Zumindest in Gedanken kreiste schon die Abrissbirne über dem Haus aus dem Jahr 1778. Rund 300 m steht es vom Hof der Familie Ruwisch in Peckeloh, Kreis Gütersloh, entfernt. Idyllisch schmiegt es sich an den Rand eines kleinen Waldes. Im Garten reckt sich ein uralter Birnenbaum in die Höhe. Einst waren hier Familien zu Hause, die auf dem Hof Ruwisch arbeiteten. Heute kommen Feriengäste. Aber noch vor drei Jahren drohte der Verfall.
Juniorchef Hendrik Ruwisch hat ein Faible für die Geschichte des Hofes, auf dem er heute 1700 Schweine mästet, Ackerbau betreibt und Schnittblumen zum Selberpflücken anbietet. Aber der Agrarbetriebswirt ist auch ein Mann der Zahlen. Gemeinsam mit Ehefrau Franziska, Bilanzbuchhalterin von Beruf, hatte er hin- und hergerechnet. Sie kalkulierten die Kosten für die Sanierung des schon länger leer stehenden Hauses. Aber die Summe, die dabei herauskam, überstieg die zu erwartenden Mieteinnahmen deutlich. Und aus reiner Liebhaberei wollten die beiden heute 34-Jährigen das Projekt auch nicht vorantreiben.
Idee beim Mittagessen
Beim Mittagessen in großer Runde kam das Thema nochmal auf den Tisch. Die Familie fragte sich: Wären Ferienwohnungen eine Alternative? Schließlich ließe sich das Gebäude dann deutlich intensiver nutzen. Ein Anruf beim Bauamt brachte die Erkenntnis: Das ist grundsätzlich möglich.
In die Karten spielte der Familie dabei, dass ihr Heuerlingshaus als kulturlandschaftsprägend eingestuft ist. Sonst wäre die Lage abseits vom Hof zum Hindernis geworden. Bei der Planung hat das Bauamt intensiv mitgeredet. Innen wie außen sollte der Charakter des Hauses erhalten bleiben.
Drei Wohnungen und eine Sauna
Gemeinsam mit Innenarchitektin Christiane Aldejohann vom Planungsbüro Pauer aus Münster entwickelte die Familie für das Gebäude ein Konzept mit drei Wohnungen und einer Sauna. In der großen Ferienwohnung „Tenne“ ist auf 93 m2 Platz für sechs bis acht Personen. Eines der drei Schlafzimmer ist genauso wie das angrenzende Bad barrierefrei. Die „Leinenstube“ nutzt die 40 m2 unter dem großen Dach. Zwei Personen können hier gemütlich unterschlüpfen. Die Ferienwohnung „Im alten Stall“ hat einen separaten Eingang und bietet auf 73 m2 im Erd- und Dachgeschoss Platz für vier Personen.
Herzstück des Hauses ist der große Wohnraum der „Tenne“ mit Kamin, Esstisch und Küche. „Vor ein paar Wochen hatten wir hier eine Hochzeitsgesellschaft“, berichtet Hendrik Ruwisch. Nach der Hochzeit auf Schloss Harkotten im nahen Füchtorf verbrachte das Brautpaar das Wochenende mit seinen Gästen im Heuerlingshaus, inklusive Besuch vom Profi-Koch. Dazu hatte das Paar alle drei Wohnungen gemietet.
Die Preise reichen von 60 € pro Nacht für die kleinste Wohnung in der Nebensaison bis zu 175 € für die Tenne in der Hauptsaison.
Urlaub in Versmold?
Franziska und Hendrik Ruwisch waren selbst skeptisch, wie attraktiv Versmold für Urlauber ist. 50 % Auslastung hatten sie sich als Mindestziel gesetzt. Nach dem ersten halben Jahr sind sie positiv überrascht. Die Gäste genießen die Ruhe, sind draußen unterwegs und kochen abends oft ausgiebig. Viele interessieren sich auch für die Landwirtschaft. Sechs Lehrerinnen hat Hendrik Ruwisch schon mit in den Stall genommen.
