Ein köstlicher Geruch nach frischen Brötchen liegt in der Luft. Holzstühle stehen an kleinen Tischen. Jemand trägt Kaffee in den Raum. Auf den ersten Blick wirkt alles wie in einer gewöhnlichen Bäckerei. Doch dann fällt der massive Mahlstein ins Auge, auf dem die Backwaren ruhen. Ein Schaubild eines Roggenkorns hängt an der Wand. Und schließlich fällt der Blick auf die gebogenen Lettern, die über dem Eingang des Cafés prangen: „Mühlen-Akademie“.
An einem der Holztische erwartet uns Elisabeth Vielhaber. Seit anderthalb Jahren gehört die 30-Jährige zur Geschäftsführung der „Mühlenbäckerei Vielhaber“ – zusammen mit ihrem Vater. Die dazugehörige Mühlen-Akademie gibt es seit acht Jahren.
Mühlengeschichte
Elisabeth Vielhaber wirkt tiefenentspannt und scheint sich an ihrem Arbeitsplatz mehr als wohl zu fühlen. Kein Wunder, die Sundernerin will Mühle und Bäckerei schon übernehmen seit sie sechs Jahre alt ist. „Zumindest behauptet das mein Vater“, lacht sie. Mit dem Eintritt in die Geschäftsführung übernimmt Elisabeth die Mühle in siebter Generation. Ihr Großvater mit viermal „Ur“, Konrad Vielhaber, übernahm sie im Jahr 1819 in Sundern – am selben Ort, wo die Mühle heute noch steht.
Seitdem hat sich einiges getan. So wie der Bau der Mühlen-Akademie, die in den Altbau-Komplex aus Mühle und Bäckerei integriert ist. Dort befindet sich, neben den anschaulichen Infotafeln, ein Holzofen, an dem freitags frisches Holzofenbrot gebacken wird. Ein angestellter Müller klärt Gäste bei Mühlenführungen über Getreide und Mahlwerk auf.
Auch Elisabeth Vielhaber kennt sich damit bestens aus. Neben ihren beiden Meisterbriefen hat sie auch noch einen BWL-Abschluss. „Das ist super hilfreich, weil ich in allen drei Bereichen mitreden kann“, erzählt Vielhaber. Auf die Frage, in welchem der Berufe sie am liebsten arbeitet, will sie keine klare Antwort geben. Müllerin, Bäckerin, Geschäftsführerin, alles gehöre zu ihrem Alltag dazu: „Ohne auch mal in der Mühle zu sein, könnte ich nicht, aber ich genieße auch den morgendlichen Gang durch die Backstube!“
Ein besonderer Ort
Vielhabers Mühle ist eine reine Roggenmühle. Etwa 600 Tonnen verarbeitet sie jedes Jahr – ausschließlich für ihre eigenen Bäckereifilialen – das sind immerhin 28 Läden. In Deutschland gibt es weniger als 200 Mühlen, erzählt Elisabeth, da ist ihre Familienmühle schon etwas Besonderes. Wenn die Mühle repariert werden muss, kann das auch mal zum Problem werden. Ersatzteile für 70 Jahre alte Gerätschaften zu bekommen, ist äußerst schwierig. So stand die Mühle 2019 kurz vor dem Event zum Generationswechsel acht Wochen lang still, bis passende Ersatzteile und Handwerker gefunden waren.
„Ob sich die Mühle streng wirtschaftlich gesehen rechnet, ist für uns nicht das ausschlaggebende Argument“, betont die junge Geschäftsführerin. „Die Mühle ist ein außergewöhnlicher Ort, den wir auch in Zukunft noch viel mehr nutzen wollen.“ Im Unterschied zu einer Weizenmühle hat Vielhabers Roggenmühle einen Maschinenaufbau mit weniger Einzelteilen und Produktionsschritten.
Roggen aus der Region
Von den Plansichtern geht ein lautes Rumpeln und Dröhnen aus. Sie trennen mithilfe großer Siebe Mehl und Schalenteile. Mehlstaub liegt in der Luft. Die kreisenden Bewegungen der Sichter wirbeln ihn auf. Quer durch die Mühle sind verblichene Gurte über Eisenräder gespannt, die Maschinen und Geräte antreiben.
Familie Vielhaber hat nie daran gedacht, die Mühle aufzugeben. Sie ist ein Alleinstellungsmerkmal und bietet ihnen die Chance, Roggen regional zu beziehen, erzählt Elisabeth Vielhaber. Derzeit liegen ihre Getreidepartner im Umkreis von 45 km Entfernung. Dabei sind Genossenschaften und einzelne Höfe ihre Zulieferer.
