Der wichtigste Befehl an diesem Morgen ist „Platz!“. Neun agile Hunde und ihre Besitzer drängen sich in einer Gaststube. Vorn sitzt Sabine Hörnicke mit ihren beiden Terriern Milly und Pepper. Die 49-jährige Unternehmerin nennt sich Pilzwirtin und hat Standbeine in Forschung, Beratung und Wissensvermittlung. Ihr Schwerpunkt sind die unterirdisch fruchtenden Pilze, landläufig Trüffel genannt. An diesem Wochenende vermittelt sie Hundebesitzern, wie die Trüffelsuche mit Hund funktioniert. „Passend wäre es, von Trüffeljagd zu sprechen. Denn für den suchenden Hund ist die Trüffel eine Beute“, stellt die Seminarleiterin klar.
Keine Frage der Rasse
Die Kursteilnehmer nicken. In der Vorstellungsrunde wird klar, dass sie vor allem wegen ihrer Hunde hier sind – allesamt werden als temperamentvolle, neugierige Charaktere beschrieben. Sie brauchen viel Beschäftigung, um ausgelastet zu sein. Manche haben einen ausgeprägten Stöberinstinkt, den die Besitzer durch die Trüffelsuche kanalisieren wollen. „Das kann gelingen“, ordnet Sabine Hörnicke ein.
Viel wichtiger ist ihr jedoch, dass die Trüffelsuche eine Teamarbeit zwischen Hund und Mensch ist. Sie fördert die Beziehung zueinander und vermittelt dem Hund Selbstbewusstsein. „Der Hund sucht eigenständig und kann sich dabei nicht auf menschliche Befehle verlassen“, erklärt die Expertin. Durch Körperhaltung oder Blickkontakt teilt der Hund seinen Fund mit. Dabei sind die Signale nicht standardisiert, sondern von Hund zu Hund unterschiedlich. Der Hundehalter beobachtet sein Tier, um die Fundstelle des Trüffels zu erkennen. Trüffel können klein und unscheinbar sein und sind entsprechend schwer vom Erdboden zu unterscheiden.
Ob ein Hund ein erfolgreicher Trüffelsucher wird, ist keine Frage der Rasse, auch wenn der italiniesche Lagotto Romagnolo als idealer Trüffelhund beschrieben wird und mehrere Vertreter dieser Rasse im Seminarraum sitzen. Andere Hunde bekommen den Trüffelduft genau so schnell in die Nase wie die Italiener, beweisen die Praxiseinheiten. Dabei zeigt sich die Holländische Rebhündin ebenso talentiert wie der Flatcoated-Retriever und der Labrador-Mischling.
Schnüffeln wird belohnt
Wenn sie den Erdboden absuchen, erschnüffeln die Hunde Schwefelverbindungen. Diese verströmen die unterirdischen Fruchtkörper aller Trüffel. Nach dem Motto „Kennste einen, kennste alle“ reicht zum Üben also eine Trüffelart. In der ersten Praxiseinheit packt Sabine Hörnicke dunkelbraune, aprikosengroßen Knollen aus. „Das ist Tuber aestivum, die Sommertrüffel“, erklärt sie. Die Zuchtpilze stammen aus Norditalien. Feinschmecker schätzen sie wegen ihres nussartigen Aromas.
Sabine Hörnicke gibt jedem Seminarteilnehmer eine Trüffel und fordert: „Haltet die Trüffel locker in eurer Hand und lasst eure Hunde mit der Nase daran antippen. Jeden Stupser belohnt ihr ausgiebig.“ Das ist Stufe eins der Trüffel-Konditionierung. Stufe zwei sieht so aus: Die Hundebesitzer präparieren Aststücke und ein gelbes, hohles Ei aus Plastik mit Trüffelstückchen. Sie legen draußen mehrere Attrappen als Reihe aus und führen ihre Hunde daran vorbei. Wenn der Hund einen der Köder beschnüffelt, gibt es eine Belohnung. So lernt der Hund, was das erwünschte Verhalten ist und verknüpft den Schwefelgeruch mit der Belohnung. Die Hundehalter lernen die Signale ihrer Tiere zu lesen. Jüngste Teilnehmerin ist eine sechs Monate alte Hündin. „Das ist das richtige Einstiegsalter für das Suchen. Aber auch alte Hunde können es lernen und viel Freude daran haben“, sagt die Trainerin.
300 deutsche Trüffelarten
Am zweiten Seminartag werden Hunde und Herrchen üben, im Garten vergrabene Trüffelattrapen zu finden. Zu Hause sollen die Teams das weiter trainieren und irgendwann nicht mehr mit Attrappen, sondern mit echten Trüffeln arbeiten. Das Reich der Trüffel ist viel größer, als die meisten Seminarteilnehmer gedacht hätten. „In Deutschland gibt es schätzungsweise 300 verschiedene Trüffelarten“, erklärt Sabine Hörnicke. Seit acht Jahren sucht sie mit Hunden nach Trüffeln. Beginn dieser Leidenschaft war ein Zufallsfund mitten in Köln. Dort entdeckte ihre damalige Hündin Julchen mitten in der Stadt eine weiße Trüffel der Gattung Rotbraune Trüffel. Seither hat sich Sabine Hörnicke vielfältig weitergebildet. Heute unterrichtet sie unter anderem angehende Förster und Baumkundler an der Hochschule Göttingen, ist Mitglied einer Trüffel-Forschungsgruppe und erhält Forschungsaufträge von Kommunen und Nationalparks. In Deutschland hat sie rund 120 Trüffelarten nachgewiesen.
