An der Bundesstraße 239 im Kreis Minden-Lübbecke lenken in Preußisch Ströhen große Werbebanner die Aufmerksamkeit auf sich. „Dorf sucht Arzt“ ist darauf zu lesen. Bis Ende 2017 praktizierte in der rund 1900 Einwohner starken Ortschaft noch ein Hausarzt. Seit dieser seine Praxis geschlossen und im 10 km entfernten Rahden eine Gemeinschaftspraxis eröffnet hat, steht die alte Praxis leer. Die Patienten können zwar weiterhin ihren „früheren“ Arzt aufsuchen. Aber Entfernung und Überfüllung mit längeren Wartezeiten macht dies vor allem für weniger mobile Menschen schwierig.
Es gibt zu wenig Nachwuchs
So auch für Christel Greimann. Die 80-Jährige wohnt im Außenbereich von Preußisch Ströhen und ist pflegebedürftig. Seit drei Jahren hat sie den Pflegegrad II und geht am Rollator. „Ich muss mich immer zum Arzt fahren lassen“, sagt sie. Das sei immer mit viel Aufwand verbunden. Häufig müsse sie trotz Termin zwei bis drei Stunden warten. Lange könne sie aber nicht gut sitzen. Meist übernimmt ihr Sohn Ralf die regelmäßigen Fahrdienste nach Rahden.
Doch Christel Greimann befürchtet, dass ihr Hausarzt bald aus Altersgründen ausscheiden könnte. Und dann? Ein Hausarzt vor Ort wäre für sie ideal. „Dann wäre auch der Kontakt in der Gemeinde besser. Man trifft sich beim Arzt und kommt ins Gespräch mit anderen“, erhofft sie sich.
Doch Allgemeinmediziner sind Mangelware. Die Zahl der älteren Menschen steigt und damit auch die Nachfrage nach ambulanter medizinischer Versorgung. Jährlich gehen in NRW über 400 Hausärzte in den Ruhestand. Aber nur rund 250 Nachwuchsmediziner absolvieren die Facharztprüfung für Allgemeinmedizin. Und nicht jeder von ihnen kann sich eine hausärztliche Niederlassung in einer ländlichen Region vorstellen. In NRW blieben somit Ende 2018 etwa 650 Sitze unbesetzt.
Bündnis ergreift Initiative
Um den hausärztlichen Leerstand zu beenden, haben sich in Preußisch Ströhen sechs engagierte Bürger in einem Bündnis „Dorf sucht Arzt“ zusammengeschlossen. Mit einer fast einjährigen Vorlaufzeit haben sie einiges auf die Beine gestellt. Neben den vier Werbebannern hat das Bündnis eine Werbekampagne gestartet, die über die Dorfgrenze hinaus geht. „Wir haben Plakate und 5000 Flyer gedruckt, die wir an Kliniken und medizinischen Fakultäten wie Köln, Tübingen, Münster und Minden verteilen“, erklärt Sven Borcherding vom Bündnis.
Zukünftig will die Initiative auch im niedersächsischen Raum mit den Flyern nach einem Hausarzt suchen. Mit www.dorfsuchtarzt.de hat das Bündnis außerdem eine Internetseite aufgebaut, auf der die wichtigsten Informationen und Kontakte zu finden sind, lässt Christian Asche von der Initiative wissen.
Die ehemaligen Praxisräume stehen mittlerweile nicht mehr zur Verfügung. „Jedoch besteht die Möglichkeit, in Räumlichkeiten des Seniorenheims Gärtner eine Praxis aufzubauen“, erklärt Sven Borcherding.
Förderung ist in Aussicht
In der Stadt Rahden befinden sich derzeit sieben hausärztliche Praxen. Aufgrund der Altersstruktur der Allgemeinmediziner bzw. Internisten werden auch für einige dieser Praxen in naher Zukunft Nachfolger gesucht. So zählt Rahden mit seinen sechs Ortsteilen schon jetzt zu den 80 Gemeinden in Westfalen-Lippe, in denen das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) in NRW die hausärztliche Versorgung gefährdet sieht und deren Neubesetzung unterstützen will (www.mags.nrw).
Für Preußisch Ströhen heißt das konkret: „60 000 € kommen vom Land über das Hausarztaktionsprogramm und 50 000 € wird die Stadt Rahden zusteuern“, erklärt Sven Borcherding. Bislang hat sich noch nichts Konkretes ergeben und das Bündnis ist weiter auf der Suche. „Wir geben uns für die Werbekampagne eineinhalb Jahre Zeit“, sagt Christian Asche. Für Bewohner von Preußisch Ströhen wie Christel Greimann heißt das, auch zukünftig weitere Wege zum Hausarzt und längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen.
Den Beitrag und weitere Informationen zum Thema können Sie nachlesen in der Wochenblattausgabe 10/2019 unter Blick ins Land.
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