Thomas Schöning verschnauft an einem seiner Lieblingsplätze auf der Landesgartenschau. Es ist die Weserscholle – einer Promenade aus rotem Sollingstein und Liegen aus heimischen Holz. Vom Ufer des Flusses sieht er die zwei unterschiedlichen Türme der Kilianikirche in Höxter. Um den Weserbogen liegt das Westwerk von Corvey – UNESCO-Weltkulturerbe seit 2014. Ein Dampfer, das Weser-Shuttle, schippert Gäste vom Schloss nach Höxter. „Vor allem die Flusslandschaft verleiht der Schau einen besonderen Charme“, schwärmt der erste Vorsitzende des Fördervereins. Ausreichend Wasser ist in diesem Jahr im Vergleich zu den beiden Vorjahren in der Fahrrinne. Am Ufer schlängelt sich ein Hauptteil der Gartenschau entlang.
Voll im Soll
Die Weser bildet das Bindeglied zwischen Schloss und Höxter. Etwa 2,5 km liegen sie auseinander. Trotz der Nähe waren sich Stadt und Corvey nicht immer grün, wie Thomas Schöning es im Gespräch anklingen lässt. Seit Ende April findet an beiden Orten die 19. NRW-Landesgartenschau auf etwa 30 ha statt. Im letzten Drittel der Schau – sie läuft noch bis zum 15. Oktober – wirkt Thomas Schöning schon ein wenig stolz auf das, was im Rahmen der Gartenschau auf die Beine gestellt wurde. Bei den Zahlen der Besuche liegt Höxter voll im Soll. Mit allein 350 000 Besuchen zur Halbzeit ist das Gesamtziel von 400 000 vermutlich sogar schon erreicht.
Als vor mehr als fünf Jahren die Idee für die Landesgartenschau in Höxter aufkam, hatte Thomas Schöning zunächst Zweifel. Vor allem die Erreichbarkeit im äußersten Osten des Bundeslandes ist schlecht. In jede Richtung brauchen Autofahrer gut eine Stunde bis zur nächsten Autobahn. Für viele Besucher waren Höxter und das Weserbergland ein weißer Fleck auf der Landkarte. „Jetzt werden wir regelrecht entdeckt“, sagt der 64-Jährige.
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Für Thomas Schöning ist es aber viel wichtiger, dass die Menschen vor Ort das Projekt mittragen. Den Förderverein sieht er als Scharnier zwischen der extra gegründeten gemeinnützigen GmbH um Baudezernentin Claudia Koch und den 30 000 Einwohnern, die in der Kernstadt und den zwölf Dörfern leben. Mit ihm sitzt ein erfahrener Ehrenamtler an der Spitze der mehr als 900 Vereinsmitglieder. Der selbstständige Malermeister war mehrere Jahre Kommandeur der Schützengilde. Er stammt selbst aus Lüchtringen, einem Ortsteil von Höxter. Mittlerweile lebt er mitten in der Stadt. „Unser 1000 m² großer Garten ist unser zweites Wohnzimmer“, sagt der zweifache Großvater. Mit dem Engagement möchte er etwas zurückgeben an eine Stadt, in der er gerne lebt. Zurzeit ist das Ehrenamt vom zeitlichen Aufwand aber ein zweiter Job.
Neben Sponsoren und reinen Beitragszahlern sind auch mehr als 100 ehrenamtliche Elfinnen und Elfer – der Name ist angelehnt an das Maskottchen Holli – im Verein. Sie verleihen E-Mobile an Senioren und informieren die Besucher an den Eingängen.
Die Dörfer mit im Boot
Im „Pavillon der Ortschaften“ auf den Uferwiesen, den der Förderverein mitbetreut, präsentiert sich im Wechsel an den Wochenenden die zwölf Dörfer. Bei unserem Besuch ist Brenkhausen an der Reihe. Mitglieder der Feuerwehr und des Heimatschützenvereins zeigen Feuerwehrautos, empfehlen die Wanderwege um das Dorf und bieten Spiele für die kleinen Gäste. Selbst waren die jungen Männer schon mehrfach mit ihren Familien auf der Schau. Vor allem die neuen Spielplätze sind ihre Favoriten.
Doch der Zuspruch war nicht immer ungetrübt. Als es im Jahr 2018 feststand, dass die LGS nach Höxter kommt, rumorte es in den Dörfern. Würde jetzt nur noch Geld in die Kernstadt fließen? Kurz zuvor befand sich die Kommune noch in der Haushaltssicherung. Der Förderverein organisierte in jedem Ort Infoveranstaltungen, sammelte Ideen aus der Bevölkerung und versuchte die Menschen für das gemeinsame Projekte zu begeistern. Kleinere Bauprojekte setzte die Verwaltung auch in den Dörfern um. In Lüchtringen gibt es zum Beispiele nun einen Fußweg entlang der Weser.
