Top oder Flop: Persönliche Berufsberatung?

Bald ist die Schule vorbei, der Abschluss in greifbarer Nähe, und dann? Wer nicht weiß, welchen beruflichen Weg er einschlagen möchte, kann sich beraten lassen. Die Angebote sind vielfältig. Reicht eine Berufsberatung beim Fachmann der Agentur für Arbeit? Oder muss es ein teurer Experte sein?

Wenn Eltern ihren Kindern sagen, welchen beruflichen Weg sie einschlagen sollten, ist das eine Sache. Wenn ein unabhängiger Dritter ihnen dasselbe rät, eine andere. Einen solchen unabhängigen Rat können zum Beispiel die Berufsberater der Agenturen für Arbeit geben. Ihre Aufgabe ist es, Jugendlichen bei der Wahl einer Ausbildung oder eines Studiums zu helfen. Abnehmen können sie die Entscheidung allerdings nicht.

Jeder denkt über Beruf nach

„Die erste Frage, die die Berufsberater in den Beratungen stellen, ist: Was ist dein Ziel für das heutige Gespräch? Was willst du konkret von mir?“, so beschreibt Holger Böhm, Teamleiter der Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit in Ahlen, Kreis Warendorf, den Einstieg in die Beratungsgespräche mit Jugendlichen.

Die Antworten sind so verschieden, wie die Kunden, die zu ihm kommen: „Das geht vom Schüler, der noch gar keine Idee hat, welchen Weg er einschlagen soll und der gerne wissen möchte, welcher Beruf zu ihm passt, bis zu demjenigen, der konkrete Informationen zu seinem Wunschberuf haben möchte“, sagt Böhm.

Neben den Informations- und Orientierungsangeboten in allgemeinbildenden Schulen und den regionalen Berufsinformationszentren, bieten die Agenturen für Arbeit auch individuelle Beratungen an. Die Beratung findet während der regelmäßigen Sprechstunden der Berufsberater in den Schulen statt oder in der zuständigen Arbeitsagentur. Die Nachfrage ist groß: Je nach Zeitpunkt und Berater ist auch mal mit zwei bis vier Wochen Wartezeit zu rechnen.

Fachdienste ergänzen

„Wir wollen zuerst einmal herausfinden, wo der Jugendliche steht. Anschließend reden wir über Interessen, Wünsche und die Eignung für einen bestimmten Beruf“, beschreibt Holger Böhm den Verlauf des ersten Termins. Er weiß, dass sich jeder Schüler, der zu ihm kommt, vorab Gedanken zur Berufswahl gemacht hat: „Und sei es nur, dass er weiß, was er nicht will, oder was seine Eltern ihm raten.“

Weitere Gespräche mit dem Berufsberater sind in einigen Fällen sinnvoll. Für den Zeitraum zwischen den Terminen bekommen die Schüler allerdings Arbeitsaufträge, wie ein klärendes Gespräch mit den Eltern oder Lehrern zu führen.

Bei Bedarf kann diese Phase durch ärztliche oder psychologische Fachdienste ergänzt werden. Beispielsweise geht der Berufswahltest des Psychologischen Dienstes der Agenturen für Arbeit gezielt auf sehr unschlüssige Kandidaten ein. Auch die Fähigkeiten eines Schülers unabhängig von seinen Zeugnisnoten kann man bei diesem Fachdienst überprüfen lassen.

Studium statt Ausbildung
Für Schulabgänger mit Studienwunsch bietet sich ein studienfeldbezogener Beratungstest an. Darin wird die Eignung für ein bestimmtes Studiengebiet abgefragt und auf Wunsch im Anschluss mit einem Psychologen des Psychologischen Dienstes besprochen.
Einen dieser Fachdienste einzuschalten bietet sich an, wenn der Berufsberater nicht abschließend entscheiden kann, ob ein Schüler für einen bestimmten Berufsweg geeignet ist. Außerdem gelangt der Berater so an tiefer gehende Erkenntnisse, um mögliche Alternativen erarbeiten zu können.

Die Beratungsphase ist abgeschlossen, sobald der Schüler reif ist, sich zu bewerben, ob für Praktikum, Ausbildung oder Studium. Das Ergebnis der Beratung wird schriftlich festgehalten.

Darin sind unter anderem Zielvereinbarungen für beide Seiten, Berater und Schüler, festgehalten. Die könnten zum Beispiel beinhalten, dass der Schüler sich um einen Praktikumsplatz im angestrebten Berufsfeld bemühen oder sich um weitere Informationen zu einem Beruf kümmern soll.

Alternative: Private Beratung

Neben der individuellen Beratung bei den Agenturen für Arbeit besteht die Möglichkeit, einen privaten Berufs- oder Karriereberater aufzusuchen. Viele Eltern und Schüler sehen es als Vorteil, dass die Berater sich dort mehr Zeit für ihre Kunden nehmen als bei den Arbeitsagenturen.

Einige Berufsberater sind zudem auf Abiturienten spezialisiert. Sie können unter Umständen gezielter auf spezielle Studienwünsche eingehen und detailliertere Informationen zu einigen Hochschulen, insbesondere privaten Einrichtungen, geben.

Das hat allerdings auch seinen Preis. Die Kosten für diese persönliche Beratung liegen zwischen 150 und 1.000 €, je nach Dauer und Umfang der Gespräche. Auch die Art der Ergebnisdarstellung, mündlich oder schriftlich, kompakt oder sehr ausführlich, ist unterschiedlich. Trotz der hohen Kosten ist die Nachfrage nach privaten Beratungsdiensten groß.

Gute Berater erkennen

Die Vielfalt an Beratungsangeboten ist allerdings wenig durchsichtig. Damit steigt die Gefahr, an den „falschen“ Berufsberater zu geraten. Denn die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Aus diesem Grund hat der Deutsche Verband für Bildungs- und Berufsberatung e.V. (dvb) ein Faltblatt mit Tipps erstellt, woran schon vor dem ersten Beratungsgespräch ein guter, seriöser Berater zu erkennen ist.

Eine wichtige Rolle spielt beispielsweise die Qualifikation des Berufsberaters, wie der Nachweis eines psychologischen oder pädagogischen Studiums oder einer vergleichbaren Ausbildung. Die Beratung sollte zudem von Anfang an gut organisiert sein: Findet ein Vorgespräch statt und gibt es einen schriftlichen Vertrag? Auch den Träger des Beratungsdienstes sollten Eltern und Schüler hinterfragen. Nicht selten verfolgen die dahinter stehenden Institutionen und Vereine eigene Interessen mit dem Beratungsangebot.

Eltern sollten aber nicht nur mitentscheiden, welcher Berater ihr Kind unterstützen soll. Insbesondere bei jüngeren Kindern in der Mittelstufe sollten sie auch an den Beratungsgesprächen teilnehmen. Denn Eltern sollen sich aus der Berufsentscheidung ihrer Kinder nicht vollkommen heraushalten, auch wenn diese das wünschen. Gee

Hinweis: Dieser Beitrag ist aus der Wochenblatt-Ausgabe 24/2011.