Die Sicht einer jungen Mutter: "Trotz der Erfahrungen wieder in das besagte Krankenhaus"
Eine junge Mutter im ländlichen Münsterland, die anonym bleiben möchte, schreibt über ihre Erfahrungen bei den Geburten ihrer beiden Kinder:
„In nur ca. 12 Minuten erreichen wir ein Krankenhaus mit Kinderintensivstation. Hier kam unsere erste Tochter zur Welt. Die sehr hohe Geburtenrate dort (2020 über 2000 Geburten) und dessen ,Nebenwirkungen‘ haben wir gespürt. Ich hätte mir mehr Ruhe, Einfluss und Zeit von den Hebammen und mehr Natürlichkeit gewünscht. Stattdessen empfand ich die Geburt als ,Massenabfertigung‘. Auch wenn das Personal jederzeit sehr lieb war, so haben unsere Tochter und ich die Geburt als stressig empfunden. Bei sechs Kreißsälen und hohen Geburtszahlen sind die Ärzte eben nicht jederzeit verfügbar. So empfand ich den Geburtsverlauf als ‚Hinauszögern‘, bis es dann, als der Arzt kam,endlich hieß: ,So, jetzt geht’s los.‘
Aus diesem Grund war der Wunsch zunächst da, unser zweites Kind in einem kleineren Haus, ebenfalls recht nahe gelegen, zu entbinden. Aufgrund von Komplikationen war dann aber schnell klar, dass wir trotz der Erfahrung wieder in das besagte Krankenhaus gehen. Tatsächlich wurde es ein Notkaiserschnitt. Diesmal waren es nun wir, die vermutlich andere Geburten hinaus zögerten. Wir wissen nun zu schätzen, sofort bestmöglich versorgt gewesen zu sein. In dem kleineren Krankenhaus wäre diese Versorgung nicht möglich gewesen.
Nach diesen Erfahrungen würden wir immer wieder das Krankenhaus mit der höheren Geburtenrate und Intensivstation wählen – sind Komplikationen doch leider nicht im-mer vorhersehbar. Aber sind wir eben auch in der glücklichen Situation, trotz ländlicher Lage innerhalb weniger Minuten vor Ort zu sein.“
Die Sicht einer Chefärztin für Frauenheilkunde: Skandinavien als Vorbild
Prof Dr. Birgit Seelbach-Göbel ist Chefärztin an der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Regensburg und auch Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie argumentiert:
„Es ist nicht damit getan, Geburtshilfe auf niedrigem Niveau überall vorzuhalten, weder in kleinen Belegabteilungen noch in Geburtshäusern oder in der Haus geburtshilfe.“
Im bayerischen Ärzteblatt plädierte Seelbach-Göbel 2018 stattdessen für ein „umfassendes Versorgungskonzept mit Bündelung der Kräfte in großen Zentren“. Die Regensburger Chefärztin weist auf das Vorbild der skandinavischen Länder hin, in denen es vergleichsweise wenige, aber große Geburtskliniken gebe. Vor allem aber: Dort sei die Säuglingssterblichkeit niedriger als in Deutschland. Auch die „Kaiserschnittraten“ seien erheblich niedriger als hierzulande – gut ein Drittel weniger.
Große Zentren könnten wissenschaftliche und medizinische Expertise bündeln, argumentiert die Regensburger Chefärztin weiter. Mit Hebammen, hoch qualifizierten Ärzten und Geburtsmedizinern könne dort bei unerwarteten Komplikationen sofort eingegriffen werden. „Das können kleine Abteilungen in der Regel wegen mangelnder Ressourcen nicht leisten.“
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