Gekonnt zu scheitern bedeutet, aus den eigenen Fehlern zu lernen. Grundvoraussetzung dafür ist es, die Fehler überhaupt als solche wahrzunehmen. Doch das gelingt uns laut den Forschungsergebnissen von Psychologin Prof. Dr. Jutta Stahl von der Universität zu Köln nicht immer.
Nur wenige der Informationen, die unser Gehirn aufnimmt, schaffen es durch eine Art Aufmerksamkeitsfilter in unser Bewusstsein. Dieser Mechanismus hilft uns dabei, uns auf Dinge zu fokussieren.
Scham und Schuldgefühl spielen wichtige Rolle
Die These der Wissenschaftlerin: Sind wir zu sehr damit beschäftigt, uns Sorgen um die Reaktion unseres Umfelds zu machen, bleibt nicht genügend Kapazität, um unsere Fehler als solche überhaupt wahrzunehmen. Oder anders ausgedrückt: Durch den Fokus auf unsere Sorge schafft es die Information, dass wir einen Fehler gemacht haben, nicht durch den Filter. Auch Schaum und Schuldgefühl können das verhindern.
Kindern ein Vorbild sein
„Mithilfe von Achtsamkeitsübungen könnte ein Trainer dabei helfen, diesen Prozess zu verbessern“, sagt die Expertin. Aber wäre es nicht viel besser, wenn wir schon in jungen Jahren lernen würden, dass Fehler nicht mit Scham verbunden sein müssen?
Studie: So reagiert das Gehirn auf Fehler
Die Studie: Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir Fehler machen? Dieser Frage geht die Psychologin Prof. Dr. Jutta Stahl an der Universität zu Köln nach.
Der Ablauf: Die Probanden sitzen vor einem Bildschirm und müssen bei bestimmten optischen Signalen entsprechende Tasten drücken. Ein EEG zeichnet gleichzeitig die Hirnströme auf. Im Anschluss geben die Probanden an, was sie glauben, wie viele Fehler sie gemacht haben.
Das Spannende: Die Auswertung des EEGs zeigt, dass das Gehirn alle Fehler registriert. Das gilt auch dann, wenn der Proband den Fehler selbst nicht bewusst wahrnimmt.
Im Fokus: Prof. Dr. Jutta Stahl und ihr Team interessieren sich besonders für die Perfektionisten unter den Probanden. Dabei unterscheiden sie zwei Typen: Diejenigen, die aus eigenem Antrieb besonders gute Leistungen erzielen wollen. Und diejenigen, die sich stark an ihrer Außenwirkung orientieren. Bei der zweiten Gruppe ist der Anteil an Fehlern, die sie selbst nicht bewusst bemerken, besonders hoch. Eine große Rolle scheinen hier die Themen Scham und Angst vor Zurückweisung zu spielen.
Die Hypothese: Die zweite Gruppe der Perfektionisten ist so sehr mit ihren Sorgen über Reaktionen ihres Umfelds beschäftigt, dass sie keine Kapazitäten mehr haben, um Fehler bewusst wahrzunehmen. Und wer Fehler nicht wahrnimmt, kann auch nicht daraus lernen.
Um Kinder dabei unterstützen zu können, gibt die Psychologin folgende Tipps:
- Sprechen Sie in der Familie offen darüber, wenn bei Ihnen selbst mal etwas schief läuft. Vielleicht haben Sie sich für eine Wahl aufstellen lassen, haben den Posten aber am Ende nicht bekommen? Oder Sie haben eine neue Feldfrucht ausprobiert, damit aber bei der Ernte nicht so hohe Erträge erzielt, wie sie gehofft hatten? Erzählen Sie Ihren Kindern davon.
- Suchen Sie die Schuld für Ihr Scheitern nicht bei jemand anderem oder allein darin, dass die Umstände nicht optimal waren.
- Nehmen Sie Ihrem Kind die Angst davor, dass Sie es aufgrund eines Fehlers weniger lieb haben könnten. Vermitteln Sie ihm: „Es ist schade, dass du einen Fehler gemacht hast. Aber das hat nichts mit deinem Wert als Person zu tun.“
- Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, was schief gelaufen ist. Besprechen Sie, was es nächstes Mal besser machen könnte.
- Lassen Sie Ihr Kind seine eigenen Fehler machen. Räumen Sie nicht alle Hindernisse aus dem Weg.
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