Guido Weßels fängt Füchse ohne Jagdschein, er feiert oft Hochzeiten ohne Trauschein und er macht ständig
Stiche ohne Medizinstudium. Die große Leidenschaft des 53-Jährigen ist das Doppelkopfspiel. Das beherrscht Weßels so gut, dass er im Herbst zum zweiten Mal Deutscher Meister geworden ist. Ausrichter des Finalturniers in Ginsheim-Gustavburg bei Mainz war der Deutsche Doppelkopfverband.
Pute und halbes Schwein
Jedes Jahr treffen sich bei der Meisterschaft die 180 besten Doppelkopfspieler Deutschlands. Sie haben sich über Regionalturniere oder eine Rangliste qualifiziert. Weßels hat schon 14 Mal teilgenommen. Bei Turnieren des Verbandes spielen die Teilnehmer mit Neunen, also insgesamt 48 Karten – eine Variante, die im Münsterland ungewöhnlich ist. „In Münster und Umgebung verändern sich schon leicht die Spielregeln von Ort zu Ort“, sagt Weßels, der seit 1996 in Senden im Kreis Coesfeld wohnt.
Er muss es wissen: Der kaufmännische Angestellte hat vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren sämtliche Turniere um Münster abgeklappert. „Bestimmt 30 pro Saison“, schätzt er. Vor allem von September bis März gab es viele Preisturniere. „Mancher Schützenverein richtete auch ein Turnier am Vorabend des Festes aus“, erinnert er sich. Hauptpreise waren Puten, halbe Schweine und Elektrogeräte. „Auf einem Turnier habe ich mal eine Sonnenbank gewonnen“, schmunzelt er. Reich wird man damit aber nicht. Wenige hundert Mark gab es für die Erstplatzierten. Selbst für die Deutsche Meisterschaft waren es nur 500 € – ohne Reisekosten.
In den 1990er-Jahren lebte Weßels noch in Münster. Mit seiner Frau spielte er jeden Sonntag in der Kneipe Blechtrommel am Hansaring Doppelkopf. In den verrauchten Räumen kloppten Studenten mit angegrauten „Ur“-Münsteranern Karten.
Im Elternhaus gelernt
„Doppelkopf ist sehr variabel. Kein Spiel gleicht dem anderen“, beschreibt Weßels seine Faszination und ergänzt: „Außerdem mag ich die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Gemütlichkeit. Small Talk ist möglich, das ein oder andere Bier auch. Es ist nicht so verkrampft wie Schach.“
Selbst hat Weßels für das Spiel schon mit neun Jahren Feuer gefangen. Seine Eltern hatten eine Bäckerei in Münster. Vor allem beim sonntäglichen Besuch der Großeltern in Ahaus spielten sie Doppelkopf. „Mein Vater hat acht Geschwister. Meine ersten Mitspieler waren Cousins, Onkels und Tanten. Wir zockten um Pfennigbeträge“, erinnert er sich. In der Schule spielte Weßels in den Pausen mit Klassenkameraden. „Das wird heute nicht mehr gemacht“, weiß er von seiner Tochter. Sie ist mittlerweile 20 Jahre alt, kann zwar die Regeln, interessiert sich aber mehr für Gaming am Computer und spielt Badminton im Verein.
Generell scheint das Kartenspiel bei Jüngeren nicht mehr so beliebt zu sein. Die Turniere sind deutlich weniger geworden, auch die Teilnehmerzahl. Das Durchschnittsalter steigt hingegen. „Mit meinen 53 Jahren zähle ich fast noch zu den Jüngeren“, lächelt Weßels. Der Deutsche Meister empfiehlt Doppelkopf als gutes Gedächtnistraining auch im Alter. „Es hält die grauen Zellen fit.“
Durch ganz Deutschland
Weßels spielt mittlerweile auch online Doppelkopf. „Bis zu 30 Stunden im Monat“, schätzt er. Doch am liebsten weiterhin analog: 2005 hat er den Doppelkopfclub Münster gegründet. Sie treffen sich mindestens alle 14 Tage. Für die Turniere des Doppelkopfverbandes fährt Weßels heute durch die ganze Republik. „Manchmal verbinden meine Frau und ich das mit einem Kurzurlaub, wie zuletzt in Lübeck“, sagt er. Auf den Turnieren am Wochenende werden am Tag meist drei Runden à 24 Spiele inklusive Pflichtsolo gespielt. Wenn er am Sonntagabend nach Hause kommt, schläft er schon auf dem Sofa ein. „Es ist anstrengend, auch ohne sich zu bewegen“, sagt er.
Denn Konzentration ist gefragt. Er zählt die Karten im Kopf mit und weiß, wie viele Punkte er schon gemacht hat. Er schätzt, dass der Erfolg zu 40 % aus Kartenglück besteht. Viel wichtiger sind aber ein fittes Kurzzeitgedächtnis, gutes Kombinieren und das schnelle Herausfinden, wie die Mitspieler am Tisch ticken – Eigenschaften, die er nicht nur im Alltag als Buchhalter gut gebrauchen kann.
Trotz des Ehrgeizes ist Weßels nicht verbissen. Über Fehler kann er hinwegsehen und wird nicht laut. So trauen sich auch immer noch Freunde, Bekannte und Kollegen, mit ihm zu zocken. „Ich kann auch entspannt und gemütlich spielen“, sagt er. Weihnachten hingegen bleiben die Karten in der Schublade. Bevor es dann im Club noch vor Silvester weitergeht.
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