Die Sanierung war aufwendiger als ein Neubau – und hat auch mehr gekostet, wie Hendrik Ruwisch offen einräumt. Vor dem Start ist das gesamte Gebäude gesandstrahlt worden. Die Gefache der beiden Fachwerkgiebel wurden neu ausgemauert. Neben einer neuen Bodenplatte gab es auch eine neue Betondecke zwischen Erd- und Obergeschoss. Trotzdem schauen die Gäste auf der alten Tenne von unten auf die alte Holzdecke. Die ist einfach geblieben.
Anschluss an Wasser- und Abwassernetz
Zur Dämmung wurde innen ein mit Perlit gefüllter Mineralstein vorgemauert und ein Lehmputz aufgetragen. Im Zuge der Bauarbeiten ist das Haus an das Stadtwasser und das Abwassernetz angeschlossen worden. Auch ein schneller Internet-Zugang ist jetzt vorhanden. Die Heizung speist ein Flüssiggastank in der Erde. Alternativen waren den Ruwischs im ersten Anlauf noch zu teuer und nicht belastbar genug. Schließlich wollen morgens bis zu zwölf Personen duschen.
Hochwertige Einrichtung
Die Gäste schätzen die Fußbodenheizung und nutzen die Kamine in allen Wohnungen. Rollladen verbot das Bauamt aus optischen Gründen. Stattdessen gibt es Verdunklungsvorhänge. Die Inneneinrichtung ist hochwertig und aus einem Guss. Das Einrichtungs- und Ausstattungskonzept hatte schon Christiane Aldejohann entwickelt. Für Styling und Dekoration holte sich die Familie zusätzliche Unterstützung. Eine Moorlandschaft diente als Inspiration für die Tenne, der alte Stall hat das Leitthema „Wasser“ und die Leinenstube prägen Beige und Blau.
Professionell gestaltet sind auch Logo, Broschüre und Internetseite. „Wer Reibach machen will, der fährt mit dem Konzept vor die Wand“, ist Hendrik Ruwisch überzeugt. Aber wer gerne Gastgeber sei und nach einem langfristigen Beitrag zum Familieneinkommen suche, der könne sich mit Ferienwohnungen beschäftigen.
Buchung und Service
Die Ferienwohnungen der Ruwischs sind über verschiedene Onlineportale buchbar. „Wir schauen jetzt, was am besten funktioniert“, sagt Franziska Ruwisch. Sie hat ständig ein Auge darauf, ob Anfragen hereinkommen. Zwischen 8 und 23 Uhr gibt sie immer möglichst direkt eine Rückmeldung. „Sonst buchen die Leute woanders.“
In ihre Wohnung kommen die Gäste über einen zuvor vereinbarten Zahlencode. Mit diesem lässt sich das Türschloss am Anreisetag ab 16 Uhr öffnen. Später am Tag schauen Franziska oder Hendrik Ruwisch persönlich vorbei. „So können die Gäste erst einmal entspannt ankommen“, erklärt Hendrik Ruwisch. „Und es passt auch besser in unseren Betriebsablauf.“ Bei den Gästen haben sich bis zum Besuch der Gastgeber meist schon die ersten Fragen ergeben.
Fahrräder stellt die Familie zur Verfügung. Viele Gäste haben allerdings ihre E-Bikes dabei und machen große Touren durchs Ravensberger Land, bis ins Münsterland und in Richtung Osnabrück. Die Sauna im Erdgeschoss können die Gäste über ihr Smartphone buchen.
Bei der Reinigung unterstützen zwei Frauen, die auf Minijob-Basis angestellt sind. Spätestens um 10 Uhr müssen die Gäste auschecken. Um die Reinigung von Bettwäsche, Hand- und Geschirrtüchern kümmert sich ein Wäscheservice.
www.zum-heuerling.de
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