Wie sich die ostdeutschen Landesregierungen das mit „Ackerland in Bauernhand“ vorstellen, zeigen die aktuellen Entwürfe für landeseigene Agrarstrukturgesetze. Bei den Landesbauernverbänden kamen die Ideen nicht gut an.
Die Thüringer Regierung brachte ihren Entwurf trotzdem Ende 2023 in den Landtag ein. Werfen wir einen Blick in die Details.
Anteilskäufe reguliert
Neben dem Kauf von Grundstücken, will Thüringen den Erwerb von Gesellschaftsanteilen genehmigungspflichtig machen. Keine Genehmigung gibt es, wenn eine „agrar- oder forststrukturell nachteilige Verteilung des Grund und Bodens“ befürchtet wird. Betroffen sind Käufe von mindestens 90 % einer Gesellschaft mit landwirtschaftlichen Grundstücken. Es geht also um den Verkauf ganzer Betriebe. Was aber, wenn ein Betrieb keinen Nachfolger findet? An wen er sein „Lebenswerk“ verkauft, hinge dann vom Okay der Behörde ab.
Der Thüringer Bauernverband (TBV) weist in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf auf ein weiteres Problem hin: Gerät ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten und das Gesetz verhindert einen nötigen Anteilsverkauf, drohe ein Insolvenzverfahren, bei dem dieses meistbietend verkauft werde. „Das kann und darf vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein“, urteilt der TBV.
Ein Rechtsgutachten, das der Verband in Auftrag gegeben hatte, weist zudem darauf hin, dass der Anteilserwerb an sich nicht zu einer Gefährdung der Agrarstruktur führen könne, sondern wenn dann nur nachfolgende Gesellschafterbeschlüsse. Allein aufgrund dieses fehlenden Zusammenhangs zwischen Anteilsübertragung und Agrarstruktur, könnten solche Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmer nicht gerechtfertigt werden und damit verfassungswidrig sein. Auch der Verband sieht „keine Gesichtspunkte, die einen so starken Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Eigentumsfreiheit rechtfertigen könnten.“
Der TBV warnt gar vor dem Verlust des kompletten Bodenrechts: Ersetzt das neue Agrarstrukturgesetz das Grundstückverkehrsgesetz, wird aber vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erachtet und aufgehoben, sei ein Rückfall auf alte Regeln nicht mehr möglich: „Vor diesem Hintergrund wäre eine Regelung mit den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Problemen ein rechtliches Spiel mit dem Feuer.“ Der TBV schlussfolgert: „Probleme durch Share Deals sind nicht über unklare, verfassungsproblematische Definitionen zu lösen, sondern über wirtschaftlich stabile, gut aufgestellte Betriebe, die qualifizierte Nachfolger weiterführen können.“
Preisbremse angezogen
Die „Preisbremse“ im Grundstückverkehrsgesetz greift nach aktueller Rechtsprechung erst ab 50 % über dem Marktpreis. Das Thüringer Agrarstrukturgesetz will diese auf 20 % über Marktwert herabsetzen.
Der TBV urteilt: „Eine Preisgrenze löst nicht das Problem, dass der Verkehrswert der Flächen immer weiter steigt.“ Nach Ansicht des TBV bedarf es vielmehr wirksamer Schritte zur Begrenzung des Flächenverbrauchs.
Wie geht es weiter?
Eine Mehrheit im Landtag für den Gesetzentwurf gilt als eher unwahrscheinlich. In Sachsen-Anhalt scheiterte bereits 2021 ein in den Landtag eingebrachter Gesetzentwurf. Auch er wollte Anteilskäufe genehmigungspflichtig machen.
In Brandenburg befindet sich ein Entwurf bereits in der Ressortabstimmung. Auch, wenn Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel von den Grünen daran festhalten will, hat sich die SPD bereits dagegen positioniert. Der Entwurf enthält – verglichen mit dem aus Thüringen – nochmals erheblich umfangreichere Eingriffe: So soll etwa zusätzlich die Entwicklung der Betriebsgröße beschränkt werden. Auch hier unterliegen Anteilskäufe der Genehmigungspflicht, ebenso wie beim Sächsischen Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes.
Nach Kritik seitens des Landesbauernverbandes versicherte Ministerpräsident Michael Kretschmer allerdings zuletzt, dass es kein Agrarstrukturgesetz gegen den Landesbauernverband geben werde. Ähnlich äußerte sich Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus in Bezug auf ein mögliches Gesetz in seinem Bundesland.
Und in NRW?
„In NRW gibt es derzeit offenbar keine Pläne, ein eigenes Agrarstrukturgesetz zu schaffen, das das Grundstückverkehrsgesetz ersetzt“, versichert Rechtsanwalt Hubertus Schmitte vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. Ob ein anderes Vorhaben, das sich auf der BMEL-Agenda findet, auf der Tagesordnung der Landesregierung steht, ist unklar: „Es ist dringend erforderlich, dass die NRW-Landesregierung in naher Zukunft endlich die doppelte Grunderwerbssteuer abschafft“, meint Schmitte.
Übt das Siedlungsunternehmen NRW.Urban das Vorkaufsrecht aus, fällt beim Erwerb durch NRW.Urban Grunderwerbsteuer an und nochmals beim Weiterveräußern an den Landwirt – beide Male auf seine Kosten. Damit sollte Schluss sein. Denn das verringere die Kosten und erhöhe damit die Chancen, dass kaufwillige Landwirte tatsächlich zum Zuge kommen, wenn die Genehmigungsbehörde den Kauf durch einen Nicht-Landwirt verwehrt, so Rechtsanwalt Schmitte.
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