Für Landwirte hat Roggen den Vorteil, dass es auch auf mittleren bis schlechten Bodenqualitäten wächst. Die Müllermeisterin berichtet: „Letztes Jahr sind zwei Schweinebauern hinzugekommen, die ihre Viehhaltung eingestellt hatten.“ Ihre Felder, die sie bis dato für Futtermittelanbau genutzt hatten, sind nun Roggenfelder.
Nach der Ernte fahren Vielhabers zum Hof der Bauern und prüfen, wie sauber das Getreide gelagert wurde und wie viel Mutterkorn es enthält. Dann führen sie einige stichprobenartige Qualitätsproben durch. Ist zum Beispiel der Anteil des Mutterkorns zu hoch, nehmen Vielhabers den Roggen nicht ab. Erfüllt das Korn die Kriterien, wird das Getreide von den Bauern selbst oder gegen ein Entgelt von einer Genossenschaft zur Mühle transportiert. Der Verkaufspreis für den Roggen bemisst sich an dem aktuellen Börsenkurs. Dazu gibt es einen festen Zuschlag.
Vom Korn zum Mehl
In der Mühle angekommen wird das Getreide in verschiedenen Vorgängen getrennt und gesäubert: Luftdruck, Gewicht und Rotationsbewegungen helfen dabei, zu große, kleine, schwere, leichte oder unförmige Stücke auszusortieren. Danach beginnt der Mahlprozess: Fünf Doppelwalzenstühle zerkleinern das Korn, wobei dieses nach jedem Durchgang mithilfe des Elevators (engl. Aufzug) immer wieder in die Dachstube der Mühle transportiert wird. Zehn Mal muss das Korn den Mahlvorgang durchlaufen, bis aus ihm Mehl entstanden ist. Vielhabers Mühle kann so pro Stunde eine Tonne Mehl herstellen.
Nach dem Mahlprozess kann endlich gebacken werden. Das macht die 30-Jährige zwar im Regelfall nicht mehr selbst, doch wenn es hart auf hart kommt, steht sie bereit. So auch im vergangenen Jahr als Corona-bedingt neun Bäcker ausfielen. „Ich konnte die Mitarbeiter in der Backstube nochmal ganz anders kennenlernen“, erzählt sie. Im Normalfall besteht ihr Tag allerdings zum Großteil aus Arbeit im Büro. Für die Müllerei bleiben dann maximal ein bis zwei Stunden übrig. Die genießt sie aber ganz besonders. Elisabeth Vielhaber lächelt: „Die Mühle ist Teil unserer Familie und Teil meiner DNA.“
Frisch gebackene Azubis
„Muss man da nicht voll früh aufstehen?“ So oder so ähnlich reagieren viele junge Menschen, wenn über die Ausbildung zum Bäcker oder zum Fachverkäufer gesprochen wird. Die Zahl der Auszubildenden geht seit Jahren zurück, auch im Sauerland. Die Berufsschule in Olsberg befürchtete schon, keine Klassen mehr zusammenzubekommen. Für die Bäckereien im Hochsauerlandkreis würde dies das Nachwuchsproblem weiter verstärken. Bei einer Vorstandssitzung der Bäcker-Innung schloss sich deshalb eine Arbeitsgruppe zusammen. Vier Bäckereien schufen mithilfe einer Agentur die Imagekampagne „Frisch gebackene Azubis“.
Das Budget stammt dabei aus Geldern der Innung und wird zusätzlich mit 30.000 € vom Land NRW bezuschusst. Vier aussagekräftige Bildmotive machen auf die guten Seiten des Bäckerhandwerks aufmerksam. Im Fokus steht dabei auch das Thema „früh aufstehen“. 13 Bäckerei-Inhaber aus der Innung haben sich an der Kampagne beteiligt. Sie stellen die Motive in ihren Filialen aus. Darüber hinaus wurden 600.000 Brötchentüten mit den Bildern bedruckt und Banner in Schulen und an Brücken ausgehängt. Selbst eine eigene Internetseite und Social-Media-Kanäle gehören zur Kampagne. Und auch die Auszubildenden profitieren vom Projekt: Sie bekommen jeden Monat 150€ Bonus zu ihrem Gehalt. Außerdem können sie einmal im Quartal an Eventtagen teilnehmen.
Ein Fazit kann Elisa Kruse, Projektleiterin seitens der Kreishandwerkerschaft Hochsauerland, noch nicht ziehen. Einige Auszubildende und Praktikanten sind seit Beginn der Kampagne hinzugekommen. „Ein Hauptaugenmerk liegt jetzt auf Social Media“, sagt sie. Für eine Imageverbesserung braucht es viel Zeit und Arbeit: „Wir machen weiter!“, sagt Kruse bestimmt.
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