Krampf oder nur Zuckungen

Ein epileptischer Anfall wirkt stets bedrohlich. Wichtig aber: Der Anfall führt nicht zu Hirnschäden und hört in aller Regel von selbst wieder auf.

Laurenz ist schlecht zurecht. Er trinkt wenig, seine Nase sitzt zu und er fiebert.

Als seine Mutter ihn nach dem Mittagsschlaf füttern möchte, liegt der Einjährige bewusstlos in seinem Bettchen und zuckt am ganzen Körper. Laurenz hat einen Fieberkrampf. Als der Notarzt eintrifft, ist der Krampf­anfall vorbei und tritt auch innerhalb des Tages nicht wieder auf.

Fieberkrämpfe sind epileptische Anfälle, die meist im Alter von drei Monaten bis fünf Jahren vorkommen. In diesem Alter reagiert das Gehirn bei entsprechender Veranlagung auf rasche Temperaturanstiege zum Beispiel bei einem viralen Infekt oder nach einer Lebendimpfung mit einem Krampfanfall. Meistens handelt es sich um sogenannte einfache Fieberkrämpfe, bei denen das Kind nur für wenige Minuten das Bewusstsein verliert und am ganzen Körper Muskelzuckungen zeigt. Nur in 3 bis 4 % der Fälle gehen sie in eine Epilepsie über.

Fieberkrämpfe abklären

Trotzdem ist bei einem erstmalig auftretenden Fieberkrampf eine genaue Diagnostik notwendig. So lassen sich schwerwiegende Erkrankungen als Auslöser ausschließen.

Ursache für epileptische Anfälle können angeborene oder erworbene Hirnschäden sein. Erworbene Hirnschäden treten als Folge von Stoffwechselerkrankungen, Verletzungen, Entzündungen, Tumoren oder Schlaganfällen auf. Frühgeborene haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufgrund der Unreife des Gehirns, die zu Durchblutungsstörungen oder auch Hirnblutungen führen kann.

Krampfanfälle in den ersten 48 Lebensstunden bei Neugeborenen haben vielschichtige Ursachen und sind sehr häufig durch Sauerstoffmangel vor oder während der Geburt verursacht.

Die Epilepsie kann örtlich begrenzt sein (fokal) oder das gesamte Gehirn betreffen (generalisiert). Je nachdem, welche und wie viele Hirnregionen betroffen sind, kann ein epileptischer Anfall sehr dezente Symptome verursachen oder dramatisch verlaufen im Sinne eines sogenannten großen Anfalls (Grand mal) mit Bewusstlosigkeit, gestörter Atmung und Muskelzuckungen am ganzen Körper.

Wann Epilepsie vorliegt

Epilepsie beschreibt Erkrankungen des Gehirns, die sich in Form von Krampfanfällen äußern. In Deutschland sind etwa 650 000 Menschen betroffen. Die meisten Erkrankungen beginnen bereits im Kindesalter. Dabei ist die Funktion der Nervenzellen des Gehirns chronisch gestört. Es kommt durch eine krankhaft vermehrte Erregungsbildung in Form von synchronen elektrischen Entladungen und einer fehlenden Begrenzung der Erregung zu Krämpfen. Weiterführende Informationen zum Thema Epilepsie sind unter den Websites der Deutschen Epilepsievereinigung oder der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie
e. V. zu erhalten.

Ein epileptischer Anfall kommt aus heiterem Himmel. Bei Säuglingen kann er sich durch Atempausen, Blinzeln, Augenzittern, Mund- und Schluckbewegungen oder rudernde Arm-Bein-Bewegungen darstellen. Eine Epilepsie liegt jedoch erst dann vor, wenn mindestens zwei Anfälle ohne erkennbare Auslöser aufgetreten sind. Einzelne epileptische Anfälle sind nicht gleichbedeutend mit der Diagnose Epilepsie.

Sogenannte Gelegenheitsanfälle sind unspezifische Reaktionen des Gehirns auf eine Fülle von schädlichen Einwirkungen. Die häufigsten Ursachen, die zum Auftreten eines epileptischen Anfalls führen können, sind Hirnhaut­entzündungen, Gehirnentzündungen, Vergiftungen, Schädel-Hirn-Trauma, Alkoholentzug, Sauerstoffmangel und rasch ansteigendes Fieber im Kleinkindalter.

Kinder mit einer familiären Veranlagung für Fieberkrämpfe oder auch Kinder nach einem Fieberkrampf sollten wie alle anderen Kinder geimpft werden. Auch so sollten sie großzügiger fiebersenkende Mittel wie Paracetamol oder Ibuprofen erhalten. Dauert ein Fieberkrampf länger als fünf Minuten, können Eltern Diazepam als Notfallmedikament verabreichen. Das Medikament wird als Zäpfchen oder mit einem Klistier in den Enddarm gegeben und kann den Anfall unterbrechen.

Leicht asymmetrische Muskelzuckungen bei Säuglingen gehören nicht zu den epileptischen Anfällen. Sie treten meist im ersten Lebensjahr im Wachzustand auf. Von einem echten Krampfanfall lassen sie sich unterscheiden, indem man die Muskelzuckungen durch Festhalten des Ärmchens oder Beins unterdrücken kann. Dies ist bei einem echten epileptischen Anfall nicht möglich.

Was tun beim Krampfanfall

Bei einem epileptischen Anfall steht der Schutz des Kindes im Vordergrund. Gefährliche Gegenstände müssen aus dem Umkreis entfernt oder das Kind aus einer für ihn bedrohlichen Situation gerettet werden, wie beispielsweise aus der Badewanne oder aus dem Straßenverkehr.

Danach sollte das Kind gut beobachtet und das Eintreffen des Notarztes abgewartet werden. Auf keinen Fall darf man es gewaltsam festhalten oder versuchen, ihm Gegenstände in den Mund einzuführen, um einen Zungenbiss zu verhindern. Das Freihalten der Atemwege hat höchste Priorität. Ist der Anfall vorbei, bringt man das Kind in die stabile Seitenlage und redet ihm beruhigend zu.

Leben mit Epilepsie

In 80 % der Fälle lässt sich die Epilepsie langfristig medikamentös mit Antiepileptika kontrollieren. Die Auswahl des Medikamentes richtet sich nach der Form der Epilepsie und berücksichtigt Häufigkeit und Art der Anfälle sowie Begleiterkrankungen und Verträglichkeiten. Bleibt das Kind über mehr als zwei Jahre anfallsfrei, kann der behandelnde Arzt das Medikament reduzieren bzw. absetzen. In einzelnen Fällen hilft eine spezielle ketogene Diät oder eine chirurgische Therapie.

Anfallsfreie Menschen mit Epilepsie haben nur wenige berufliche Einschränkungen. Nicht zu empfehlen sind Schicht- und Nachtdienst, Berufe mit Absturzgefahr oder Berufe, für die zwingend ein Führerschein erforderlich ist. Solange das Risiko für wiederholte Anfälle besteht, ist das Führen eines Kfz nicht erlaubt. Nach einem einmaligen Anfall ist eine Zeit von mindestens sechs Monaten zu warten. Bei der Diagnose Epilepsie muss der junge Patient mindestens ein Jahr lang anfallsfrei sein, ehe eine Fahrtauglichkeit ärztlicherseits bescheinigt werden kann.