Maria Rennefeld von der Landwirtschaftskammer NRW, Kreisstelle Coesfeld, leitet seit 2007 einen Arbeitskreis mit rund 18 Hofübernehmerinnen jeden Alters aus ganz NRW. Die Höfe der Frauen sind unterschiedlich groß, verschieden ausgerichtet und werden größtenteils im Haupterwerb geführt.
Janna Luisa Pieper von der Uni Göttingen arbeitet mit an einer bundesweiten Studie zur Situation von Frauen auf Höfen. Dafür sprach sie in Gruppendiskussionen und Interviews u. a. mit rund 50 Betriebsleiterinnen. Weitere Interviews folgen bis Sommer 2022, wofür sie noch gesprächsbereite Frauen, die auf Höfen arbeiten, sucht. Bei Interesse bitte unter FrauenLebenLandwirtschaft@uni-goettingen.de oder 0551-39 211 35 melden.
Wie kommen die Frauen zur Betriebsleitung? Haben die Eltern bewusst entschieden, ihnen statt etwa dem Bruder den Hof zu übergeben? Befinden sich auch „Schwiegertöchter“ darunter?
Pieper: Es kommt schon eher selten vor, dass Eltern an die Tochter übergeben, obwohl ein Sohn da ist, der auch will. Und: In allen Diskussionen und Interviews habe ich bisher keine einzige Hofnachfolgerin erlebt, die den ehemaligen Hof der Schwiegereltern alleine leitet.
Rennefeld: Auch bei meinen Arbeitskreisteilnehmerinnen waren nur Töchter da oder die Söhne wollten nicht übernehmen. Bei allen ist es der ehemalige Hof der Eltern, nicht der Schwiegereltern.
Mit welchen Vorurteilen haben die Frauen zu kämpfen?
Pieper: Dass sie eh nicht richtig anpacken könnten, eher kommunikativ seien, gut im Kümmern. Das fängt oft schon in der Kindheit an, dass die Mädchen im Haushalt, die Jungs auf dem Hof anpacken dürfen und so geht es oft in der Ausbildung und später weiter: Dann sind die Frauen ganz selbstverständlich für die Kälber, für den Abferkelstall oder die Direktvermarktung zuständig, während die Männer auf den Trecker steigen.
Rennefeld: Fast alle Frauen berichten, dass sie gerade zu Anfang oft vermittelt bekommen haben: „Das bekommst Du eh nicht so gut hin wie ein Mann.“ Sie müssen gefühlt stets doppelt so gut sein, um von Kollegen und Geschäftspartnern ernst genommen zu werden.
Werden sie von anderen Landwirten und Geschäftspartnern immer mit Respekt behandelt?
Rennefeld: Auch wenn es für viele keine Selbstverständlichkeit ist, dass sie als Frauen Betriebe leiten, ist die Zusammenarbeit mit anderen Landwirten meist kein Problem. Aber bis sie auch von anderen Geschäftspartnern ernst genommen werden, kann es dauern. Da heißt es anfangs von so manchem Futtermittellieferant: „Wo ist denn Dein Vater oder Dein Mann?“
Pieper: So haben mir das auch die Frauen in den Interviews und Diskussionen berichtet. Einzelne erzählten auch davon, dass gerade ältere, männliche Mitarbeiter sie oft nicht ernst nehmen.
Haben die Frauen Probleme mit zu schweren Arbeiten?
Rennefeld: Es gibt durchaus immer noch Tätigkeiten wie mehrere Stunden Stallreinigung, für die den Frauen die körperliche Kraft fehlt. Das stellt sie aber nicht vor unlösbare Probleme: Da übernimmt etwa das Güllefahren der Lohnunternehmer, Saatgutsäcke werden in kleineren, rückenschonenden Größen bestellt und Arbeiten auf alle Arbeitskräfte so aufgeteilt, dass es passt.
Pieper: Genau. Und auch Männern fällt die Arbeit nicht immer leicht.
Apropos Arbeitskräfte: Leiten die Frauen vielfach alleine den Betrieb oder gemeinsam mit dem Mann? Oder arbeiten die Männer häufig nur mit, leiten aber nicht?
Pieper: Alleine oder gemeinsam – es kommt beides vor. Bei der geteilten Betriebsleitung ist mir aufgefallen: Öfter bezeichnen sich die Frauen als gleichberechtigte Betriebsleiterinnen, sind es aber auf dem Papier nicht. Leiten die Frauen allein, sind die Männer meist außerlandwirtschaftlich tätig oder leiten einen eigenen Hof.
Rennefeld: Bei den Frauen in meinem Arbeitskreis sind bei einigen die Männer mit eingestiegen oder sie haben einen eigenen Betrieb und helfen ab und an mit. Bei rund der Hälfte arbeitet der Mann aber in einem ganz anderen Beruf, was auch so bleiben soll. Natürlich haben die Frauen auch Mitarbeiter, lagern Aufgaben etwa an Lohnunternehmen aus oder haben Mithilfe von der Familie.
