Eine Ziege lässt sich ein wenig mit dem Wetterfrosch vergleichen: „Bereits kurz bevor es zu regnen beginnt, gehen unsere Zicken und Kitze in den Unterstand“, erzählt Laura Kock. Regen mögen sie nicht. Mit Unterstand ist ein alter Viehwagen gemeint. Er steht auf einer Wiese neben dem Hof in Senden-Ottmarsbocholt im Kreis Coesfeld. „Es gab Regentage in diesem Sommer, da kamen sie fast nicht raus“, sagt Simon Kock.
Gemeinsam mit seiner Frau hält der 29-Jährige seit einem Jahr neun Thüringer Waldziegen. „Mit ihnen wollen wir uns ein Stück weit selbst verwirklichen“, sagt der Nebenerwerbslandwirt, der sonst noch Ammenkühe und Pferde hält und 12 ha bewirtschaftet.
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Clevere Wiederkäuer
Selbst verwirklichen heißt für die Projektmanagerin und den Tischlermeister, eine alte – durchaus bedrohte – Haustierrasse zu züchten und deren Milch selbst zu verarbeiten. Dabei erinnerte sich Simon Kock, der den Betrieb 2020 übernommen hatte, an seine Kindheit. Schon als Junge hielt er ein paar Zwergziegen und fand Gefallen an den kleinen Wiederkäuern.
Ihre angebliche Sturheit schreckte ihn nicht ab. Im Gegenteil: Seine Frau und er sind begeistert von ihrer Intelligenz. „Einmal sollte eine Ziege auf eine Holzkiste gehen, doch sie sträubte sich. Später merkte ich, dass die Kiste instabil war. Wenn eine Ziege zickt, dann hat es einen Grund“, erzählt Laura Kock. Die 29-Jährige arbeitet die Hälfte der Woche im Homeoffice. Sie kümmert sich ums Füttern. Außerdem melkt sie die Ziegen.
Trotz Simons Kindheitserfahrungen informierten sich die beiden ausgiebig im Internet, bevor sie sich die ersten Tiere anschafften. Vor allem die Thüringer Waldziege sprach sie an. Ihre Farbgebung und ihr ausgeglichener Charakter überzeugten sie. „Die Thüringer Waldziege ist eine Zweitnutzungsrasse für Milch und Fleisch. Ähnlich wie beim Rind sind solche Rassen schöner, da sie nicht einseitig auf die Milchleistung gezüchtet wurden“, meint Simon Kock. Auch wenn es diese Rasse ohne Hörner gibt, waren sie ihm wichtig. „Ohne Hörner ist es keine Ziege“, betont der Tischlermeister, der wert auf die Optik der Tiere legt.
Bei ihrer Suche nach den passenden Ziegen stieß das Paar auf einen Züchter im Sauerland. Der hält in Breckerfeld im Ennepe-Ruhr-Kreis 35 Thüringer Waldziegen. Bei ihm kauften sie vier weibliche Tiere. Neben der Reinrassigkeit achteten sie darauf, dass die Tiere Pseudotuberkulose- und CAE-frei sind. Diese Viruserkrankung schwächt Gelenke und Gehirn der Tiere.
Den Bock kauften die Kocks in Hannover. Zurzeit grast Brezel noch auf einer anderen Weide. Erst im Herbst kommt er zu den Ziegen, um wieder für Nachwuchs zu sorgen. „Das ist die einzige Zeit im Jahr, zu der der Bock riecht. Er pinkelt sich dann in den Bart“, sagt Laura Kock. Sonst riechen Ziegen nicht intensiver als andere Tiere.
Herdbuchzucht
Gerade knabbern drei Ziegen an Brennnesseln auf der Weide. Die anderen springen auf einem alten Strohwagen herum, der als Klettergerüst dient. Für Stall und Unterstand hat Simon Kock einen Hocker aus Holz als weiteren Kletteranreiz gebaut. „Oft liegen sie auch unter ihm“, sagt er.
