Das Ziel dieser langen Reise liegt gerade mal 12 km vom Startpunkt entfernt. Trotzdem hat sie Carolin Feismann – und auch ihren Mann Stefan – um den ganzen Globus geführt. Heute sind sie in Darup, einem Dorf in den Baumbergen, zu Hause. Carolins Mutter kommt mindestens einmal pro Woche aus dem nahen Coesfeld zu Besuch auf das „Gut Feismann“.
Das Tor zu diesem besonderen Ort liegt an Darups Hauptstraße direkt gegenüber der Pfarrkirche. Dahinter öffnet sich ein 2800 m2 großes Areal, auf dem insgesamt sechs Gebäude stehen. Die meisten sind etwa 150 Jahre alt. Vier von ihnen stehen in der Denkmalliste der Stadt Nottuln.
Carolin Feismann kommt an diesem Morgen direkt aus der „Gutsküche“. Die liegt im lang gestreckten, aus Sandstein errichteten Haupthaus. Vor der Tür stehen Tische und Stühle. Direkt nebenan beginnt der Auslauf für die Hühner, dahinter dösen zwei Pferde im Paddock. „Das ist meine Villa Kunterbunt“, sagt die 46-Jährige und wirkt so gar nicht wie jemand, der sich in eine Kinderwelt davonträumt.
Die Schaltzentrale
Bei der studierten Betriebswirtin, die auch einige Semester Medizin hinter sich hat, laufen die Fäden zusammen. Beruflich war sie auf ganz verschiedenen Gebieten unterwegs, vom Gastrojob in Alaska über das Management einer Möbelfabrik in Polen bis zum Aufbau einer Klinik für „Ärzte ohne Grenzen“ an der Elfenbeinküste.
Seit dem Kauf des gepflegten, aber maroden Anwesens im Jahr 2016 koordiniert sie den Einsatz von Handwerkern und Helfern. Sie organisiert den Alltag auf dem Hof und sorgt im Büro dafür, dass das Konzept vom „integrativen Mehrgenerationenwohnen“ sich auch finanziell trägt.
Ehemann Stefan ist ebenfalls 46 Jahre alt und von Haus aus Maschinenbautechniker. Einige Jahre hat er in Neuseeland gelebt. Heute kümmert er sich um viele bauliche Aufgaben und vor allem die beiden Söhne Franz (9) und Carl (7).
Das besondere Kinderhospiz
Immer wieder waren in den vergangenen Jahren Familien mit schwer kranken Kindern bei den Feismanns zu Gast. Carolin Feismann ist beeindruckt, wie entspannend und zugleich anregend die Umgebung auf die Kinder wirkt. Entstanden ist daraus die Idee für ein kleines Kinderhospiz, dessen Besonderheit der Kontakt zu Tieren ist.
Immer ein schwer krankes Kind kann mit seiner Familie für bis zu vier Wochen nach Darup kommen. Zur Verfügung stehen eine Wohnung mit Pflegebett, Therapiestuhl und weiteren Hilfsmitteln sowie ein zweites Appartement.
Damit dieses Angebot für die Familien kostenlos bleibt, ist die Gut Feismann gGmbH auf Spenden angewiesen. Dafür gibt es ein Konto bei der Sparkasse Westmünsterland, IBAN: DE12 4015 4530 0033 0970 15.
www.gutfeismann.de
Lange Suche nach einem Käufer
Carolin und Stefan Feismann teilten schon lange den Traum von einem Ort, an dem sich unterschiedlichste Menschen willkommen fühlen. In Darup haben sie ihn selbst geschaffen. Bereits 14 Jahre hatte das Anwesen zum Verkauf gestanden, als die Feismanns zugriffen. Die Eltern des ehemaligen Besitzers hatten Gast- und Landwirtschaft betrieben und elf Kinder groß gezogen. Mittlerweile standen die meisten Gebäude leer.
Die Feismanns gingen ins Risiko. „Das war eine Kombination aus rosa Brille, Blauäugigkeit und betriebswirtschaftlichem Know-how“, sagt Carolin Feismann. Das Ehepaar kalkulierte die Umbaukosten, schrieb einen Businessplan und lieh sich für Kauf und Sanierung einen siebenstelligen Betrag zusammen. Dazu kamen Eigenkapital aus dem Verkauf des bisherigen Wohnhauses und Fördermittel, unter anderem für den Erhalt ortsbildprägender Gebäude.
Anwälte als Ankermieter
Nach einem Jahr Baustelle zog die Familie in den ersten Stock des Gebäudes an der Hauptstraße. Die Räume darunter sind langfristig an eine Anwaltskanzlei vermietet. Nach und nach sind sechs weitere Wohnungen, zwischen 30 und 160 m2 groß, entstanden. Überall wohnen Menschen, die mehr brauchen als die eigenen vier Wände.
Lena, die Älteste in der Hofgemeinschaft, hat lange in einem Tierheim geholfen. Als sie in Rente ging, vereinsamte sie in ihrer Wohnung. Auf dem Hof kommt sie täglich zum gemeinsamen Mittagessen, versorgt Hühner, Enten, Meerschweinchen und Kaninchen und fährt mit anderen Bewohnern und Mitarbeiterin Heike Maddern-Wellington zum Einkaufen. Die strukturierten Tage helfen auch Annika, die mit ihrem vierjährigen Sohn in einem Appartement wohnt, und zwei jungen Erwachsenen aus Afghanistan, die gerade beruflich Fuß fassen wollen.
Die Feismanns geben eine Tagesstruktur vor, beschäftigen Therapeuten und helfen bei Bedarf bei Alltagsfragen. Dafür zahlen das Jugendamt oder andere Hilfeträger.
Mit GbR und gGmbH
Besitzer der Immobilie ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Carolin und Stefan Feismann gemeinsam gegründet haben. Sie profitiert von Sonderabschreibungen, die bei Investitionen in denkmalgeschützte Gebäude möglich sind. Mieterin und Betreiberin ist die gemeinnützige GmbH „Gut Feismann“, die weitgehend steuerfrei arbeiten kann.
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Carolin Feismann genießt das Leben auf dem Gut – das übrigens so heißt, weil „Hof Feismann“ schwer zu sprechen ist. Für sie sind einige Kindheitsträume wahr geworden. „Es ist wie Taka-Tuka-Land und funktioniert trotzdem.“
Bauernmarkt
Einmal im Monat ist das Gut Feismann für Besucher geöffnet. Stets am ersten Samstag im Monat findet von 10 bis 13 Uhr ein Bauernmarkt statt. Dann gibt es Produkte aus der Region und aus der Gutsküche.
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