Unterwegs arbeiten

Wwoofing: Weltweite Möglichkeiten auf Ökobetrieben

Freiwillige Helfer sind auf vielen Betrieben gern gesehen. Im ökologischen Bereich gibt es dafür das Netzwerk namens Wwoof. Wochenblatt-Redakteurin Brigitte Laarman probierte es aus.

Arbeitshosen und Gartenclogs im Urlaubsgepäck? Für meine Sommertour genau richtig. Denn bei mir ist Wwoofing angesagt. Hinter dem englischen Kunstwort
steckt ein Konzept des Miteinanders auf ökologisch ausgerichteten Betrieben. Bei einem Interview-Termin im westfälischen Wadersloh stieß ich darauf. Eine Hofbesitzerin sprach von ihren Wwoofern und Wwooferinnen und weckte meine Neugier. Im Internet fand ich die Erklärung: Wwoofing ist die Abkürzung für worldwide opportunities on organic farms, also weltweite Gelegenheiten auf Ökohöfen. Eine Art „work and travel“. In meiner Generation der über 50-Jährigen nicht so bekannt, aber etlichen jüngeren Leuten in der Agrarbranche aus ­ihren Wanderjahren vertraut. Sie halfen zumeist in Neuseeland, Australien oder anderen fernen Ländern gegen Verpflegung und Unterbringung auf Biobetrieben mit. Soweit wollte ich nicht reisen, sondern bewarb mich bei einem Betrieb in Hamburg, geführt von Alexandra Matissek-Schild und Petra Schild. Die Ackerperlen – so ihr Firmenname – sind auf Biogemüse spezialisiert.

Alexandra Matissek-Schild ist die Biolandwirtin im Unternehmen „Acker­perlen“. Sie setzt im Gemüsebetrieb freiwillige Helferinnen und Helfer ein. (Bildquelle: Laarmann)

Petra Schild ist die zweite „Ackerperle“. Die Fernseh-Journalistin hat sich auf Gästebewirtung spezialisiert. (Bildquelle: Laarmann)

Weltweit vernetzt

Die beiden Frauen zogen vor rund zehn Jahren mit ihren Söhnen Anton und Theo aus der Stadt ins Hamburger Spadenland. Das ist eine Gemüseanbauregion im Südosten Hamburgs an der Norder-Elbe. Seit 2016 bauen die Ackerperlen auf 2 ha Pachtland Gemüse an, das sie ab Hof, über Abo-Kisten und einen Selbstbedienungsstand vermarkten. Bis aufs Fräsen werden alle Arbeiten auf dem Gemüseacker von Hand erledigt. Von Anfang an setzte Alex, die gelernte Biolandwirtin ist, dabei auf Mithilfe. Das Prinzip des Wwoofings kannte sie durch ihre Ausbildung und von einer Weltreise. „In Chile waren Petra und ich selbst als Wwooferinnen auf einem Hof und wurden dort sehr freundlich aufgenommen. Das hat uns darin bestärkt, selbst ein Wwoof-Hof zu werden“, berichtete sie im Skype-Telefonat, das wir kurz nach meiner schriftlichen Bewerbung über die Wwoof-Plattform führten. Das Gespräch von Angesicht zu Angesicht ist den Ackerperlen wichtig, weil sie die Helferinnen und Helfer in ihre Familie aufnehmen. Wwoofer arbeiten nicht nur mit, sondern sitzen bei den Mahlzeiten mit am Familientisch und sind als Diskussionspartner gefragt. In den Jahren vor der Pandemie kamen jährlich rund 30 Helferinnen und Helfer auf den Hamburger Gemüsebetrieb. Gastgeberin Petra Schild, die vor der Ackerperlen-Gründung als Fernsehjournalistin arbeitete, schätzt die vielen unterschiedlichen Begegnungen. „Wir holen uns die Welt auf den Hof und genießen das Gefühl, weltweit mit Menschen vernetzt zu sein“, sagt sie. Sie erzählt von ihrer Lieblings-Wwooferin aus China, von der schmächtigen, leicht überforderten Französin Lise und von einem neapolitanischen Helfer, der wohl Verbindungen zur Mafia hatte.

Fast alle Arbeiten auf dem Gemüsefeld werden in Handarbeit erledigt. Ohne Helferinnen wäre das nicht zu schaffen. (Bildquelle: Laarmann)

Wohnen im Lkw

Am Ende des Telefonats hält Alex den Laptop aus dem Küchenfenster. Die Kamera zeigt einen schmucken roten Bauwagen. Hier wohnen Urlaubsgäste, die das Landleben bei den Ackerperlen erleben möchten. Gegenüber stehen ein Wohnwagen und ein roter Mowag, ein Schweizer Feuerwehr-Lkw. Das sind die Unterkünfte für die Wwoofer. Der rote, stillgelegte Oldtimer am Elbdeich wird mein Nachtquartier, erfahre ich.

