Krebs kittet oder sprengt Beziehungen

"Der Tumor ist bösartig. Sie haben Krebs.“ Die Diagnose trifft die Patientin wie ein Schlag ins Gesicht. Nach dem ersten Schock machen sich Ängste breit – und die Frage: Wird mein Partner mich unterstützen?

"Der Tumor ist bösartig. Sie haben Krebs.“ Die Diagnose trifft die Patientin wie ein Schlag ins Gesicht. Nach dem ersten Schock machen sich Ängste breit. Werde ich die Erkrankung überleben? Wenn ja, für wie lange und unter welchen Voraussetzungen? Wird mein Partner mich unterstützen?

Die Unsicherheit stürzt die Patientin in eine schwere Lebenskrise. Ihrem Mann gegenüber spielt sie die toughe Ehefrau, die diese Herausforderung auch noch meistert. Ihn will sie schonen. Dabei würde sie sich gerne mit ihrem Mann austauschen. Er reagiert zunehmend zurückhaltend, fragt kaum nach und „funktioniert“. So bleiben beidseitige Belastungen unausgesprochen. Es kommt zu wechselseitigen Fehleinschätzungen, beide sind in der Situation überfordert.

Trennung oder Kraftquelle

„Nicht selten stellt die Erkrankung eine Zerreißprobe für die Partnerschaft dar“, erklärte Diplom-Psychologe Martin Wickert, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante psychosoziale Krebsberatung e.V. (BAK), auf der diesjährigen Jahrestagung in Münster. Rund 50 Mitarbeiter aus Krebsberatungsstellen informierten sich während der zweitägigen Veranstaltung zum Thema „Krebs und Partnerschaft – Beziehungskitt oder Sprengstoff“.

„In vielen Fällen kann eine Krebserkrankung zu einer engeren Verbindung führen; manchmal leider auch zur Trennung, wenn die Beziehungsstrukturen nicht tragfähig genug sind“, erklärte Gudrun Bruns, Leiterin der Krebsberatungsstelle Münster.

Was Beziehung kittet

Neben körperlichen Auswirkungen bringt der Krebs eine Vielzahl psychosozialer Belastungen mit sich. Nicht nur der Tumorpatient selbst leidet. Häufig fühlen sich Angehörige ebenso oder sogar stärker belastet als die kranken Partner. Viele Betroffene benötigen in dieser Situation professionelle Hilfe.

Was sind...?
Krebsberatungsstellen unterstützen kostenlos, vertraulich, zeitnah und unabhängig Tumorpatienten und ihre Angehörigen in psychosozialer und sozialrechtlicher Hinsicht. Sie leisten emotionale Unterstützung, geben aber auch Hilfestellung, wenn die Erkrankung belastende Auswirkungen auf Partnerschaft, Familie oder den Freundeskreis hat. Sie kümmern sich um medizinische und berufliche Rehabilitation und finanzielle Hilfen.

Nähere Informationen zu Krebsberatungsstellen finden Sie auf folgenden Internetseiten:
www.krebsinformationsdienst.de
www.krebshilfe.de
www.krebsberatung-muenster.de

„Es ist für die Gesundheit und Lebenszufriedenheit gut, wenn eine befriedigende Paarbeziehung vorhanden ist“, erklärte Referentin Hanna Bohnenkamp, Diplom-Psychologin und Psychoonkologin aus Frankfurt. Partnerschaften hätten eine Art Schutzfunktion, die sich positiv auf einen Krankheitsverlauf auswirke. Häufig rücke ein Paar angesichts der Bedrohung Krebs näher zusammen. Ob dies dem Paar tatsächlich gelingt, hänge von verschiedenen Faktoren ab.

Paare, die die Erkrankung zu einer gemeinsamen Angelegenheit machten und den Umgang mit ihr zu einer gemeinsamen Aufgabe, brächten oft gute Voraussetzungen für eine positive Veränderung in der Paarbeziehung mit.

Hilfreich seien auch bereits positive Erfahrungen im erfolgreichen Umgang mit früheren familiären Krisen. Was zu einer stabilen Paarbeziehung ferner beitrage und welche Faktoren eine Partnerschaft zusätzlich belasten, darüber lesen Sie mehr in der Wochenblattfolge 40/2013 auf Seite 89.

Fazit

Die Frage, ob eine Krebserkrankung eine Beziehungskrise oder eher eine Entwicklungschance darstellt, beantwortete Hanna Bohnenkamp mit einem eindeutigen „beides“. „Gute Beziehungen werden besser, schlechte Beziehungen werden schlechter.“ LHo


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