Kritik kam im Vorfeld auch von der Initiative „Grün statt grau“. Sie beunruhigte vor allem das Fällen von Bäumen, das Versiegeln von Flächen und das Ende bestehender Biotope. Klage und Baustopp standen sogar im Raum. 2022 einigten sich die kritischen Beobachter mit dem Rathaus.
„In der Stadt zeigen sich die Höxteraner total offen“, erzählt Thomas Schöning. Eisdielen, Cafés und Restaurants sind gut besucht und scheinen besser organisiert zu sein als auf dem Gelände. Dort wirkt die Gastronomie überfordert. „Eine halbe Stunde für eine Cola“, erfährt man von einem Besucher.
Höxter blüht auf
Die Stadt blüht durch die Landesgartenschau regelrecht auf. „In Höxter herrschte Renovierungsstau“, sagt Thomas Schöning. Im Weserbogen lag die Brache eines ehemaligen Sägewerkes. Der heutige Remtergarten in Corvey war laut Thomas Schöning „eine runtergekommene Tannenbaumschonung“. Altstadt und das Weltkulturerbe Corvey wirkten von der Weser aus wenig einladend, gar verschlossen.
Heute hat die Innenstadt ein barrierefreies Pflaster aus Naturstein. Der Bahnsteig wurde neugestaltet und herausgeputzt. An der Weserpromenade laden breite Stufen und eine über 70 m lange Bank zur Pause ein. „Früher wirkte es immer so, als ob Anträge aus Höxter in Düsseldorf ganz unten landeten. Jetzt hatten wir Priorität und mit dem Jahr 2023 ein festes Datum, an dem es fertig sein sollte“, beschreibt Thomas Schöning. Die Schau war ein Turbo für die Infrastruktur. Vor der Eröffnung waren es aber zwei harte Jahre für die Höxteraner. Die Innenstadt war eine Dauerbaustelle. Einzelhandel und Gastronomie ächzten unter der Belastung parallel zu Corona.
Geschichte, die bleibt
Doch was bleibt vom Gelände der LGS nach dem letzten Gast? Auf jeden Fall ein Stück Geschichte. Während der Schau lebt die im Mittelalter zerstörte Stadt Corvey in einem Archäologiepark wieder auf. Der Park soll nach der Schau weiter Besucher locken. Auch der Remtergarten in Corvey wird bleiben. Ebenso die Spielplätze, der Schöpfungs- und der Auengarten sowie der Platz der Ortschaften. Bis ins Jahr 2033 gilt es für das Gartenschau-Gelände eine Nachsorgepflicht. Das heißt, alle Flächen, die mit Fördermitteln erstellt wurden, bleiben bestehen. Die Erhaltungskosten trägt vor allem die Stadt.
„Vermutlich wird es eine Nachfolgegesellschaft geben. Der Förderverein bleibt auf jeden Fall aktiv“, sagt Thomas Schöning. Höxter und die ganze Region sollen auch nach der Veranstaltung ein Punkt auf der touristischen Landkarte bleiben – frei nach dem Motto der Gartenschau „Schön hier, komm gucken“.
Millionen für neue Bauten und Beete
Eine Landesgartenschau kostet Millionen. Auf Planungswettbewerbe folgen umfangreiche Bauprojekte. Für die aktuelle Landesgartenschau in Höxter ist der finanzielle Aufwand allein für die Investitionen auf 50 Mio. € beziffert. Hinzu kommen etwa 7,5 Mio. € für die Durchführung, also alles was mit der Präsentation zwischen April und Oktober zu tun hat. Dort können dann die Einnahmen, vor allem durch die Eintrittsgelder, gegengerechnet werden.
Der Haushalt einer Landesgartenschau gliedert sich in zwei Teile. Investitionshaushalt: Für Investitionen haben die ausrichtenden Kommunen in NRW neben einer Sockelförderung in Höhe von 6 Mio. € Zugang zu verschiedenen Födertöpfen. Als Gastgeber einer Gartenschau sind sie dabei auf der Überholspur unterwegs. „Vorrangige Förderung“, heißt das im Verwaltungsdeutsch. In Höxter wurde zum Beispiel die Fußgängerzone saniert. Dafür kamen vor allem Mittel aus der Städtebauförderung zum Einsatz. Höxters Eigenanteil an den Investitionen wird auf etwa 25 %, also 12,5 Mio. € beziffert. Durchführungshaushalt: Hier stehen auf der einen Seite die Kosten für alles, was im Präsentationszeitraum gebraucht wird, Personal, vorübergehende Bauten und vieles mehr. Höxter rechnet damit, dass die Eintrittsgelder diese Kosten decken. Gibt‘s ein Defizit, muss die Stadt ausgleichen. Einen Überschuss darf sie behalten.
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