Noch ist es nur ein 35 cm großer, eckiger Rohling aus weicher Pappel, bald verwandelt sich das Stück Holz in einen Klumpen, wie der Holzschuh lange im Münsterland hieß. Vor allem auf dem Land gehörte dieses Schuhwerk bis in die Nachkriegszeit zum Alltag. Heute schmückt es noch den Fuß manches Hobbygärtners.
Wie aus dem Rohling ein Schuh wird, lässt sich im Ortskern von Altenberge im Kreis Steinfurt nachspüren. Dort hat der Heimatverein für die Maschinen und Geräte der ehemaligen Holzschuhwerkstatt Gausling ein neues Gebäude errichtet.
Wieder Lehrling sein
Eberhard Schneider vom Heimatverein nimmt zwei Rohlinge, die zuvor die Bandsäge getrennt hat, und spannt sie in die Kopiermaschine. Es beginnt zu dröhnen. Die Späne fliegen. Die Maschine fährt an einem Muster entlang, das die gleiche äußere Form und Größe hat wie der gewünschte Schuh und fräst das Äußere aus dem Stück Holz. „Das dauert etwa drei Minuten“, erklärt Eberhard Schneider und drückt dem Gast die mehrere Kilogramm schwere Form aus Volleisen in die Hand.
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Bis zum Ruhestand war Eberhard Schneider Architekt. „Jetzt bin ich wieder Lehrling“, schmunzelt der Rentner. Er ist einer von neun „Azubis“. Rainer Gausling, Sohn des letzten Holzschuhmachermeisters in Altenberge, hat ihm und seinen Kollegen an mehreren Wochenenden gezeigt, wie aus einem Stück Holz ein Schuh wird. Für den Heimatverein führen sie nun Gäste durch die Holzschuhwerkstatt, die vor einem Jahr ihre Türen geöffnet hat.
Gemeinsam mit Helmut Weiß hat Eberhard Schneider zuvor mehrere Rohlinge mit Axt und Hammer aus einem Pappelklotz gespalten. „Das Holz sollte frisch sein. Die Pappeln stammen von Bauern aus Altenberge“, sagt der angehende Holzschuhmacher.
In der Werkstatt spannt Helmut Weiß das Stück Holz, das von außen schon einem Schuh ähnelt, in die Bohrmaschine. Der pensionierte Polizist hat die Uniform gegen schwarze Cordweste und Holzschuhe getauscht. Nun ist der Innenteil des Schuhs dran. „Dieser Schritt geht halb automatisch. Etwas Kraft ist gefragt“, sagt er und gibt mit einem Stab Druck auf den kreisenden Bohrkopf. Wieder orientiert sich die Maschine an einem Modellschuh. Etwas feiner wird es nebenan an der Putzmaschine. Sie formt ein Fußbett. Dabei richtet sich die Maschine auch nach einer Vorlage – diesmal aber aus Holz.
Besuch auf Anfrage
„Wir sind kein Museum“, betont Franz Müllenbeck, erster Vorsitzender des Heimatvereins. Es ist eine Besucherwerkstatt, die auf Anfrage Gruppen in Empfang nimmt. Die originalen Maschinen wurden in den 1950er-Jahren gefertigt. Sie waren mehr als ein halbes Jahrhundert im Einsatz – so lange bis Rainer Gausling, der die Werkstatt von seinem Vater Franz übernommen hatte, 2011 schloss.
Danach rosteten Kopiermaschine, Putzmaschine und Bandsäge vor sich hin. Rainer Gausling bot 2020 dem Heimatverein die Maschinen und Geräte an. „Doch für sie brauchten wir ein Dach über dem Kopf“, sagt Franz Müllenbeck. Die Idee für die Werkstatt war geboren. Als die rührigen Ehrenamtler den Förderbescheid des NRW-Heimatministeriums in der Tasche hatten, begannen sie Anfang September 2021 mit dem Bau des Gebäudes im Stil eines westfälischen Bauernhauses mit Fachwerk und ausgemauerten Gefachen. Es passt sich in das Ensemble des Heimatvereins aus anderen historischen Gebäuden wie dem Kittken und Stenings Scheune im Ortskern ein.
Die Gesamtbaukosten von 400 000 € wurden zu 90 % gefördert. Den Rest musste der Heimatverein selbst stemmen. So leisteten die Mitglieder mehr als 4000 Stunden ehrenamtliche Arbeit. Parallel entrosteten sie die geschenkten Maschinen und lackierten sie. „Jede Maschine hat nun ein Not-Aus. Sonst sind sie wie früher. Bei Vorführungen darf immer nur eine in Betrieb sein. Denn sie laufen nach“, erklärt Werner Witte, der zweite Vorsitzende.
Leder zum Schluss
Doch zurück zur Arbeit. Der Schuh „in spe“ hat zwar nun schon Fußbett und Form, doch Maschinenzapfen sitzen noch an Hacke und Spitze. Dafür geht Eberhard Schneider an eine Werkbank, an der das „Paohlmeß“ eingehakt ist. Es erinnert ein wenig an eine Machete. Mit der Hebelwirkung und der scharfen Klinge schneidet er die Zapfen ab. Nun noch Löcher in die Innenseiten der Schuhe und schon lassen sie sich paarweise zusammenbinden. „Das Paar muss mehrere Wochen trocknen“, sagt der Hobby-Holzschuhmacher, der wie sein Kollege Helmut Weiß bis zur Eröffnung noch nie Holzschuhe trug. „Mir taten danach etwas die Füße weh. Ich hatte die falschen Socken an“, erzählt Helmut Weiß und zeigt seine dicken Wollsocken. Er greift sich nun ein getrocknetes Paar und beginnt sie zu schleifen. Zunächst von außen, dann von innen.
Zum Schluss kommt noch etwas typisch Westfälisches auf den Schuh: ein Leder. Das unterscheidet ihn von der holländischen Variante. Mit der Heftmaschine – ein großer Tacker – wird es befestigt. Nun ist das Naturprodukt fertig.
Neben dem Arbeitsbock hängen alte Werkzeuge zum Bohren. Damit wurde vor den Maschinen das Fußbett ausgehöhlt. „Das war noch reine Handarbeit“, sagt Helmut Weiß und freut sich, dass ihm das erspart blieb und die Maschinen wieder fit sind.
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