"Man muss immer wieder Abschied nehmen. Von gut Sichtbarem und von ehemals Hilfreichem“, sagt Ingrid Hams. Die 67-Jährige leidet an einer feuchten altersbedingten Makula-Degeneration (AMD). Bei dieser Erkrankung verschlechtert sich der Stoffwechsel der zentralen Sehzellen. Betroffene sehen gerade Linien plötzlich wellig.
{{::tip::standard::Es gibt verschiedene Fördermittel für den Nachteilsausgleich bei Erblindung und Sehbehinderung. In NRW zahlen die Landschaftsverbände bei anerkannter Erblindung Blindengeld aus. Es dient beispielsweise für die Anschaffung von Hilfsmitteln. Bei Erblindung durch einen Arbeitsunfall sorgen beispielsweise Berufsgenossenschaften für Unterstützung. Die Agentur für Arbeit hilft bei der Aus- und Weiterbildung und bei der beruflichen Integration.::}}
Die AMD ist die Ursache für jeden zweiten Fall von Erblindung in Deutschland. Weitere wichtige Gründe sind die Beschädigung des Sehnervs durch den Grünen Star (Glaukom) und diabetische Augenerkrankungen. Eine Statistik, die die Gesamtzahl der Blinden und Sehbehinderten Menschen in Deutschland erfasst, gibt es nicht. Im Kreis Coesfeld gibt es schätzungsweise 330 gesetzlich Blinde. Ingrid und Burkhard Hams sind zwei von ihnen.
Bei Ingrid Hams schritt die Erkrankung voran. Als sie 55 Jahre alt war, fiel ihr außerdem die Trübung ihrer natürlichen Augenlinsen auf. Dieser Graue Star (Katarakt) konnte durch das Einsetzen künstlicher Linsen behoben werden. Doch trotz wiederholter Behandlung nahm ihr die AMD nach und nach die Sehkraft. Je nach Tagesform bleiben ihr derzeit nur noch zwei bis fünf Prozent Sehschärfe.
Gesetzlich blind ist, wer über eine Sehschärfe von höchstens zwei Prozent verfügt oder unter einer Einschränkung des Gesichtsfeldes von fünf Grad oder weniger leidet. Auch bestimmte Gesichtsfeldeinengungen plus geringe Sehschärfe gelten als Blindheit. Eine Erblindung oder Sehbehinderung muss zunächst über ein Gutachten des Augenarztes und durch einen Amtsarzt nachgewiesen werden. Beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe finden sich entsprechende Infos und Formulare.
Ihr Ehemann Burkhard Hams ist durch die recht seltene, genetisch bedingte und fortschreitende Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa mit 40 Jahren komplett erblindet. Bereits in der Kindheit trug er eine starke Brille und hatte Probleme beim nächtlichen Sehen.
{{::tip::standard::Informationen zu Retinitis pigmentosa und anderen Netzhauterkrankungen gibt Pro Retina Deutschland unter www.pro-retina.de. Hilfreich sind auch Angebote der Westdeutschen Blindenhörbücherei unter www.wbh-online.de::}}
20 Jahre lang war er in der Studienberatung der Universität Münster tätig. Beim Einstieg in diesen Beruf half ihm eine Umschulung der Rentenversicherung. Hier wurden ihm Hilfsmittel für die Büroarbeit mit Sehbehinderung vorgestellt. Für Arbeitgeber, die Sehbehinderte oder Blinde anstellen wollen, ist wichtig anzumerken, dass Hilfsmittel und Umschulungen teils von verschiedenen Kostenträgern getragen werden, unter anderem dem Arbeitsamt und der Rentenversicherung.
Je nach Grad der Sehbehinderung stehen Betroffenen verschiedenste technische Hilfsmittel zur Verfügung.
- Für die optische Vergrößerung gibt es Brillen, Ferngläser und Lupen. Auch elektronische Bildschirmlesegeräte – stationär oder mobil – sind für die Lektüre sehr hilfreich. Sie scannen Lesematerial, geben es vergrößert und besser lesbar wieder. Manche Geräte lesen gescannte Dokumente absatzweise vor.
- Das Braille-Alphabet versetzt Blinden in die Lage, darin verfasste Bücher und andere Dokumente mit den Händen zu lesen. Elektro-mechanische Braille-Zeilen ermöglichen dies für Texte vom Computer oder Smartphone mit entsprechender Software.
- Diverse Apps dienen der Umwandlung geschriebener Texte in Sprache. Sie lesen beispielsweise über die Handy-Kamera aufgenommene Klingelschilder vor oder geben beim Kleiderkauf Farben hörbar wieder.
- Gängige Sprachassistenten bieten weitere alltägliche Erleichterungen. Der DAISY-Standard für Hörbücher und Audio-Zeitschriften ermöglicht eine blindengerechte Nutzung von Audio-Medien, zum Beispiel einen absatzgenauen Zugriff.
- Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender geben die hörbaren Beschreibungen der sichtbaren Handlung und Umwelt in Filmen und Dokumentationen (Audio-Deskription) auf einem zuschaltbaren Kanal wieder.
- Sowohl für die bauliche Umwelt, als auch für Internetseiten oder Digitalversionen gedruckter Medien gibt es Standards der Barrierefreiheit. Der DBSV bietet eine beispielhaft barrierefrei aufgebaute Internetseite und Informationen zur Barrierefreiheit für Architekten, Städte-bauer und Medienschaffende www.dbsv.org/broschueren.html#barrierefreiheit.
{{::tip::standard::Berater von "Blickpunkt Auge" bieten qualitätsgesicherte Beratung an, vermitteln Kontakte zu Ärzten, spezialisierten Optikern und Anwälten, Sozialverbänden sowie Behörden. Weiteres unter www.wochenblatt.com/beratungsstellen.::}}
Trotz vieler Abschiede und Einschränkungen sind Ingrid und Burkhard sehr aktiv. Sie hat über den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) zwei Lehrgänge zur Blinden-/ Sehbehindertenberaterin absolviert und berät nun Blinde und Sehbehinderte für die Organisation „Blickpunkt Auge“ im Bereich Coesfeld und Ahaus. Auch ihr Mann bildet sich gerade dafür weiter.
Den Beitrag können Sie nachlesen auf den Gesundheitsseiten im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben vom 20. August Folge 34/2020.
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