Im Frühjahr haben zwei ihrer Ziegen jeweils Zwillinge bekommen. Sie können sich vorstellen, ihre kleine Herde auf bis zu 20 Tiere aufzustocken. Simon Kock möchte für das Herdbuch züchten. Für ihn ist eine ideale Ziege dunkelbraun, großlinig, aber nicht zu bullig. „Und sie sollten nicht zu stur sein. Das wollen wir nicht weitervererben“, sagt Laura Kock. Im Herbst kommt jemand vom Zuchtverband, bei dem sie Mitglied sind, und bewertet die Tiere. Wichtig sind auch eine regelmäßige Klauenpflege und Entwurmung. Das übernimmt das Paar selbst.
Feinschmecker
Simon Kock hält seinen Ziegen Mathilde und Henriette einen Eichenzweig hin. Im Nu verschlingen sie und ihre Kitze nicht nur das Laub, sondern auch das Holz. „Das ist eine Delikatesse für sie“, sagt er. Ziegen können das Lignin des Holzes verdauen. Insgesamt bedienen sie sich an einer breiteren Futterpalette als Schafe oder Rinder. Sie sind aber auch Feinschmecker und grasen keine ganzen Weiden ab, sondern fressen nur bestimmte Kräuter. „Sie ergänzen sich auf der Weide gut mit Pferden und rühren das an, was diese stehen lassen“, bringt es Simon Kock auf den Punkt.
In Raufen und Tröge kommen Heu und Getreide von den eigenen Flächen. „Uns ist die Qualität des Futters sehr wichtig. Wir wollen fast nichts dazukaufen“, sagt er. Auf zwei Hektar erntet der Nebenerwerbslandwirt Hafer, Sommer- und Wintergerste.
Über den Winter kommen die Tiere in den Stall. Dort sind zwei ehemalige Pferdeboxen für sie reserviert. Licht und Luft sind ausreichend vorhanden. „Die Ziegen passen gut in unsere vorhandenen Gebäude“, sagt Simon Kock. Im Frühjahr kommen die Tiere, zunächst stundenweise, wieder auf die Weide. Insgesamt nutzen sie acht Flächen für die Ziegen, immer einen guten halben Hektar groß.
Zäune und Pferch
Für das Einzäunen ist Simon zuständig. Der Tischler hat auch einen versetzbaren Pferch aus Lärche gebaut. Mit dem 15-teiligen Set kann er die Ziegen gezielt einzäunen, wenn sie zum Beispiel eine Stelle um eine Hecke freifressen sollen. „Sie eignen sich ideal für die Landschaftspflege“, sagt er. Außerdem lassen sie sich mit dem Pferch verladen.
Neben den vorhandenen Zäunen der Weiden nutzt der Hobbyhalter noch ein Elektronetz für Geflügel. Dessen Maschenweite ist geringer als bei Schafnetzen. Das verhindert, dass die Ziegen mit den Hörnern hängenbleiben. Dann würden die klugen Tiere aus gutem Grund zu zicken beginnen.
Käse und Eis selbst gemacht
Simon Kock hat gemerkt, dass er Ziegenmilch besser verträgt als die der Kuh. Die Milch hat einen ähnlichen Fett- und Eiweißgehalt wie Kuhmilch. Die Fettmoleküle sind kleiner und daher besser zu verdauen.
Seine Frau Laura melkt die Ziegen einmal am Tag. Dafür hat ihr Mann einen Melkstand gezimmert. Sie hatte vorher keine Erfahrung mit dem Melken. Ziegen lassen sich aber gut melken. Die Zitzen brauchen vorher nicht stimuliert werden. Für zwei Ziegen braucht Laura Kock etwa zehn Minuten.
Am Tag gibt eine Ziege bis zu drei Liter. Die Hälfte lässt sie für die Kitze.
Noch melkt die Hobbyhalterin per Hand. Wenn die Kocks ihre Herde vergrößern, kommt eine kleine Melkmaschine auf den Hof. „Die lohnt sich erst ab fünf laktierenden Tieren. Sonst dauert das Reinigen länger als das Melken“, sagt Laura Kock. Sie experimentiert mit der Milch und macht aus ihr Frischkäse und sogar Eis. „Den Ausflug zur Eisdiele konnten wir uns in diesem Jahr sparen“, erzählt sie.
Für den Käse kommt die Milch in einen großen Topf. Dann wird die Molke vom Bruch per Tuch getrennt und Lab zugegeben. Nach zwei Tagen ist der Käse fertig. „Es funktioniert aber noch nicht immer“, gesteht sie.
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