Fast alle Trüffel sind genießbar
Lebensräume von Trüffeln zu erkennen und einzuordnen, ist die Stärke der Seminarleiterin. Dabei ist die Trüffelwelt vielseitig. Die Pilze leben in Symbiose mit Bäumen, deren Wurzeln sie mit ihren Pilzfäden überziehen. Pilzkundler sprechen von Ektomykhorrizen. Typische Partner von Trüffeln sind Eiche, Rot- und Hainbuche, Linden und Hasel. Trüffel gedeihen auf saurem, häufiger aber auf kalkreichem Boden und sind vor allem in der Humusschicht des Bodens nahe der Erdoberfläche zu finden. Folgendes erfahren die Seminarteilnehmer:
- Alle unterirdisch fruchtenden Pilze heißen Trüffel; der Fachbegriff lautet Hypogäen.
- Trüffel ist aber auch der deutsche Name für eine von mehreren Trüffelgattungen. Ihr botanischer Name lautet Tuber. Hierzu gehören die bei Feinschmeckern beliebten Sommertrüffel und Burgundertrüffel.
- Trüffel leben in Symbiose mit Bäumen wie Eichen, Rot- und Hainbuchen, Linden und Hasel.
- Weltweit soll es rund 3000 Trüffelarten geben. Trüffel können klein wie ein Stecknadelkopf und groß wie ein Fußball sein.
- Fast alle Trüffel sind roh oder gegart genießbar. Nicht zum Verzehr taugen Hirschtrüffel, die von Wildschweinen gern gefressen werden. Deutsche Weiß-Trüffel können roh verzehrt zu Magenverstimmungen führen.
Sammelverbot für die Gattung Tuber
Trüffel in der Natur zu suchen, ist kniffelig. Seit 1986 sind alle Arten der Trüffelgattung namens Tuber durch die Bundesartenschutzverordnung geschützt. Sie dürfen nicht in der Natur gesammelt werden. „Die Gattung Tuber umfasst aber nur einen vergleichsweise kleinen Teil der heimischen Trüffel von etwa 30 Arten“, so Sabine Hörnicke. Es blieben rechnerisch noch rund 270 Arten, die nicht geschützt sind. Schwierig ist es aber, sie zuzuordnen. Denn Trüffel sind nur unter dem Mikroskop eindeutig zu bestimmen, sagt die Kennerin.
Das Sammelverbot für die Trüffelgattung Tuber blieb auch 2017 bei Aktualisierung der Roten Liste vom Aussterben bedrohter Arten bestehen, obwohl die Deutsche Gesellschaft für Mykologie mitteilte, dass einige Trüffelarten wie die Sommer- oder Burgunder-Trüffel (Tuber aestivum) in basenreichen Gebieten weit verbreitet sind und die Pilze durch das Ernten der Fruchtkörper nicht geschädigt werden. Die Pilzkunde-Gesellschaft warf jedoch die Frage auf, ob das Sammel einzuschränken sei, um die Lebensräume der Trüffel zu schützen.
Wo Suchen sinnvoll ist
Nicht nur in Wäldern, sondern auch in urbanen Räumen wie Parks und Gärten gedeihen Trüffel. Sie lassen sich mithilfe mykhorrizierter, also „beimpfter“ Bäume gezielt ansiedeln. Ziel ist es einerseits, die Fruchtköper zu ernten. Andererseits kann es auch Ziel sein, durch die Pilzgeflechte den Boden zu verbessern. Als Pilzwirtin ist Sabine Hörnicke bei der Anlage von Trüffelplantagen behilflich – ein Betriebszweig, den sowohl Förster als auch Landwirte für sich entdecken. Etwa fünf Jahren nach der Pflanzung mykhorrizierter Bäume steht die erste Ernte an. Gebraucht wird dazu ein Trüffelhund, der die reifen Fruchtkörper erschnüffelt. Hier sieht Sabine Hörnicke ebenso ein Betätigungsfeld für die von ihr ausgebildeten Suchteams wie in der „Bürgerforschung“, wie sie es nennt. Damit meint sie, dass ehrenamtliche Helfer in freier Natur Trüffelvorkommen dokumentieren. Ernten ist hier allerdings kniffelig, siehe Kasten „Artenschutz“. Zu diesem Zweck können die Trüffelforscher bei der Unteren Landschaftsbehörde ihres Kreises eine Entnahmegenehmigung für die Trüffelgattung Tuber beantragen. Wie wertvoll solche Kartierungen durch Freiwillige sind, betont die Deutsche Mykologische Gesellschaft: „Die Datenbasis für die Rote Liste wurde im Wesentlichen von mehreren Hundert Amateur- und Freizeitmykologinnen und -mykologen ... geschaffen.“
Das unerforschte Terrain ist groß und bietet den angehenden Suchteams reichlich Beschäftigung. Wenn Sabine Hörnicke mit ihren Hunden durch die Wälder streift, kriegen Förster große Augen, sagt sie. Denn die Waldkenner sehen nicht, was die Tiere erschnüffeln und was die Pilzkundlerin mit Mikroskop und Bestimmungsbuch beweist.
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