weiter helfen, auch wenn sie sich über die pauschalen Schuldzuweisungen von Präsident Prinz Salm zu Salm im Wochenblatt mächtig geärgert hat. Ihr Appell an die Betroffenen: „Schreiben Sie mir direkt eine Mail, wenn etwa Fördermittel nicht bewilligt werden oder die Zusammenarbeit mit dem Forstamt nicht klappt.“
Betriebsprämie kommt
Kammerdirektor Dr. Martin Berges lobte zunächst einmal das gesamte Kammerteam. Trotz Corona hätten die Kreisstellen im April/Mai 2020 rund 41 000 Anträge auf Betriebsprämie fast ohne physische (körperliche) Anwesenheit der Landwirte aufgenommen und bearbeitet. „95 % werden das Geld noch vor Weihnachten auf ihrem Konto haben“, so der Kammerchef.
Ansonsten sei die Stimmung auf den Höfen sehr gedrückt. Das dritte Trockenjahr in Folge, Corona, die Schweinepest und ständig neue Bauauflagen für die Tierhalter hinterließen deutliche Bremsspuren. „Immer mehr Familien fragen unsere Wirtschaftsberater, wie es weitergehen könnte.“ Berges: „Es gibt derzeit noch etwa 1600 Sauenhalter in NRW. Davon hören vermutlich bis zu 50 % kurz- bis mittelfristig auf.“
Ansonsten gab es 2020 Licht und Schatten. Viele Hofläden hätten ihre Umsätze wegen Corona stark gesteigert. Dagegen seien die Stühle in den Hofcafés und die Betten in den Ferienhöfen leer geblieben.
Ein Sonderlob zollte der 56-Jährige am Ende dem grünen Nachwuchs. Hier sei keine Resignation zu spüren. Die Kammer habe 2020 etwa 3000 Abschlussprüfungen durchgeführt. Die Zahl der Berufsanfänger für Landwirte, Gärtner, Pferdewirte, Hauswirtschafterinnen usw. und der Fachschüler sei auf hohem Niveau konstant geblieben. Die Jahrgangsbesten in allen Sparten hat die Kammer mit Förderpreisen bedacht (siehe Übersicht).
Für Meister wird’s teurer
Ab 2021 müssen Landwirte, Gärtner und andere Bewerber(innen), die bei der Kammer ihre Meisterprüfung ablegen wollen, erheblich tiefer in die Tasche greifen. Die Hauptversammlung hat beschlossen, dass die Gebühren für die Zulassung und Durchführung der Prüfung steigen; und zwar für die Durchführung von 371 auf 800 €. Wer die Prüfung wiederholt, muss erneut 800 € zahlen. Dr. Berger: „Unsere Gebühren waren bisher nicht kostendeckend. Jetzt liegen wir, im Vergleich zum Handwerk, im Mittelfeld.“
141 Ja-Stimmen für Präsident Karl Werring
Ohne Überraschung verliefen die Wahlen. Karl Werring hatte keinen Gegenkandidat, er wurde mit 141 Ja-Stimmen bei 6 Enthaltungen für weitere drei Jahre als Kammerpräsident gewählt. Gegenstimmen sah das Wahlprozedere nicht vor. Es ist die zweite Amtsperiode des 60-Jährigen, der einen Ackerbaubetrieb mit Bullenmast in Sendenhorst, Kreis Warendorf, bewirtschaftet.
Für die Wahlgruppe 1 (Arbeitgeber) wurde Martin Dahlmann als Vizepräsident bestätigt. Der 55-Jährige kam auf 127 Ja-Stimmen bei 18 Enthaltungen. Dahlmann bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb und ist Vorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann. Für die Wahlgruppe 2 (Arbeitnehmer) wurde Oliver Beitzel als Vizepräsident bestätigt. Der Forstwirtschaftsmeister, 49, ist bei der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer beschäftigt (142 Ja-Stimmen).
Der im Block gewählte Hauptausschuss besteht aus: Wahlgruppe 1: Petra Bentkämper,Hubertus Beringmeier, Bernhard Conzen, Eva Kähler-Theuerkauf, Heiner Kollmeyer, Paul-Christian Küskens, Jutta Kuhles, Lothar Menn, Helmut Rüskamp, Dirk Voß.Wahlgruppe 2: Antonius Börsting,Andreas Fischbach, Rudi Heinen,Manfred Peppinghaus, Monika Rütter. Zum Hauptausschuss gehören auch der Kammerpräsident und die beiden Stellvertreter.
75 % fürs Personal
Den Haushaltsplan für 2021 hat die Hauptversammlung ohne Gegenstimme verabschiedet. Die Kammer plant mit Erträgen von 204 Mio. €, dem stehen Aufwände von 206 Mio. € gegenüber. Die Personalkosten schlagen mit 155 Mio. € (75 %) am stärksten zu Buche. Für Verwaltungstätigkeit sind 29 Mio. € verplant. 11,3 Mio. € gehen ans Land NRW (erzielte Erlöse aus Wahrnehmung für Landesaufgaben).
Die Kammer beschäftigt 1537 Personen. Der Stellenplan für 2021 sieht 19 neue Jobs vor, die Landesaufgaben erfüllen sollen.Für Investitionen sind 11,5 Mio. € veranschlagt. Sie werden insbesondere für Baumaßnahmen an den Versuchs- und Bildungsstandorten benötigt, etwa Haus Düsse, Haus Riswick und Münster-Wolbeck. An Erträgen erwartet die Kammer für die Aufgaben des Landesbeauftragten vom Land Verwaltungskostenerstattungen von 133 Mio. €; abzüglich der Erlösabführungen verbleiben netto 122 Mio. €. Das wären rund 5 Mio. € mehr als 2020.Durch Verwaltungstätigkeiten und Umsatzerlöse will die Kammer Erträge von 37 Mio. € erwirtschaften. Dazu gehören unter anderem die Einnahmen aus Gebühren.Aus der Kammerumlage erwartet die Kammer 2021 rund 23 Mio. €. Der Hebesatz bleibt mit 8,5 ‰ vom Einheitswert unverändert. Kredite will die Kammer 2021 wahrscheinlich nicht aufnehmen.
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