Daumenkino im Kloster

Kloster Gravenhorst bei Hörstel, Kreis Steinfurt, blickt auf eine bewegte Geschichte. Heute ist es Museum, Baudenkmal und „Atelier auf Zeit“ für Kunstprojekte, die mit dem Umland verknüpft sind.

Kloster Gravenhorst ist ein malerisch gelegenes Baudenkmal mit bewegter Geschichte. 1256 gegründet, war es 555 Jahre lang Zisterzienserinnenkloster, anschließend diente es als Landgut, Zuckerfabrik, Pilzplantage – und heute ist es ein Ort für hochkarätige zeitgenössische Kunst im ländlichen Raum. „DA Kunsthaus Kloster Gravenhorst“ lautet der Titel heute offiziell. Das Kürzel DA steht dabei für die Verbindung von Denkmal und Atelier. Alljährlich werden vier Künstler mit Stipendien ausgestattet, so dass sie dort für einige Monate leben und arbeiten können.

Austausch mit den Menschen nebenan

„Besonders wichtig ist, dass die Künstler nicht isoliert für sich arbeiten, sondern sich mit der Bevölkerung des Ortes und der weiteren Umgebung austauschen“, erzählt die Kunsthistorikerin Anne Behrend, die regelmäßig Besuchergruppen durch das ehemalige Kloster und seine umgestalteten Außenanlagen führt. Die Kunstprojekte finden also nicht in irgendeinem ästhetischen Wolkenkuckucksheim statt, sondern sind mit der Region verbunden sind – sprich: mit Kindergärten, Schulen, Altersheimen, Betrieben oder Vereinen.

Was bisher geschah
Kloster Gravenhorst wurde 1256 vom adligen Ehepaar Konrad von Brockerbeck und Amalgardis von Budde gestiftet. Sie holten fromme Frauen des Zisterzienser-Ordens ins Land. Zum Kloster gehörten Landbesitz, Fischteiche, eine Mühle sowie ein Back- und Brauhaus – diese Gebäude sind bis heute erhalten.
Genau 555 Jahre existierte dieser Ort der Frömmigkeit. Um 1800 wurde das Kloster von Staats wegen aufgehoben. Es wurde Fabrik, in dem einst die erste Dampfmaschine Westfalens wummerte. Später diente Gravenhorst als Zuckerrübenfabrik, als Jagdschloss, in der Nazi-Zeit als Lager für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, später als Unterkunft für Flüchtlinge und Vertriebene. Die feuchten Kellerräume boten seit den 1960er Jahren einen idealen Platz für eine Champignonzucht.
Ende der 1990er Jahre erwarb der Kreis Steinfurt das Kloster. Gebäude und Außenanlagen wurden ab 2004 im Zuge des NRW-Förderprogramms „Regionale links und rechts der Ems“ saniert. Str.

Die Künstlerin Leonore Poth beispielsweise, eine der vier aktuellen Stipendiaten, hat Schülerinnen und Schülerin einer Hauptschule in Hopsten gezeigt, wie man ein Daumenkino zeichnen kann. Die Kinder haben daraufhin eigene Daumenkinos gefertigt, in denen sie aus ihrem Leben erzählen. Ein Junge etwa hat seinen Traum gezeichnet, KFZ-Mechaniker zu werden – und lässt im Daumenkino die Hebebühne mit einem Auto munter hoch und runter schweben. Ein anderer zeichnet sein Tun als Ministrant in der Dorfkirche. Ein Flüchtlingskind aus Syrien, das erst seit einigen Monaten in Hopsten lebt, lässt düsteren Kriegserlebnisse lebendig werden. Leonore Poth hat die ausdrucksstarken Daumenkinos wiederum in einem Film umgesetzt, der zur Zeit im Kloster Gravenhorst gezeigt wird unter dem Titel: „Die Kinder von Hopsten“.

Rückblick auf zehn Jahre

Für Projekte dieser Art werden seit zehn Jahren Stipendien an Künstler vergeben. Aus Anlass des Jubiläums erinnert eine zusammenfassende Schau mit dem Titel „Full House“ noch einmal an Werke und Ideen von 46 Künstlerinnen und Künstlern, die bislang im Kloster und seinem Umland tätig waren. Wer die Ausstellung sehen will, muss sich sputen. Sie ist nur noch bis einschließlich Sonntag, 24. September, zu sehen. Beschlossen wird sie an diesem Tag mit einem Fest, bei dem es ab 17 Uhr neben Ansprachen und einer Talkrunde Führungen, Kunstaktionen und gegen 21 Uhr Lichtprojektionen im Innenhof des Klosters gibt.

Bis zum Jahresende gibt es eine Reihe weiterer Aktionen und Ausstellungen. Vom 9. Oktober an werden die Arbeiten der aktuellen Stipendiaten gezeigt und die Künstler des kommenden Jahres und ihre Ideen vorgestellt.

Tipps für Besucher

Das DA Kunsthaus Kloster Gravenhorst, Klosterstraße 10 in Hörstel, Kreis Steinfurt, ist dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr geöffnet, sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Die Kunstwerke im Außengelände sowie die Parkanlagen rund um das Kloster sind jederzeit frei zugänglich. Führungen sind empfehlenswert und können vereinbart werden unter Tel. (0 54 59) 9 14 60.

www.da-kunsthaus.de


Text und Foto: Gisbert Strotdrees. – Die Aufnahme zeigt das Kloster Gravenhorst von Südwesten.