Wie sein Urgroßvater Arnold sich diesen Bau leisten konnte, das ist Justin Maasmann bis heute ein Rätsel. „Er hat im Nebenerwerb Schafe gehalten, als Schuster und Sattler gearbeitet und ab und an mit Kolonialwaren gehandelt“, berichtet er. „Das alles hat sicherlich keine Reichtümer abgeworfen.“ Trotzdem war Arnold Vagedes 1896 einer der ersten in der Merfelder Heide, der ein massives Wohnhaus baute.
In dem sitzen Justin und Petra Maasmann nun gemeinsam mit Sohn Jonas an einem großen Eichentisch. In 3,50 m spannt sich eine Balkendecke, die mit Brettern aus Fichte belegt ist. Der Übergang in die Küche ist offen und den Blick ins Wohnzimmer auf der einstigen Tenne bremst nur das alte Fachwerk. Vor vier Jahren ist Jonas Maasmann hier eingezogen. Fertig war damals nur das Erdgeschoss. Inzwischen hat er sich auch den Raum unter dem Dach erobert.
Im zweiten Anlauf
Dabei sah es lange so aus, als würde aus der Wiederbelebung des alten Hauses nichts werden. 1987 hatten Justin und Petra Maasmann nebenan neu gebaut: Für ihre junge Familie und seine Eltern, mit viel Eigenleistung und Interesse für gesunde Baubiologie. Die Genehmigung für das neue Haus war mit der Auflage verbunden, die Wohnnutzung im alten aufzugeben.
Dementsprechend schwer hatten sie es, als sie beim städtischen Bauamt anklopften. Der erste Anlauf scheiterte krachend. Der Architekt hatte vor allem mit der einstigen landwirtschaftlichen Nutzung der Gebäude argumentiert. „Nicht privilegiert“, urteilte das Bauamt. Erfolg brachte ein zweiter Anlauf mit einem Gutachter, der die prägende Bedeutung des alten Hauses für die umgebende Kulturlandschaft bescheinigte.
Das hat die Familie Nerven und auch Geld gekostet. Justin Maasmann hadert aber nicht damit. „Im Rückblick war es gut, dass wir uns so intensiv mit dem alten Gebäude und seiner Geschichte auseinandersetzen mussten“, sagt er. „Wir haben um jeden Balken diskutiert“, erzählt Jonas Maasmann lachend.
Familie „Baumeister“
Der 32-Jährige ist Elektroingenieur, mittlerweile mit Doktortitel, und arbeitet an der TU Dortmund. Seine Eltern sind beide Lehrer. Petra Maasmann (61) leitet die Grundschule in Dülmen-Hiddingsel. Ihr Mann, heute 67 Jahre alt, hat junge Menschen mit Handicap zu Orthopädie-Schuhmachern ausgebildet. Vierte im Bunde ist Tochter Janna Rike. Die 29-Jährige will auch Lehrerin werden und steckt zurzeit im Referendariat.
„Wir sind alle nicht die Typen, die in der Freizeit unbedingt ins Fitnessstudio wollen“, sagt Petra Maasmann. Lieber befreit die Familie eine Fassade von Efeu, birgt alte Baumaterialien oder buddelt Fundamente aus. „Sicherlich die Hälfte der Arbeiten haben wir selbst gemacht“, erklärt Jonas Maasmann. So konnten sie die Summer der Investitionen auf unter 250 000 € drücken.
Ein verschachteltes Ensemble
Justin Maasmann ist in dem Haus, das in den 1920er-Jahren um ein weiteres zweistöckiges Haus und Ställe erweitert wurde, aufgewachsen. Das verschachtelte Ensemble wäre schwierig als Einheit zu nutzen gewesen – und auch das Bauamt drängte auf weniger Fläche. Vom Stall blieb deshalb nur ein Rest. Das zweite Wohnhaus wurde bis auf den Keller und einen kleinen Teil des Erdgeschosses abgetragen. Dieser musste stehen bleiben, weil alle Anschlüsse für den kleinen Hof dort liegen.
Rund 140 m2 stehen Jonas Maasmann heute zur Verfügung. Im Erdgeschoss sind Küche, Wohn- und Esszimmer, ein Abstellraum und eine Gästetoilette untergebracht; oben unter dem Dach ein Bad und drei Schlafzimmer.
Lehm und Photovoltaik
Die Wände haben die Maasmanns mit 8 cm dicken Kalziumsilikatplatten gedämmt und mit Lehm verputzt. Damit die Holzdecke nicht unter dem „Geigenkasteneffekt“ leidet, also viel Trittschall nach unten leitet, wurde sie mit Blähton gefüllt. Energie und Wärme liefern eine Wärmepumpe und eine Photovoltaikanlage mit 10 kW Leistung.
Diese fungiert auch als Dach für die Reste der alten Stallanbauten, die bewusst so aussehen, als sei gerade erst der Vorschlaghammer am Werk gewesen. Das Bauamt wollte eine klare optische Abgrenzung zum Wohnhaus. Also beließen die Maasmanns den „Ruinenlook“ und erklärten den Maurern, dass sie die Reste gerne an der Oberkante wetterfest verputzt hätten.
Bei der Innenausstattung legte die Familie Wert auf eine beständige, aber zugleich kostengünstige Ausstattung. Auf dem Boden liegt türkischer Travertin. Die Küchenelemente von Ikea überspannt eine schwarz lackierte Eisenplatte, die der örtliche Schmied angefertigt hat. Die Treppe ins Obergeschoss ist aus dem gleichen Material gefertigt.
Durch die vielen Fenster fällt der Blick in den naturnahen Garten. Hier darf das Efeu an einigen Ecken noch ranken. Nur beim „Alten Arnold“, wie die Maasmanns ihren Altbau in Erinnerung an seinen Erbauer nennen, wird die Rankpflanze systematisch kurz gehalten.