Ein bisschen kiffen, das kann doch nicht so schlimm sein – so denken viele Jugendliche. Eltern sehen das häufig anders. Zu recht? Darüber haben wir mit der Sozialarbeiterin Theresa Schellhase von der Drogenberatungsstelle in Bielefeld gesprochen.
Wochenblatt: Wie hat sich der Cannabis-Konsum in den vergangenen Jahren entwickelt?
Schellhase: Der Konsum von Cannabis wird immer selbstverständlicher. Die Jugendlichen sehen zum Beispiel Musikvideos, in denen es cool ist, einen Joint zu rauchen. Dadurch fallen die Hemmungen. Sie empfinden den Cannabis-Konsum gar nicht mehr als illegal.
Wochenblatt: Wer greift zu Cannabis und warum?
Schellhase: Cannabis wird auf dem Land ebenso angeboten und konsumiert wie in der Stadt. Der Konsum zieht sich durch alle sozialen Schichten. Konsumenten, die in die Beratungsstelle kommen, sind aber eher junge Leute, vor allem zwischen 15 und 27 Jahren. Den ersten Joint rauchen viele im Alter von 14 bis 15 Jahren. Häufig wird zu Anfang aus Neugier konsumiert.
Wochenblatt: Wann wird das Kiffen Ihrer Meinung nach gefährlich?
Schellhase: Ich halte es nicht für gefährlich, hin und wieder einen Joint zu rauchen. Ich rate aber jedem Jugendlichen, vorher zu überlegen, ob er den Joint wirklich möchte und ob er ausreichend darüber informiert ist. Cannabis kann für Minderjährige gesundheitliche Folgen haben (siehe Kasten). Entscheidend ist die Menge und die Häufigkeit. Jeden Tag Kiffen ist ähnlich problematisch wie jeden Tag Alkohol.
Wochenblatt: Welchen Schaden kann ein übermäßiger Cannabis-Konsum anrichten?
Schellhase: Über das Suchtpotenzial von Cannabis wird häufig gestritten. Körperlich macht es eher nicht süchtig. Aber eine psychische Abhängigkeit ist möglich. Einige junge Leute berichten zum Beispiel, dass sie nicht einschlafen können, wenn sie keinen Joint geraucht haben. Viele sind lustlos, ziehen sich zurück, machen keinen Sport mehr und brechen den Kontakt zu Freunden ab. Einige brechen die Schule oder die Ausbildung ab. In solchen Fällen stecken aber meist weitere Probleme dahinter.
Gründe fürs Kiffen
Wochenblatt: Was sind für Jugendliche Gründe, mit dem Kiffen aufzuhören? Warum kommen sie in die Beratungsstelle?
Schellhase: Im besten Fall – und auch in den meisten Fällen – ist das Kiffen nur eine Phase. Die jungen Leute probieren das eine Zeit lang aus und hören dann wieder auf. Andere hören damit auf, weil sie bestimmte Ziele haben. Sie wollen zum Beispiel den Führerschein machen, die Schule beenden oder eine Ausbildung starten. Zu uns kommen die meisten Jugendlichen nur aufgrund einer gerichtlichen Auflage. Sie sind mit Cannabis erwischt worden. Statt einer Strafe müssen sie eine Beratung machen.
Wochenblatt: Wie können Sie dabei helfen, vom Cannabis wegzukommen?
Schellhase: Wir analysieren zunächst mit den Jugendlichen die Gründe fürs Kiffen. Gibt es da vielleicht noch ganz andere Baustellen? Wir helfen ihnen, wieder in ein geregeltes Leben zu finden. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir sie bei einer Bewerbung unterstützen. Gegebenenfalls verweisen wir auch in eine Entgiftung oder eine Therapie. Während einer Entgiftung sollen die jungen Menschen die Erfahrung machen, wie es ist, zwei Wochen lang ohne Cannabis auszukommen.
Es geht dann darum, den Kopf zu überlisten und Alternativen zu suchen, zum Beispiel zum Entspannen oder zum Einschlafen. Das ist vor allem bei den Konsumenten schwierig, die schon sehr früh mit Cannabis angefangen haben. Wir versuchen, ihnen Alternativen aufzuzeigen. Sehr gut eignen sich dafür Sport oder andere Hobbys.
So reagieren Eltern richtig
Wochenblatt: Wie sollten Eltern reagieren, wenn sie ihr Kind mit einem Joint erwischen?
Schellhase: Sie sollten mit ihrem Kind sprechen, es fragen „Was weißt du darüber?“ Auf keinen Fall sollten sie mit Sanktionen drohen. Bei Bedarf können Eltern in einer Drogenberatungsstelle Rat suchen. Wird der Konsum problematisch, sollten Eltern unbedingt mit dem Kind in Kontakt bleiben. Sie können ihm anbieten, einen Termin in der Beratungsstelle zu machen. Dorthin können die Eltern oder ein Freund den Betroffenen begleiten. Dabei ist aber immer wichtig: Der Betroffene muss das selbst wollen.
Wochenblatt: Im Bundestag setzen sich Die Grünen, FDP und Linke für ein Ende des Cannabis-Verbots ein. Was halten Sie davon?
Schellhase: Ich würde mich für eine Legalisierung von Cannabis aussprechen. Das würde verhindern, dass Konsumenten beim Besitz geringer Mengen zum Eigengebrauch strafrechtlich verfolgt werden. Zudem würden Konsumenten in den offiziellen Abgabestellen reine Produkte erhalten und wären nicht mehr auf die gestreckten Substanzen des Schwarzmarktes angewiesen. Meiner Meinung nach sollte es aber eine Altersbeschränkung in den offiziellen Stellen geben. An Jugendliche sollte Cannabis nicht abgegeben werden.
Cannabis und die Folgen
Cannabis ist eine Gattung der Hanfpflanze. Es enthält den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocan-nabinol (THC). Als Rauschmittel wird es überwiegend als Haschisch (Dope, Shit) oder Marihuana (Gras) konsumiert. In Deutschland sind Anbau, Handel, Erwerb und Besitz von Cannabis strafbar, nicht jedoch der Konsum.
Seit dem 1. März 2017 dürfen Ärzte medizinisches Cannabis zu Therapiezwecken verschreiben. Haschisch und Marihuana wird hierzulande meist geraucht. Dabei setzt die Wirkung unmittelbar ein und dauert etwa ein bis vier Stunden. Studien im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums haben gezeigt, dass die Droge zu Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen führen kann.
Vor allem bei Jugendlichen, die früh mit dem Konsum angefangen haben und viel und häufig konsumieren, bilden sich diese Symptome möglicherweise nicht zurück. Gleichzeitig zeigte sich, dass sich der Intelligenzquotient bei regelmäßigen Kiffern verschlechtert. Besonders groß ist die Gefahr bleibender Beeinträchtigungen auch hier bei denjenigen, die schon als Teenager angefangen haben.
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