Die Schauspielerin und Entertainerin Anke Engelke hat vor einigen Wochen ihr erstes Kinderbuch veröffentlicht. Es trägt den Titel „Die neue Häschenschule“. Kaum erschienen, löste es erhebliche Kritik aus. Jäger, vor allem aber Landwirte sind empört. Sie sehen sich im Buch pauschal und einseitig als Naturvergifter und als Zerstörer der Tierwelt dargestellt. Bei manchen sorgt auch für Fragezeichen, dass in der neuen Häschenschule ein veganer Fuchs als eine der Hauptfiguren auftaucht.
Möhrchen und „Mähmaschine“
Engelkes Buch ist die jüngste, mittlerweile fünfte Neubearbeitung des Kinderbuchklassikers „Die Häschenschule“ aus dem Jahr 1924. Der damalige Verfasser Albert Sixtus hatte in Reimform die Geschichte von zwei Hasen erzählt, die in einer Schule von einem alten Lehrer lernen, was sie wissen sollten: wie man Pflanzen pflegt, was im Garten zu tun ist und dass sie sich vor allem vor dem Fuchs hüten, der es auf sie abgesehen hat.
Das Buch wird bis heute gern gezeigt und vorgelesen. Die Geschichte und die Illustrationen tragen dazu ebenso bei wie die Sprache, gut gereimt und in eingängige rhythmische Verse gefasst.
Zum 100-jährigen Jubiläum des Kinderbuchklassikers entwickelte der renommierte Kinderbuch-Verlag Esslinger die Idee, die alte Geschichte neu zu erzählen. Das zumindest berichtet Anke Engelke in einem Werbefilm zum Buch. Die alte Ausgabe, so sagt sie dort, sei „ein wenig überholt, altbacken und unmodern“.
Gefahr: Mensch = Landwirt und Jäger
In der Neuauflage drücken nun 14 Häschen die Schulbank. Der Lehrer ist jetzt eine Schulrektorin, und der Fuchs ist keine Gefahr mehr, sondern Mitschüler. Ein Vers erläutert: „Im Gegenteil: er lebt vegan und Möhren haben’s ihm angetan! ,Dann bist du gar keine Gefahr‘, ruft Peter. ,Das ist wunderbar!‘“
Gefahr geht in der neuen Buchfassung ausschließlich vom Menschen aus – sprich: vom Jäger und vor allem vom Landwirt, wie eine seitenfüllende Illustration (siehe oben) eindringlich zeigt. Warnsymbole zeigen einen Jäger mit Gewehr, einen Traktor oder auch einen Bauern mit Forke, darunter der Hinweis „Gefahr: Mensch“. Gewarnt wird auch vorm Mähdrescher, den die Autorin wiederholt mit einer „Mähmaschine“ verwechselt. Weitere Schilder und Symbole weisen auf Gefahr durch ätzende Flüssigkeiten und durch Feuer hin. Sogar das Warnsymbol für „Gefahren durch biologische Erreger“ ist am Baum angebracht. Ob das alle vorlesenden Eltern kennen und auch erklären können?
Dem Häschen Hoppich droht am Ende der Tod in einem heranfahrenden Mähdrescher. Doch es wird in letzter Minute vom veganen Fuchs gerettet und sagt dann: „Darauf hätt’ ich nie gewettet!“
Digitaler Sturm der Kritik
Kaum veröffentlicht, löste das Kinderbuch einen Sturm der Kritik aus. Bei Online-Buchhändlern wie Amazon oder Thalia finden sich Einträge wie diese:
„Dieses Buch geht zurück – Fehlkauf. Sorry, aber der Inhalt dieses Buches ist unmöglich und schafft eigentlich nur böses Blut.“
„Das haben die Bauern nicht verdient. Genau diejenigen, die für unsere Ernährung hart schuften, keinen Mindestlohn und keinen Nine-to-five-Job haben, derartig pauschal niederzumachen, finde ich unerträglich.“
„Auch, wenn es ein Märchen ist, sollte es ein gewisses pädagogisches Niveau haben.“
Engelke kritisiert Engelke
Kurz vor Erscheinen sind der Autorin offenbar selbst Zweifel am Buch gekommen. Sie wolle den Kindern nicht das Bild nehmen, dass es schön wäre, später Bauer zu werden, erklärte sie der Süddeutschen Zeitung. „Den Menschen zum Buhmann zu machen, das musste ich für die Geschichte in Kauf nehmen.“ Die Autorin bestritt auch die alleinige Verantwortung für den Buchinhalt. Sie habe sehr mit sich gehadert, aber dem Verlag sei es wichtig gewesen, dass es auch in der neuen Version einen Konflikt oder eine Gefahr gebe.
„Was hat Sie hadern lassen?“ Das wollte das Wochenblatt vor mehr als zwei Wochen per Mail von Anke Engelke wissen. Und auch: „Warum haben Sie sich dann doch für den jetzigen Inhalt entschieden?“ Außerdem haben wir Engelke eingeladen, in einem Gastbeitrag ihre Sicht auf das Buch, die Debatte und auf pädagogische Fragen darzulegen.
Auf eine Antwort warten wir bis heute. Das Wochenblatt ist damit offenbar nicht allein. Auch andere Medien haben, wie der Berichterstattung zu entnehmen ist, keine Antwort der Autorin erhalten.
Halten wir uns also an das, was Anke Engelke bisher zum Buch gesagt hat – zum Beispiel in ihrem Werbefilm. Dort erklärt sie (ab 0.30 Min), ihre Neubearbeitung der Häschenschule vermittele jetzt Werte wie „Zugewandtheit, Diversität, Humor, Offenheit, Respekt“. Das Kinderbuch lässt allerdings genau diese Werte gegenüber Landwirten und Jägern vermissen. Der Autorin scheint entgangen zu sein, dass sie selbst in ihrem Werbeclip die schärfste Kritik am eigenen Kinderbuch formuliert hat.
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