Die Kuhhochburg Kreis Kleve

In keinem anderen Kreis in NRW werden so viele Kühe gehalten wie in Kleve. Dr. Franz-Josef Storck, Dienstellenleiter der LWK, verrät im Interview vor welchen Herausforderungen die Halter stehen.

Der Kreis Kleve hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg der Milchviehhaltung entwickelt. Woran liegt das?

Dr. Stork: Der Niederrhein ist ein Standort mit guten Böden und dadurch bedingt hohen Erträgen je ha. Für den Futterbau optimale Bedingungen. Hinzu kommt eine hervorragende Infrastruktur. Zwar haben wir im Kreis keine große Molkerei, dafür zahlreiche Unternehmen mit Bezug zur Landwirtschaft.

Mietz: Die günstigen Gegebenheiten führen zu sehr hohen Pachtpreisen – denn die Viehhalter stehen in direkter Konkurrenz zu beispielsweise Gartenbaubetrieben. Doch auch der Kiesabbau oder der Deichbau sind Bestandteil unseres Kreises. Die Fläche hier ist knapp und teuer. Das hat dazu geführt, dass sich die Milchviehbetriebe schon vor Jahren spezialisiert haben.

Bericht des Landeskontrollverbandes NRW werden in Kleve fast 50  000 Kühe gehalten. Verteilt auf etwa 450 Betriebe. Wie haben sich die Bestände in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Mietz: Vor 30 Jahren gab es im Kreis Kleve noch weit über 1300 Milchviehhalter mit im Schnitt 30 Kühen. Bei den Auswertungen sehen wir einen klaren Trend, der sich in ganz NRW so entwickelt hat: immer weniger Halter mit steigenden Tierzahlen pro Halter.

Dr. Stork: Den Zenit erreichten wir 2012/2013 mit etwa 56  000 Kühen. Seitdem sind die Zahlen eher rückläufig, während sich die Kuhzahl pro Betrieb erhöht. Es werden auch kaum mehr neue Ställe gebaut. Das merken wir in der Beratung ganz deutlich.

Mietz: Ganz genau, die Anfrage bezüglich neuer Bauprojekte geht vor allem seit der Milchkrise 2016 gegen null. Besonders die drei Dürrejahre hatten es für unsere Betriebe in sich. „Speck anzusetzen“ für mögliche Investitionen bzw. Bauvorhaben war einfach nicht möglich. Da wurde vielmehr Geld für den Futterzukauf benötigt.

Leistungsmäßig können sich die Klever Milchviehherden blicken lassen. Sie erreichen im Mittel fast 10  000 kg pro Kuh und Jahr. Was unterscheidet die Milchviehhalter im Raum Kleve von ihren Kollegen in anderen Teilen NRWs?

Mietz: Wir haben in der Beratungsregion ausgesprochen fortschrittliche Betriebe. Unternehmertypen, die sich gegenseitig austauschen sowie antreiben. Der teuere Standort zwingt zur hohen Intensität.

Und da der Milchpreis die immer steigenden Kosten keineswegs deckt, sind die Betriebe durchweg darauf bedacht, auch noch an der kleinsten Schraube zu drehen. Der Druck lässt viele Betriebsleiter kreativ werden.

Mit welchen Schwierigkeiten haben Klever Kuhhalter am meisten zu kämpfen?

Dr. Stork: Die baulichen Anforderungen an Fahrsilo und Güllelagern belasten die Betriebe zunehmend – vor allem die, wo die Nachfolge nicht geregelt ist. Erschreckend viele Landwirte entscheiden sich dagegen, jetzt noch aktiv Geld in die Hand für neue Siloanlagen zu nehmen. Stattdessen wird der Ausstieg aus der Milchviehhaltung geplant. Das sind Themen, mit denen wir derzeit häufig konfrontiert werden.

Mietz: Die mangelnde Motivation, weiterzumachen, ist oft der Gesamtsituation geschuldet. Da unterscheiden sich hiesige Landwirte nicht von ihren Kollegen an ­anderen Standorten. Unsicherheiten, was sich bei Politik und ­Gesetzgebung noch tut, drei Dürrejahre sowie die oft negative, ­öffentliche Wahrnehmung der Landwirtschaft – Themen, die die Milcherzeuger in ihrem Alltag umtreiben.

Hohe Viehbestände, wenig Fläche und jetzt auch schwarz auf weiß in weiten Teilen rote Gebiete. Wie reagieren Sie in der Beratung auf dieses Dilemma?

Mietz: Wir haben aktiv neue Stellen geschaffen, um die Praktiker beim immer höher werdenden Dokumentationsaufwand zu unterstützen. Dazu zählen neben Hilfestellungen bei der Stromstoffbilanz und der Düngeplanung auch einzel­betriebliche Anpassungsstrategien für rote Gebiete.

Erst vor Kurzem haben wir seitens der Kammer eine Online-Veranstaltung zur Düngeplanung organisiert und konnten so 600 Landwirte erreichen. Das zeigt uns, dass hier ordentlicher ­Beratungsbedarf vorhanden ist.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Milchkuhbestände in den kommenden Jahren ein? Wohin geht Ihrer Meinung nach die Reise?

Dr. Stork: Die Bestände werden weiter zurückgehen. Fraglich ist und bleibt, wie stark sich dieser Rückgang entwickelt.

Bei so hohen Kuhzahlen pro Betrieb spielt bestimmt die Automatisierung eine große Rolle?

Mietz: Absolut! Im Kreis Kleve gibt es 73 Betriebe mit Melkroboter –Tendenz steigend. Doch auch Gülleschieber, Spaltenroboter und Futterranschieber „begegnen“ uns in der Beratung und sind gefragt, um gewisse Arbeiten zu erleichtern.

Da bei der Digitalisierung und Automatisierung viel mehr Daten anfallen und erfasst werden, ist es für uns eine Herausforderung, Wege zu finden, diese für die Beratung nutzbar zu machen. Und das ohne mehr Aufwand für den Betriebsleiter.

Wie sieht es mit Fremdarbeitskräften aus?

Dr. Stork: In erster Linie beobachten wir die Einstellung von Arbeitskräften, um Freiräume für die Familie zu schaffen. Allerdings wird das von den Betrieben sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Höfe mit größeren Herden sind häufig auf der Suche nach Herdenmanagern in Vollzeit. Nicht selten sind es Absolventen unserer Fachschule, ohne eigenen Betrieb, die eine solche Anstellung annehmen.

Was sich immer mehr durchsetzt, ist die Einstellung von Aushilfen für Büroarbeiten. So ist die Nachfrage nach Agrarbürofachkräften momentan auffällig hoch.

Mit Haus Riswick haben Milchviehhalter ein Versuchs- und Bildungszentrum vor Ort. Wie werden die Angebote für die eigene Betriebsentwicklung umgesetzt?

Dr. Stork: Es ist ein tolles Zusammenspiel. Beratung, Wissenschaft und Praxis arbeiten Hand in Hand. Nicht selten kommen Landwirte mit Vorschlägen auf uns zu. So sind wir in Riswick sehr praxisnah. Beispielsweise eine neue Studie zum Rotschwingel. Dieses anspruchslose Gras hat eine hohe Dürretoleranz. Doch wie verhält es sich im Trog? Eine Frage, die uns Klever Milchviehhalter stellten und woraufhin ein Versuch angelegt wurde.

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