Wie geht der Spagat zwischen Kind, Haushalt, eventuell Pflege von Altenteilern und Hof?
Rennefeld: Ja, das ist die große Herausforderung: Betrieb und Familie unter einen Hut zu bekommen. Sehr oft erledigen die Frauen die Kinderbetreuung oder den Haushalt neben der Betriebsleitung noch mit. Oft helfen auch die Mütter mit oder es wird eine Putzkraft oder Haushaltshilfe beschäftigt. Dass die Männer statt der Frauen etwa die Betreuung der Kinder nach der KiTa oder die Hilfe bei den Hausaufgaben übernehmen, kenne ich aus den Erzählungen im Arbeitskreis bisher nicht.
Pieper: Ja, die Doppelbelastung ist schon enorm. Dass die Männer da mehr als die Frauen übernehmen, ist schon selten. Bei großen Betrieben werden dann auch mal Aufgaben an Haushaltshilfen oder Gärtner abgegeben, aber klassischerweise erledigen die Frauen die Aufgaben zusätzlich noch mit.
Wie meistern sie die Zeit der Schwangerschaft und die Stillzeit?
Pieper: Darum machen sich die Frauen tatsächlich von Anfang an große Sorgen. Ob sie das überhaupt stemmen könnten, insbesondere wenn sie wissen, dass die Familie nicht viel mithelfen kann. Dass die Partner eingesprungen sind und Elternzeit genommen haben, davon hat keine Gesprächspartnerin berichtet.
Rennefeld: In der Regel wird in der Zeit auf die Eltern zurückgegriffen, die dann mehr im Betrieb anpacken. Dass der Mann längere Zeit Elternzeit nimmt, habe ich bis jetzt nur einmal erlebt. Aber der Anteil wird sicher steigen.
Können Frauen bestimmte Probleme besser lösen als Männer?
Rennefeld: Viele Probleme im Zwischenmenschlichen haben Frauen oftmals besser im Blick. So merken sie oft früher, wenn die Harmonie zwischen Eltern und Partner nicht stimmt oder die Familie neben dem Betrieb zu kurz kommt. Auch geht vielleicht ein Lob gegenüber einem Mitarbeiter so mancher Frau leichter über die Lippe.
Pieper: Ich glaube, das kann man nicht am Geschlecht fest machen. Ob jemand Probleme besser oder schlechter löst, ist eher Sache des Charakters.
Ist es Typsache, ob Frauen Höfe übernehmen? Sind es eher die anpackenden, selbstbewussten Frauen, die sich das zutrauen?
Pieper: Zwar habe ich auch schüchterne Frauen kennengelernt. Aber sie alle eint, dass sie sich durchbeißen mussten, gute Konzepte haben, zukunftsfähig, innovativ und durchsetzungsfähig sind.
Rennefeld: Genau, bei allen Frauen in meinem Arbeitskreis war es eine ganz bewusste Entscheidung, den Betrieb zu übernehmen, keine musste. Dann stehen die jetzt auch voll dahinter, sind ganz die Unternehmerin mit dem dazu erforderlichen Fachwissen, den Fähigkeiten und Kompetenzen, wollen den Betrieb nach Vorne bringen. Und ja, zumindest die Frauen in meinem Arbeitskreis sind alle sehr anpackend und selbstbewusst.
Was ist aus Ihrer Sicht der Hauptgrund dafür, dass so wenig Frauen Betriebe leiten?
Rennefeld: Das sitzt in den Köpfen der Eltern, ist Tradition, dass der Sohn und nicht die Tochter übernimmt. Auch, weil seit Jahrhunderten die körperliche Arbeit im Vordergrund stand.
Pieper: Ich denke auch, es ist die Überzeugung beim Vererben: Der Sohn muss erben. Bei meinen Vorträgen habe ich tatsächlich erlebt, dass Leute immer noch glauben, dass das so im Gesetz steht, obwohl das zum Glück 1947 abgeschafft wurde. Dementsprechend werden oft Söhne statt Töchter zu Hofnachfolgern erzogen.
Was muss sich ändern, damit mehr Frauen Betriebe leiten?
Rennefeld: Es muss sich in den Köpfen etwas ändern. Eltern sollten sich fragen: Wer ist besser geeignet, den Betrieb nach Vorne zu entwickeln. Dabei sind Liebe und Leidenschaft für das Unternehmen wichtiger als das Geschlecht. Aber da tut sich schon etwas: Eltern akzeptieren heute schon viel öfter die Entscheidung der Kinder als früher. Da ist deutlich mehr Offenheit bei der Hofübergabe anstatt dass es nur um „Hauptsache irgendwie weitermachen“ geht. Ich gehe fest davon aus, dass der Anteil der Frauen, die Betriebe leiten, in Zukunft zunehmen wird.
Pieper: Zudem würde es helfen, die Betriebshilfe auszubauen, damit die Zeit rund um die Geburt von Kindern nicht als unüberwindbares Problem erscheint. Und auch über mehr Fördermittel für Betriebsgründungen ließe sich einiges bewegen.
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