Bei Roland Kummer hat jedes Produkt einen Namen. Denn er kann auf Wunsch jede Filzmatte einem einzelnen Schaf zuordnen. In seiner Wollmanufaktur in Oeynhausen-Nieheim, Kreis Höxter, verarbeitet er täglich bis zu 8 kg Rohwolle. Das entspricht der Schur von etwa drei Schafen. „Es gibt viele Schäfer und Hobbyhalter, die nicht wissen, wohin mit der Wolle“, sagt Roland Kummer.
Kein Markt für Wolle
Ihm ist es ein Rätsel, warum der vielfältig einsetzbare Rohstoff hierzulande selbst von Schafhaltern nur wenig wertgeschätzt und genutzt wird. Roland Kummer und seine Frau Corinna halten selbst Schafe. Ihre zehn Skudden weiden gemeinsam mit drei Ziegen auf den Flächen rund um die Oeynhauser Mühle, die das Paar vor drei Jahren gekauft hat. Auf den Wiesen haben Kummers junge Obstbäume gepflanzt, die sie unten mit Schafwolle umwickelt haben. „So schützen wir sie vor dem Verbiss durch Wildtiere“, erklärt Corinna Kummer. „Wegen unserer Ziegen mussten wir aber nachträglich noch einen Zaun ziehen. Die ließen sich nicht durch die Wolle abhalten.“ Auch im Bauerngarten setzen Kummers die Wolle ihrer Tiere ein. „Sie ist ein super Dünger für unsere Pflanzen“, sind sie sich sicher.
„Doch eigentlich ist Wolle dafür viel zu schade.“ Was Roland Kummer damit meint, wird ersichtlich, wenn man das alte Getreidesilo betritt, das er in viel Eigenleistung zur Wollmanufaktur umgebaut hat. Hier steht alles, was es zur Verarbeitung von Wolle braucht – nur eben eine Dimension kleiner als in der Industrie. In der Summe investierte Roland Kummer etwa 100 000 € in Maschinen. Der 54-Jährige sieht es als gute Basis, um später mal von der Manufaktur leben zu können. Aktuell führt er sie im Nebenerwerb.
Von der Wolle zum Batt
Die Verarbeitung beginnt mit dem Wollpicker. Die Maschine zupft die vorsortierte Wolle und reinigt sie von grobem Schmutz wie Gras. „Danach geht’s ab in die Waschmaschine“, beschreibt Roland Kummer weiter. Das Gerät ist sein ganzer Stolz. Er hat sie extra aus der Schweiz bestellt, da die Maschinen aus Deutschland zu groß waren. 40 °C warmes Wasser, etwas Wollwaschmittel und Ultraschall reinigen die Wolle vorsichtig, ohne sie zu verfilzen. Ausgebreitet auf alten Tulpengittern kommt das feuchte Gut in den Trockenschrank. Mithilfe eines Raumentfeuchters trocknet die Wolle binnen zehn Stunden, sodass Roland Kummer sie am nächsten Morgen kardieren kann. In der Karde laufen große, mit unzähligen kleinen Nadeln gespickte Walzen gegeneinander. Sie kämmen die Wolle zum Wollvlies, dem sogenannten Batt, der Grundlage fürs Filzen und Spinnen.
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Handarbeit und neue Wege
„Industrielle Maschinen können schon mal Probleme beim Kardieren der borstigen Wolle von Heidschnucken haben“, erklärt Roland Kummer. Bei seiner kleinen Maschine kann er auf jede Wolle individuell reagieren, indem er zum Beispiel verschiedene Arten miteinander mischt. „Die Wolle der Heidschnucke ist besonders widerstandsfähig“, sagt der Wahl-Oeynhauser. Er schätzt sie als Zwischenlage für mehr Stabilität in Filzmatten, aus denen er später Taschen näht. Alle Produkte fertigt Roland Kummer aus dreifach gefilzten Matten. In einer Größe von 90 x 70 cm wiegen sie etwa 400 g. Für ihre Produktion braucht er mindestens 600 g Rohwolle. „Gut ein Drittel des ursprünglichen Gewichts ist oft Dreck“, weiß er aus Erfahrung. Die Wolle von Tieren, die zu Jahresbeginn noch im Stall geschoren werden, ist dreckiger als die von Tieren, die erst im Mai draußen geschoren werden.
Für die unterschiedlichen Farben seiner Produkte nutzt Roland Kummer die Wolle verschiedener Schafrassen, die er aus einem Umkreis von 30 km bei den Schafhaltern abholt. „Die Qualität der Wolle variiert stark. Daher kann ich leider nicht jedem Geld für seine Wolle geben“, bedauert er. Ursprünglich hatte Roland Kummer geplant, die Rohwolle nur als Dienstleister zu verarbeiten, die Produkte aber nicht selbst zu vermarkten. „Ich musste erkennen, dass die Schafhalter Wolle eher als Abfallprodukt sehen und kein großes Interesse daran haben, sie verarbeitet zurückzubekommen und dann zu vermarkten“, beschreibt er nüchtern seine Erkenntnis. Kurzerhand machte er aus der Not eine Tugend und begann selbst mit dem „Wolldesign“ und dem Verkauf – zumindest war das der Plan, bis die Pandemie ihm einen Strich durch die Rechnung machte. „Ich wollte meine Produkte gerne auf Handwerkermärkten verkaufen, die dann aber leider alle ausfielen“, bedauert Roland Kummer. Seine betriebswirtschaftliche Kalkulation erlaubt es ihm nicht, Händlern große Margen einzuräumen. Daher setzt er weiter auf Direktvermarktung. Vereinzelt findet er Kunden unter den Gästen seiner zwei Ferienwohnungen.