Acht Ferkel mit kupferrotem Kopf, weißem Sattel und rötlichem Hintern saugen gierig bei ihrer Mutter Alma. Hohes Quieken und tiefes Grunzen liegen in der Luft. Die sechsjährige Enna und die neunjährige Marla fachsimpeln über die Namen der Ferkel. Ihr Vater Hendrik Wiggering achtet eher auf die Farbgebung der wenige Tage alten Schweine. Nur wenn die passt und noch ein paar weitere Merkmale wie Zitzenzahl und Ohrenstand stimmen, finden die Tiere Eingang ins Herdbuch.
Ehemaliger Maststall
Hendrik Wiggering züchtet seit 2017 Rotbunte Husumer Schweine. Der zweifache Vater lebt mit Familie und Eltern auf einem Resthof im Außenbereich von Oeding im Kreis Borken. Die jüngsten Ferkel sind sein zwölfter Wurf. Insgesamt hält der Hobbyzüchter vier Sauen, einen Eber und drei Mastschweine, deren Farben nicht umsonst an die dänische Flagge erinnern (siehe Kasten).
Nebenan im Stall steht Leonidas, der Vater der Ferkel. Der fast 350 kg schwere Eber beschnuppert in der „Liebesbox“ gerade eine andere Sau. Mehr als zehn Jahre stand das Stallgebäude der Familie leer und wurde mehr und mehr zur Rumpelkammer. Bis 2006 führte Wiggerings Vater die Landwirtschaft im Nebenerwerb – zuletzt ein paar Mutterkühe.
Hobby als Ausgleich
Vor mehr als fünf Jahren entdeckte der Kfz-Mechaniker, der im Service eines Autohauses arbeitet, seine Leidenschaften für die Rüsseltiere: Nach einem Hörsturz suchte er ein Hobby als Ausgleich. In einer Quizsendung stieß Hendrik Wiggering auf die Rotbunten Husumer Schweine. „Ich wollte eine Rasse halten, die nicht jeder hat“, erzählt er. Er entrümpelte den Stall, in dem sein Vater früher etwa 140 Mastplätze hatte.
Das erste Pärchen besorgte der 40-Jährige sich von einem Züchter aus dem Kreis Borken. Heute wühlt seine kleine Herde im Stroh. Pro Jahr braucht er bis zu 300 kleine Bunde als Einstreu. Alle 14 Tage wird von Hand gemistet. „Dann heißt es: tief stechen und weit werfen. Ein idealer Ausgleich zu meinem Bürojob“, lacht er. Befestigte Gartenschläuche sorgen für die Wasserzufuhr. „So friert die Wasserleitung im Winter nicht kaputt“, sagt der Hobbyhalter. Denn der Stall ist nicht beheizt. Die Tiere können die Temperaturen aber vertragen und sind robuster als herkömmliche Rassen.
Protestschwein der Dänen
Rotbunte Husumer Schweine sind robust, mütterlich, langlebig und ruhig im Umgang. Ihre markante Farbgebung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Angler Sattelschwein herausgezüchtet. Die ersten Züchter gehörten zur dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Rot und weiß sind die dänischen Nationalfarben. Das Rotbunte Husumer Schwein wurde so zum Ausdruck der dänischen Identität seiner Besitzer und erhielt den Beinamen „Dänisches Protestschwein“. Seit 1954 ist die Rasse als eigenständig anerkannt und hat ein eigenes Herdbuch. In den folgenden zwei Jahrzehnten geriet sie aber in Vergessenheit. 1984 tauchten vom Phänotyp ähnliche Tiere auf der Grünen Woche in Berlin wieder auf. Im selben Jahr entstand eine Interessengemeinschaft „Rotbuntes Husumer Schwein“ mit damals 14 Züchtern. Heute stehen ungefähr 100 Tiere im Herdbuch.
Auslauf doppelt gesichert
Draußen haben die Schweine einen etwa 80 m2 großen Auslauf. Durch Gummilamellen und über selbst gezimmerte Rampen gelangen sie ins Freie. Der Auslauf ist doppelt gesichert: auf einen Elektrozaun folgt ein Metallzaun.
In der Ferne fällt der Blick auf Mastställe mit bis zu 5000 Tieren. Hendrik Wiggering möchte nicht schuld sein, wenn die ASP in einem der viehstärksten Kreise Nordrhein-Westfalens ausbricht, nur weil seine Tiere Kontakt zu einem Wildschwein hatten.
Die Landwirte in der Nachbarschaft unterstützen ihn. Sie leihen dem Hobbyhalter Fiebermittel oder Ferkelpulver – gar nachts. Die Eisengabe nach der Geburt macht er selbst, genauso wie das Entwurmen alle drei Monate. Die Eberferkel lässt er vom Tierarzt kastrieren.
Ferkel an Zoo verkauft
Aus dem anfänglichen Wunsch, nur ein paar Tiere zu halten, entstand die Leidenschaft zu züch-ten. Viele Züchter leben in Norddeutschland. Für ein körungsfähiges Ferkel bekommt er bis zu 150 €. Abnehmer sind andere Hobbyzüchter oder Arche-Höfe, die sich dem Erhalt alter Rassen verschrieben haben. Ein Ferkel hat er sogar für mehrere Hundert Euro an den Zoo in Gelsenkirchen verkauft.
Energiearmes Futter
Sau Alma steht nun wieder. Hendrik Wiggering reicht ihr ein paar Runkelstücke zum Knabbern. Die Futterrüben pflanzt er selbst im Garten. Sonst bekommen die Schweine morgens und abends energiearmes Futter mit einem hohen Rohfaseranteil. Denn alte Rassen setzen sonst zu schnell Fett an. Etwa ein Jahr mästet der Münsterländer zwei der Tiere und lässt sie von einem befreundeten Metzger im Ort schlachten. „Es war ein Genuss, Weihnachten den ersten geräucherten Schinken aus dem eigenen Stall zu essen“, erinnert er sich. Mittlerweile vertreibt er Bratwürste, Koteletts und Spareribs, aber auch ganze Schweine an Bekannte. „Die Koteletts sind zwar kleiner, aber sie verlieren in der Pfanne nicht ihre Größe“, beschreibt er.
Beim Essen fragen seine Töchter, wen sie auf dem Teller haben. Denn sie kannten jedes Schwein mit Namen. Manchmal fließen Tränen, wenn die Mastschweine den Hof in Richtung Metzger verlassen. „Sie verstehen aber, dass die Schweine für uns auch Nutztiere sind“, sagt Wiggerings Frau Karin. Sie selbst hat erst mit der Idee gefremdelt, Schweine zu halten. Inzwischen ist sie bei der rotbunten Schweinerei mit Eifer dabei: Die Krankenschwester hat es geschafft sechs Ferkel aufzupäppeln, nachdem eine Sau starb.
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