Einen Blick auf die aktuelle und künftige Marktlage wagten Clemens Tönnies, Detlef Latka und Dr. Dirk Köckler auf der Sitzung des WLV-Landesverbandsausschusses am vergangenen Donnerstag in Werl.
Fleisch: „Öffnen die Märkte, steigen die Preise“
Stinksauer ist Clemens Tönnies auf die Politik beim Thema Afrikanische Schweinepest. Man habe die ASP von Polen kommen sehen, aber nur halbherzig Vorbeuge getroffen und bekämpfe die Ausbreitung auch nicht konsequent genug. Die Folgen seien dramatisch: Wichtige Exportmärkte für Schweinefleisch seien weggebrochen – vor allem für die Teilstücke, die in Deutschland niemand isst. Wertschöpfung werde vernichtet, der Schweinepreis liege auf miserablem Niveau, Existenzen stünden auf dem Spiel. Jetzt gehe es darum, sachlich und mit fachlichen Argumenten wieder Exportmöglichkeiten zu schaffen. Denn der Geschäftsführer der Tönnies Holding in Rheda ist überzeugt: „Wenn die Märkte wieder öffnen, gehen die Schweinepreise hoch.“
Er sieht daher keine substanzielle bzw. strukturelle Krise in der deutschen Schweinehaltung. Deshalb ist er strikt gegen Ausstiegsprämien für Schweinehalter. Denn dann würden mit EU-Geldern deutsche Ställe geschlossen und in Spanien würden mit EU-Geldern neue Ställe entstehen. Klar ist für Tönnies aber, dass die deutschen Landwirte ihre Ställe hin zu mehr Tierwohl umbauen müssten.
Den Borchert-Plan zum Umbau der Nutztierhaltung unterstützt voll und ganz. Wichtig sei aber „die Köpfe zusammenzustecken“, wie sich auch in geschlossenen Ställen mehr Tierwohl erreiche lasse. Mit Blick auf die Haltungsstufen des Lebensmittelhandels versprach Tönnies: „Wir werden alle vier Haltungsstufen abnehmen, auch Haltungsstufe 1. Wir lassen euch nicht hängen.“ Welchen Preis Haltungsstufe 1 dann hat, ließ er offen.
Ergebnisse des Schweinegipfels begrüßt er. Die Werbemaßnahmen des Handels für Schweinefleisch dürften die Produkte nicht verramschen, können den Absatz aber ankurbeln. Und „5 x D“ sei möglich. Zwar müsse Deutschland Ferkel importieren, es gebe aber genügend deutsche Ferkel, um den deutschen Lebensmittelhandel und somit die deutschen Verbraucher zu versorgen.
Milch: „Stabile Märkte, steigende Kosten“
Die Milchmenge in der EU ist stabil, weltweit steigt sie. Die Nachfrage nach Milch legt weltweit aber auch zu. Wesentlicher Treiber ist China. „Der globale Milchmarkt hat schon jetzt eine gewisse Abhängigkeit von China. Wir hoffen, dass der Bedarf dort so hoch bliebt – sonst haben wir ähnliche Probleme wie der Schweinemarkt“, sagte Detlef Latka, Geschäftsführer von Hochwald Foods.
Aktuell seien die Preise auf dem Milchmarkt für Eckprodukte wie Butter oder Magermilchpulver stabil auf relativ gutem Niveau. Aber wie die Landwirte hätten auch die Molkereien deutlich höhere Produktionskosten, zum Beispiel durch Preissteigerungen bei Kunststoffen, Strom oder Wellpappe. Latka rechnet deshalb mit einer „spannenden Preisrunde“ mit dem Handel bei den anstehenden Verhandlungen über Produkte der Weißen Linie (Trinkmilch usw.). Die höheren Anforderungen und Kosten der Milcherzeuger sowie die höheren Kosten der Molkereien müssten in höheren Preisen beim Handel münden. Und das bedeute letztlich eine höhere Inflation.
Mittelfristig erwartet der Molkerist auf der einen Seite eine steigende Weltbevölkerung – vor allem in Ländern, in denen die Nahrungsmittelproduktion schwierig ist. Und auf der anderen Seite den Wunsch nach pflanzlichen Alternativen zu tierischen Produkten. Der Druck auf eine „nachhaltige Landwirtschaft“ in Industrienationen nehme zu. Und Nachhaltigkeit sei definiert über CO2-Reduktion und mehr Tierwohl.
Die deutsche Milchbranche sieht er dabei schon relativ gut aufgestellt – sie müsse es nur auch erzählen. Deshalb begrüßt er die Branchenkommunikation Milch.
Getreide und Dünger: „Extreme Rohstoffknappheit“
Markthausse: Die Getreideernte lag unter den Erwartungen, die Qualitäten enttäuschen vielfach. Und das Angebot liegt nun schon das vierte bis fünfte Jahr unter dem Bedarf. „Entsprechend hoch ist die Nachfrage“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Agravis, Dr. Dirk Köckler. Und nannte direkt ein zweites Beispiel: Kalkamonsalpeter koste aktuell bereits rund 330 €/t. Und das erste Mal in seiner Berufslaufbahn sei er sich nicht sicher, ob im Frühjahr nächsten Jahres wirklich alle Düngeläger voll seien. „Weltweit gibt es extreme Rohstoffknappheit. Und gleichzeitig haben sich die Frachtkosten extrem verteuert“, sagte Dr. Köckler.
Die CO2-Reduktion hält er für eins der wichtigsten Themen, sieht die Landwirtschaft dabei als Lösungstreiber. Es gebe Herausforderungen, aber eben auch Chancen in der Tierhaltung und im Pflanzenbau. Diese gelte es zu nutzen, sagte Dr. Köckler mit einem Appell: „Gemeinsam sind wir stark.“