Ziege Lydia und ich vor dem roten Mowag, meinem Wwoofer-Wohnquartier. (Bildquelle: privat)

Vier bis sechs Stunden täglich sollten die freiwilligen Helfer auf dem Betrieb mitarbeiten, sagt die deutsche Wwoof-Organisation. Die Ackerperlen halten sich recht genau an diese Vorgabe. Von Dienstag bis Freitag sind wir Woofer hauptsächlich auf dem Gemüse-Acker im Einsatz. Samstags putzen wir gründlich Küche und Terrasse und bereiten das nachmittägliche Hofcafé vor. Sonntag und Montag sind Büro- und Ruhetage für die beiden Chefinnen. Die Woofer haben frei.

Kartoffelkäfer-Invasion

Franziska hilft seit zwei Wochen auf dem Hof. Wir teilen uns die morgendliche Versorgung der Hühner und Laufenten und der anderen Kleintiere auf dem Hof. Auf dem Feld schwingen wir die Pendelhacke, ernten Gemüse oder wässern die Kulturen. Dabei ist viel Zeit zum Reden. Dieser Austausch macht Wwoofen so spannend. Mit Franziska diskutiere ich über einen nachhaltigen Lebensstil, den CO2-Fußabdruck von Konsumgütern und darüber, warum wir morgens als Erstes die Kartoffelkäfer zerquetschen müssen, ehe wir jäten und die Pflanzen anhäufeln. Die 31-Jährige hat Umwelt- und Ressourcenmanagement studiert und analysiert beruflich Lieferketten im Agrarbereich. Während einer dreimonatigen beruflichen Auszeit bei den Ackerperlen will sie unter anderem Biolandwirtschaft von der praktischen Seite kennenlernen. Leute wie sie finden sich bei den Ackerperlen reichlich als Helferinnen und Helfer. Ich lerne während meines zweiwöchigen Aufenthaltes Kea und Anne kennen, die ihre Jobs als Krankenschwester und Kauffrau aufgeben wollen, um selbst einen Gemüseanbaubetrieb zu gründen. Mittwochs kommt die Wirtschaftsingenieurin Barbara, eine erfahrene Wwooferin. Sie ist dabei, in Hamburg den Wir-Markt aufzubauen, einen Handel mit Lebensmitteln aus fairen und nachhaltigen Strukturen. Einmal wöchentlich hilft sie bei den Ackerperlen.

Wwooferin Franziska baut den Gemüsestand für den samstäglichen Hofverkauf auf. (Bildquelle: Laarmann)

Die Gespräche in den Arbeitspausen drehen sich um Lieferketten-Gesetze, Start-up-Förderungen und Crowdfunding. Die Diskussionspartnerinnen könnten vom Alter her meine Töchter sein. Es ist spannend, einen Einblick in die Lebens- und Arbeitsvorstellungen dieser Generation zu bekommen und umgekehrt aus meinem beruflichen Alltag als Wochenblatt-Redakteurin und Mutter eines erwachsenen Sohnes zu berichten.

Wwoofen soll nicht nur ackern sein, sondern zwischen verschiedenen Lebens- und Denkweisen vermitteln, Wissens- und Erfahrungsaustausch fördern. Viele Wwoofer nutzen ihren Aufenthalt, um ein fremdes Land und seine Sprache kennenzulernen. Gastgeberinnen Petra und Alex nehmen sich viel Zeit für Gespräche am Esstisch und geben Tipps für Unternehmungen in der Freizeit. Wie sehr die Hofgäste das genießen, ist im Wwoofer-Buch nachzulesen, einer dicken Kladde. Hier haben sich viele Helferinnen und Helfer mit liebevollen Worten, einer Zeichnung oder einem Gemüse-Rezept verewigt.

Ein Blick ins Wwoofer-Erinnerungsbuch bei den Ackerperlen. (Bildquelle: Laarmann)

So funktioniert Wwoofing

  • Wwoof bedeutet worldwide opportunities on organic farms. 1971 wurde die Bewegung in Großbritannien gegründet; heute ist sie in mehr als 130 Ländern aktiv.
  • Wwoof bringt Menschen zusammen, die an einem nachhaltigen Lebensstil und ökologischen Zusammenhängen interessiert sind.
  • Neben Ökohöfen machen Bio-Restaurants, Lebensmittelbetriebe, alternative Kur- und Tourismusbetriebe und Umweltzentren mit.
  • Anbieter und Suchende zahlen in Deutschland 25 € pro Jahr für die Nutzung der Wwoof-Plattform.
  • Laut Wwoof-Deutschland sollen die Helfer bis zu sechs Stunden pro Tag unentgeltlich mitarbeiten. Sie erhalten Verpflegung, Übernachtung und Einblick in die Betriebe.
  • Für ihren Versicherungsschutz sorgen die Wwoofer selbst.
  • Es gibt keine Bewertung der Höfe. Hilfreich sind die Hof-Beschreibungen und Vorab-Gespräche.
  • In Deutschland kann man ab 16 Jahren wwoofen; nach oben gibt es keine Altersgrenze. Die Dauer der Aufenthalte legen Gastgeber und Bewerber gemeinsam fest. Zwei Wochen gelten als Mindestdauer.