Ein seltsames Gebilde schwimmt da auf der Weser in Minden. Besucher kommen über einen Steg an Bord wie bei einem Hausboot. Innen die Überraschung: Statt wohnlicher Möbel präsentiert sich eine Szenerie von drehenden Zahnrädern und Wellen, es knarrt und knarzt und draußen plitscht und platscht es vor sich hin. Auf der Seite zum Fluss schließt sich eine Plattform an und von dort ist die Aussicht grandios: Ein Wasserrad in Bewegung, 5 m breit, 4,50 m im Durchmesser mit zwölf Prallbrettern daran, dreht sich, von der Strömung der Weser angetrieben.
Ein Dachdecker als Müller
„Willkommen auf der Schiffmühle“, sagt Gerwin Schukies (63), der freiwillige Schiffmüller. Der gelernte Dachdecker im Ruhestand hat heute Dienst und kennt sich mit der eigenartigen Konstruktion aus.
Den Besuchern zeigt er, wie die Kraft des Flusses über die Wasserradwelle mit drei Umdrehungen pro Minute ins Innere geleitet wird, wie ein zweistufiges Getriebe mit Kamm- und Korbrädern die Kraft ins Schnelle übersetzt und in die Senkrechte umlenkt. Dann dreht sich der Mahlstein mit seinen 800 kg Gewicht rund 100-mal pro Minute und zerkleinert die Getreidekörner. Eine Beutelkiste macht die Maschine komplett. Sie siebt das Mahlgut, bevor die Besucher es als Souvenir mit nach Hause nehmen können.
Exot auf dem Wasser
Eine Schiffmühle ist ein Exot auf dem Wasser. So etwas gibt es deutschlandweit nur in Minden. Die Mühle entstand nach historischen Plänen auf der örtlichen Weserwerft, als Minden im Jahr 1998 seinen 1200. Geburtstag feierte. Nur die zwei Rümpfe sind aus Stahl statt aus Holz, damit sie länger halten.
Der Ort war kein Zufall, nennt sich die Gegend um Minden und Lübbecke doch „Mühlenkreis“. Seit Langem kümmern sich die Menschen mehr als anderswo um ihre Wind- und Wassermühlen. Eine Schiffmühle gehörte jahrhundertelang zum Mindener Alltag. Die früheste Nachricht von den schwimmenden Maschinen stammt aus dem Jahr 1326 und liegt im Stadtarchiv.
Von der Regel zur Rarität
Auf allen großen Flüssen des Landes waren Schiffmühlen einst gang und gäbe. Der technische Fortschritt machte sie schließlich überflüssig – 1907 stellte die letzte ihrer Art auf der Weser ihren Betrieb ein.
Heute erinnert die Mindener Schiffmühle an diese Zeit. Dabei ist sie eine Attraktion ersten Ranges geworden. Im Schnitt kommen täglich 50 bis 60 Gäste an Bord, auch aus den Niederlanden, Belgien oder Kanada. Viele sind auf dem beliebten Weserradweg unterwegs. In Kombination mit der angrenzenden Gastronomie ist der Standort wie geschaffen zum Pausemachen.
Wer noch ein Ziel sucht für die herbstliche Tour mit dem Fahrrad: Es liegt mitten in Minden auf der Weser.
Da geht’s lang
Standort: Schiffmühle Minden, Weserpromenade oberhalb der Glacisbrücke, gegenüber Parkplatz „Kanzlers Weide“, Tel. (05 71) 40 50 05 15.
Geöffnet: April bis Ende Oktober, dienstags bis sonntags und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Gruppen sind ganzjährig täglich nach Anmeldung bei Minden Marketing willkommen, Tel. (05 71) 8 29 06 59.
Spezial: Gruppen mit 10 bis 20 Personen können das „Schiffmüller-Diplom“ machen, Urkunde inklusive.
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