Gemeinsam durch die Ausbildung boxen

Nicht jeder Auszubildende ist ein Musterschüler. Manche Lehrlinge brauchen mehr Unterstützung, um ihre Lehrzeit erfolgreich abzuschließen. Wie Ausbilder dem Nachwuchs dabei helfen können und wie sich auch lernschwache Azubis motivieren lassen, lesen Sie hier.

Was hat Boxen mit landwirtschaftlicher Ausbildung zu tun? Eines in jedem Fall: Wer für ein Ziel kämpft – ob die Meisterschaft oder das gute Abschlusszeugnis – braucht Vorbilder und Motivation. Der ehemalige Profiboxer Dr. Farid Vatanparast ist darin Experte. Er gehörte zu den Referenten der überregionalen Ausbildertagung, zu der die Landwirtschaftskammer NRW, die Westfälisch-Lippische Landjugend und der Ring der Landjugend im November 2012 eingeladen hatten.

Boxen für gute Noten

Früher Lehrherr, heute Coach – ihre Bezeichnung hat sich zwar geändert, doch Ausbilder haben heute wie damals dieselbe Aufgabe: Jugendliche erfolgreich durch die Lehre zu begleiten. Bei Musterschülern ist das kein Problem. Doch gäbe es nur solche Auszubildende, wäre die Tagung „Talente fördern durch Ausbildungscoaching“ sicher schlechter besucht gewesen.

Farid Vatanparast zeigte in seinem Vortrag, wie sich lernschwache Schüler motivieren lassen und wie er Zugang zu „Problemfällen“ findet. Ehrenamtlich hat er ein Projekt gegründet, dass sich an Jugendliche aus sozial schwachen Familien richtet. Wer bei ihm im „Stall“ boxen will, muss sich in der Schule anstrengen und von Kriminalität fernhalten.

Er selbst dient als Vorbild. Auf seinem sportlichen Höhepunkt – er hatte sich für Olympia qualifiziert und einen 2-Millionen-Dollar-Vertrag unterschrieben – beendete ein Unfall seine Profikarriere. Der Deutschperser studierte, promovierte und ist heute Gastronom in Münster.

Nebenbei motiviert er in seinem Projekt „QualiFighting“ Jugendliche zu kämpfen – um Siege beim Boxen ebenso wie um gute Schulnoten. Erst müssen die Schüler zur Nachhilfe, dann toben sie sich beim Boxtraining aus. Gehen sie abends nach Hause, „bleibt keine Kraft mehr, um Blödsinn anzustellen“, so Farid Vatanparast.

Was interessiert die Schüler?

Ausbilder sollten auf die Interessen der Jugendlichen eingehen, davon ist er überzeugt. Prozentrechnung bringt er seinen Schülern näher, indem er sie ihre zukünftige Gage als Boxer ausrechnen lässt.

Wichtig sei, nachzuhaken, wie es dem Schüler in anderen Bereichen ergeht. Über die Noten und die familiäre Situation seiner Schützlinge hält sich Farid Vatanparast auf dem Laufenden.

„Wie kommt es, dass sich kaum Jugendliche mit Migrationshintergrund für eine landwirtschaftliche Ausbildung interessieren“, lautete eine Frage aus dem Publikum. Dazu fand Dr. Farid Vatanparast klare Worte: „Die träumen davon, Arzt oder Anwalt zu werden, Millionen zu verdienen und Porsche zu fahren. Dass sich auch mit Landwirtschaft Geld verdienen lässt, ist keinem bewusst.“ Er rät den Landwirten, ihr Image dahingehend zu verbessern und ihren Beruf an Schulen vorzustellen.

Frust oft vorprogrammiert

Anke Bahl vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn zeigte auf, wie es nicht sein sollte: „Menschen lassen sich viel schneller demotivieren als motivieren.“ Trauen die Ausbilder ihren Schülern keine eigenständigen Arbeiten zu oder fehlt im Alltag Zeit für Erklärungen, sei Frust vorprogrammiert.

Anke Bahl führt Interviews mit Ausbildern und Auszubildenden verschiedener Branchen. Egal ob Koch oder Versicherungskaufmann: Für eine gelungene Ausbildung ist ihrer Meinung nach Kommunikation das Wichtigste. Das Berichtsheft sei etwa ein guter Anlass für Gespräche. Ausbilder sollten sich zudem immerzu fragen: Was fand ich in meiner Lehre an dieser oder jener Aufgabe spannend? Nur wer eigenes Interesse vermittelt, erreiche bei anderen Interesse.

Erfolg durch Gespräche

In der Diskussionsrunde, moderiert vom ehemaligen Chefredakteur des Landwirtschaftlichen Wochenblattes, Dr. Franz-Josef Budde, konnten die Ausbilder mit den drei Referenten ihre Erfahrungen austauschen. Dabei kamen vor allem die Besonderheiten der landwirtschaftliche Lehre zur Sprache. Der Familienanschluss auf den Höfen erleichtert es, eine persönliche Bindung zu den Auszubildenden aufzubauen.

Auch wenn Auszubildenden in der Landwirtschaft oft von Haus aus wüssten, was sie erwarte, seien zudem Probetage zum Kennenlernen sinnvoll. Denn sollten Ausbilder und Auszubildender gar keinen Zugang zueinander finden, so Anke Bahl, hätte eine Zusammenarbeit letztlich keinen Sinn. Schließlich müssen sich beide im Team durch die Ausbildung boxen. EB

Hinweis: Dieser Beitrag ist aus der Wochenblatt-Ausgabe 46/2012.