Der ganze Körper schwingt mit

Manch körperliches, geistiges und soziales Defizit lässt sich auf dem Rücken eines Pferdes austragen. Beim Therapeutischen Reiten werden nicht nur Rumpfkontrolle und Gleichgewicht geschult.

Das größte Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde – vor allem junge Mädchen lassen sich für diese Vierbeiner begeistern.

Dabei haben Pferde Qualitäten, die dem Menschen mehr bieten als sportlichen Zeitvertreib. In der Physiotherapie, Psychologie und Pädagogik werden Pferde gezielt als Medium eingesetzt. Hier dienen sie zum einen als „lebendes Übungsgerät“, zum anderen auch als „Vermittler“ zwischen Mensch, Gruppe und Therapeuten.

Beim Therapeutischen Reiten geht es vorrangig darum, die körperliche, soziale und geistige Entwicklung zu fördern bzw. Beschwerden zu heilen. Je nach Behandlungsart und Therapieziel werden unter dem Begriff Therapeutisches Reiten drei Arbeitsbereiche unterschieden:

  • Hippotherapie,
  • Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren sowie
  • Behindertenreiten und -voltigieren.

Hippotherapie gibt Impulse

Die Hippotherapie wird von Physiotherapeuten durchgeführt, die eine spezielle Zusatzausbildung absolviert haben. Auch das Therapiepferd muss bestimmte Voraussetzungen mitbringen. Es wird von einem Pferdeführer am Langzügel in der Gangart „Schritt“ geführt. Der auf dem Pferd sitzende Patient reagiert auf die dreidimensionalen Schwingungen des Pferderückens. Diese Schwingungen lösen reaktiv eine Rotation, Seitneige, Streck- und Beugebewegung in der Wirbelsäule und im Becken des Reiters aus, wie sie ebenfalls beim normalen menschlichen Gang im Rumpf auftreten würden.

Durch die Übertragung der Bewegung des Pferdes auf den Menschen normalisiert sich der Muskeltonus des Reiters. Zudem werden Rumpf- und Kopfkontrolle und das Gleichgewicht geschult. Die Hippotherapie kann in jedem Alter eingesetzt werden. Vor allem Menschen, die aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen nicht gehen können oder eine schlechte Rumpfstabilität haben, profitieren davon. Dazu zählen beispielsweise Menschen mit Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Schlaganfall, offenem Rücken (Spina bifida) oder bestimmten genetischen Syndromen. Aber auch bei Patienten mit orthopädischen, gynäkologischen oder internistischen Krankheitsbildern, die zu Bewegungsstörungen führen, kann eine Hippotherapie ergänzend angewandt werden.

Weitere Infos
Therapeuten lassen sich bundesweit finden über das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten e. V., Freiherr-
von-Langen-Straße 8 a, 48231 Warendorf, Tel. (0 25 81) 92 79 19-0.
www.DKThR.de

Leider darf die Therapie nicht bei allen Menschen durchgeführt werden. Patienten mit einer medikamentös unzureichend eingestellten Epilepsie, schlechter Kopfkontrolle, Hüftarthrose, Thrombosen oder Pferdehaarallergien könnten für diese Therapieform ungeeignet sein. Letztendlich entscheiden Arzt und Therapeut, welcher Patient von der Hippotherapie profitieren kann. Der zeitliche Umfang einer Therapieeinheit beläuft sich auf 20 bis 30 Minuten. Leider wird sie von gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht gezahlt. Es lohnt sich aber, beim Versicherer nachzufragen.

Heilpädagogisches Reiten

Beim Heilpädagogischen Reiten oder Voltigieren nutzt man das Medium Pferd für verhaltensauffällige und intelligenzgeminderte Menschen. Vor allem Kinder ab etwa vier Jahren und Jugendliche nehmen an dieser Maßnahme teil. Pädagogen und Psychologen begleiten diese Maßnahme.

Der Umgang mit dem Tier soll den Menschen ganzheitlich und individuell fördern. Sozial und psychisch auffällige Menschen lernen durch den Umgang mit dem Pferd, Verantwortung zu tragen. Beim Reiten oder Voltigieren müssen Regeln eingehalten werden. Das Tier wird von den Teilnehmern liebevoll vor- und nachbereitet. Durch den Erfolg beim Reiten oder Voltigieren werden die Teilnehmer in ihrer Persönlichkeit gestärkt. Sie bekommen mehr Vertrauen in sich selbst und natürlich auch in das Tier.

Der Kontakt mit anderen in der Reit- bzw. Voltigiergruppe fördert das Sozialverhalten. Die sensiblen, motorischen, psychischen und sozio-emotionalen Fähigkeiten werden geschult. Durch das Pferd getragen oder bewegt zu werden, sind die Schlüsselerlebnisse für die Patienten. Vor Beginn einer heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd ist eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen. Denn bei bestimmten Krankheitsbildern kann die Therapie gar nicht oder nur in Zusammenarbeit mit ärztlichen oder psychologischen Fachkräften durchgeführt werden.

Reiten mit Behinderung

Das Behindertenreiten oder -voltigieren zählt in erster Linie nicht zu den Therapien mit dem Pferd, sondern zum Sport. Es wird von speziell ausgebildeten Reitlehrern angeboten. Für Menschen mit einem Handicap bedeutet Sport zu betreiben, an der Normalität des Lebens teilzunehmen.
Das Pferd bietet vor allem für Rollstuhlfahrer eine tolle Gelegenheit, sich mit Unterstützung des Tieres eigenständig fortzubewegen. Dabei können alle drei Gangarten des Huftieres genutzt werden. Die Pferde sind speziell geschult, ruhig und zuverlässig. Das Reiten ist somit eine Sportart, die Fußgänger und Rollstuhlfahrer gleichermaßen ausüben können. Das fördert die Teilhabe und das Selbstbewusstsein eines Menschen mit Handicap. Svenja Roher

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der Wocheblatt-Ausgabe 47.