In der Nacht zu Montag dieser Woche haben Landwirte auf der vierspurigen Bundestraße 5 bei Wustermark (Brandenburg) Gülle und Mist abgeladen. Der Fernsehsender RTL berichtet, es seien auch Baumstämme abgeladen worden. Mindestens drei Autofahrer fuhren frontal in die ungesicherten Hindernisse, die auf beiden Seiten der Fahrbahn über mehrere hundert Meter verteilt waren. Fünf Personen wurden mit leichten Verletzungen in Krankenhäuser gebracht.
Polizei: „Leib und Leben gefährdet“
Aus einem Video, das dem „Tagesspiegel“ (Berlin) vorliegt, soll hervorgehen, dass die Protestierer die Bundesstraße blockiert haben und „zumindest zwischenzeitlich keine Rettungsgasse freiließen“, wie die Zeitung berichtet. Einige Bauern hätten ihre Traktoren abgestellt und sich entfernt. Nach Angaben der Polizei mussten acht Fahrzeuge von Abschleppwagen entfernt werden. Die Polizei ermittelt gegen die Blockierer wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Kerstin Schröder, Sprecherin der Polizeidirektion West, sprach gegenüber dem ZDF von einem „neuen Niveau“ bei den Protesten mit einer „Gefährdung von Leib und Leben“.
Ein Sprecher der örtlichen Feuerwehr berichtet, die Rettungskräfte seien auf dem Weg zum Unfallort blockiert und angepöbelt worden. Die Märkische Allgemeine Zeitung gibt ihn mit diesen Worten wieder: „Was da passiert ist, war grob fahrlässig. Das war nicht nur ein leichter Verkehrsunfall und hätte noch viel schlimmer ausgehen können“. Öffentlich bepöbelt wurde auch das lokale Abschleppunternehmen, das auf Anweisung der Polizei die abgestellten Traktoren entfernt hat. Seine Facebook-Internetseite wurde daraufhin mit hunderten Hasskommentaren wie „Volksverräter“ oder dem Wunsch einer baldigen Insolvenz überschüttet. Auch die privaten Telefonnummern der Mitarbeiter seien über die Facebook-Seite veröffentlicht worden, berichtet der Tagesspiegel. Nach dessen Recherchen sind die nächtlichen Aktionen Tage zuvor in geschlossenen Chatgruppen bei Telegram und Facebook vorbereitet worden. „Involviert war unter anderem der Dresdner ,Querdenker‘ Marcus Fuchs, der eigens für die Proteste nach Berlin und Brandenburg gereist war und zuvor in Videos ,eine große Nachtaktion‘ angekündigt hatte.
Das sagt der Landesbauernverband
Der Landesbauernverband Brandenburg, distanzierte sich umgehend von den Protestaktionen auf der B1 / B5. „Das, was jetzt passiert ist, darf nicht passieren. Hier wurden Grenzen überschritten“, stellte Verbandspräsident Henrik Wendorff klar. Und weiter:
„Wir haben berechtigte Forderungen, für die wir uns mit Nachdruck auch auf der Straße eingesetzt haben. Doch wir stellten dafür einen Rahmen sicher, in dem niemand zu Schaden kam und keine Sachbeschädigungen stattfanden. Das heißt, wir melden unsere Veranstaltungen grundsätzlich mit Namen und Adresse an und übernehmen für diese auch Verantwortung. Für diese Vorgehensweise steht der Landesbauernverband und für keine andere.“
Ein verheerendes Echo
Das Echo der Öffentlichkeit auf die jüngsten Protestaktionen ist verheerend. Die Märkische Allgemeine spricht von einem „fatalen Bauernprotest“, Focus online über „Entsetzen nach gefährlichem Bauernprotest“. Die „Tageszeitung“ (taz) aus Berlin kritisiert eine einseitige Nachlässigkeit und Doppelmoral der Polizei. Sie gehe gegen Klimaschützer hart vor, Bauern hingegen könnten stundenlang illegal eine Bundesstraße blockieren und Unfälle verursachen. Das Blatt schreibt:
„Die Behörden in Brandenburg hätten wissen können, dass sich manche Wutbauern sowie mit ihnen verbündete ,Querdenker‘ und Rechtsradikale nicht an Regeln halten. Viel früher hätte die Polizei die Traktoren entfernen und die Blockade auf der Bundesstraße auflösen müssen. Klimaaktivisten fasst die Polizei hart an, obwohl sie niemanden gefährden. Wenn sie wie vergangene Woche eine Parole auf eine Wand des Kanzleramts schreiben, werden sie brutal auf dem Boden fixiert. Bauern und andere Ampelgegner heißt die Polizei auf Demonstrationen auch schon mal per Lautsprecher willkommen – und wenn sie illegal handeln, bleibt sie zu lange untätig. Es ist höchste Zeit, dass die Polizei das Gesetz nicht nur gegen Gruppen konsequent durchsetzt, die Sicherheitskräfte als links verorten. Sie muss auch gegen Regelverletzungen durch Demonstranten von rechts angemessen vorgehen. Alles andere ist Doppelmoral.“
N-TV: Wo soll das enden?
Der Nachrichtensender N-TV wertet die Bauernproteste als Radikalisierung, „die über das Agieren der Klimakleber hinausgeht“, und fragt: „Wo soll das enden? Muss es einen ersten Toten geben, bevor den Bauern dämmert, was da in ihrem Namen gerade passiert?“
Es verbiete sich, eine ganze Bewegung verantwortlich zu machen für einzelne Irre. Das gelte auch für die Bauern und ihren Kampf gegen Beihilfe-Kürzungen oder ein offenkundiges Übermaß an teurer Bürokratie. Die Bundesregierung sei den Bauern „schnell und weit entgegengekommen“, argumentiert N-TV, von den ursprünglichen Kürzungen sei nur noch ein kleinerer Teil gültig. Aber:
„Bis hoch in ihre Verbandsspitze bestehen die Bauern auf einem vollständigen Sieg: Nur alles ist genug. Wenn jedoch die einzige Möglichkeit, diese Gruppen zufriedenzustellen, für die Ampel-Koalition darin bestünde, zurückzutreten, dann wäre eine Grenze überschritten, an die selbst die ärgsten Klima-Kleber nicht gegangen sind. Ist es das, was die Bauern wollen? Auf jeden Fall ist es nichts, was sich die Mehrheit im Land gefallen lassen muss. Politische Streiks sind in Deutschland nicht erlaubt. Und Gewalt erst recht nicht.“
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