Das war ein großer Schritt mit 15“, blickt Carolin Wielage aus Voltlage im Landkreis Osnabrück auf ihr Austauschjahr in Skandinavien zurück. Bevor sie sich dafür entschied, hatte sie ein etwas mulmiges Gefühl, aber jetzt ist die 20-Jährige froh, es gewagt zu haben. Denn während der Zeit hat sie viel gelernt und tolle Freundschaften aufgebaut – in Norwegen und zu Austauschschülern aus aller Welt.
Carolins Eltern, die einen Ackerbaubetrieb mit Biogasanlage in Voltlage bewirtschaften, hatten in den vergangenen Jahren bereits fünf Gastschüler. Sie unterstützten die Idee, dass auch ihre Tochter die Chance nutzen und so Auslandserfahrungen sammeln sollte.
„Die jungen Leute wachsen persönlich sehr daran und nehmen viel davon mit“, beobachtet Mutter Marita. Carolin informierte sich und bewarb sich bei zwei gemeinnützigen Anbietern für den Austausch. „Förderlich für die Zusage war, dass ich ehrenamtlich aktiv war, zum Beispiel im Büchereiteam“, weiß sie.
Chancen und Sorgen
Nach der neunten Klasse des Gymnasiums (G8) wechselte Carolin vor gut vier Jahren dann mit der Austauschorganisation Youth for Understanding (YFU) für ein Schuljahr nach Kristiansand in Südnorwegen, wo sie in einer Gastfamilie lebte und zur Schule ging. „Ich wurde wie ein eigenes Kind aufgenommen mit den normalen Rechten und Pflichten im Alltag. Die Familie hat viel mit mir unternommen, von etlichen Ausflügen bis zum Skifahren“, erzählt sie.
Wie die beiden Kinder der Familie auch half sie im Garten, kochte und putzte. Der Schultag war dort länger als hierzulande. Weil sie kein Wort Norwegisch sprach, verständigte sie sich in den ersten Monaten auf Englisch. Bis sie die Sprache gut beherrschte, dauerte es.
„Das Jahr war toll, aber es kam mir vor wie eine Achterbahnfahrt und nicht alles lief immer wie in meinen Vorstellungen“, erinnert Carolin sich auch an schwierige Momente. „Die erste Zeit fand ich anstrengend, weil ich oft nichts verstand und es schwer fiel, Kontakte zu knüpfen. Ich war müde und zeitweise fühlte ich mich einsam.“ Volleyball und andere Hobbys halfen ihr, sich abzulenken und Leute kennenzulernen.
Eine gute Sicherheit für sie: Ansprechpartner der Organisation helfen Gastschülern vor Ort bei Problemen. Dass die im Alltag auftreten ist normal. Sie regelten auch Carolins Wechsel nach drei Monaten in eine andere Gastfamilie reibungslos und zügig. Zwar hatte die 15-Jährige sich in der Familie mit den zwei Kindern wohlgefühlt, doch familiäre Probleme erschwerten den Aufenthalt.
Nicht alles wie vorher
Zurück in Deutschland setzte Carolin ihre Schulzeit in der Jahrgangsstufe EF fort, also in der Stufe unter ihr. Das war gut, denn sie brauchte Zeit, sich einzuleben. „Nach so einem Jahr ist nicht alles wie vorher, auch zu Hause nicht“, stellte sie fest.
Die Zeit in Norwegen hat ihr viel gebracht. So war sie vor dem Aufenthalt in der Schule eher schüchtern. Im Anschluss fiel es ihr viel leichter, sich im Unterricht zu melden, schulisch hat sie sich verbessert. Neben Deutsch, fließendem Englisch, Schulfranzösisch und -spanisch spricht sie mit Norwegisch nun fünf Sprachen.
Derzeit ist die 20-Jährige als Städtebotschafterin für die Stadt Osnabrück in Frankreich tätig. Sie genießt das Leben dort – und profitiert dabei auch sehr von ihren Erfahrungen in Norwegen.
Große Umstellung
Joost Wielage zieht es nicht so sehr in andere Länder wie seine Schwester Carolin. Etwas Auslandsluft aber hat auch er geschnuppert: Der 16-Jährige war im Sommer drei Monate über das Brigitte Sauzay-Austauschprogramm, an dem auch Carolin schon teilgenommen hat, in Frankreich. Bald verbringt sein Gastbruder Elouen drei Monate bei ihm in Voltlage.
Als die Lehrerin im Französischkurs nach Interessierten für den Austausch fragte, bewarb sich Joost. Zwei Monate später zog er für ein Vierteljahr zu seiner Gastfamilie nach Marignier im Osten Frankreichs nahe der Alpen. „Der Schultag dauerte bis 17 Uhr, daher waren wir meistens in der Schule“, berichtet er von seinem Alltag. „In der Freizeit kletterten wir dort oft an den riesigen Boulderwänden. Das war cool und neu für mich“, erzählt er. Ab und zu ging es mit einigen Jungs zum Schwimmen zum See.
„Meine Freunde konnten nicht verstehen, warum ich Deutschland verlassen wollte“, schildert Joost, dass Auslandsaufenthalte in seinem Bekanntenkreis kein Thema sind. Ihm hat die Zeit gut gefallen. „Ich fand es interessant, ein anderes Land so zu erleben. Aber es war auch eine große Umstellung, vor allem die fremden Gewohnheiten und das Essen.“ Das Vierteljahr und das nicht weit entfernte Nachbarland als Ziel waren für ihn genau passend.
Mit Rotary nach Kanada
Auch Rebecca Jansen aus Papenburg im Emsland wollte gern ein Jahr im Ausland zur Schule gehen. Als sie erfuhr, dass Rotary Clubs finanziell geförderte Austausche anbieten, wandte sie sich sofort an den örtlichen Club. Mit Erfolg! Mit 16 machte sie sich vor gut vier Jahren auf den Weg in die kleine Stadt Prince Rupert, die auf einer Insel in British Columbia im Westen Kanadas liegt. Dort lebte sie in Gastfamilien, besuchte die Highschool und spielte Basketball. Zu Sportwettbewerben und Seminaren ging es wegen der Entfernungen im Land oft mit dem Flieger.
Anders als bei anderen Anbietern wechseln die Teilnehmer beim Austausch über die Rotarier meist etwa zweimal die Familie. Rebecca lebte in einem Haushalt mit Kindern und bei einem Rentnerehepaar. „Sie haben mir viel gezeigt und erklärt“, ist sie dankbar. Wegen der abgelegenen Wohnlage verbrachte sie viel Zeit mit den Familien und kaum mit anderen Austauschschülern. Zum Glück stimmte die Chemie. Der Rotary Club betreute sie die ganze Zeit gut und förderte ihre Entwicklung.
Rebeccas Familie verpflichtete sich zudem, ebenso Gastschüler in dieser Zeit aufzunehmen. „Durch die Ausflüge mit ihnen haben auch meine Eltern viel erlebt, was sie positiv überrascht hat“, freut sich Rebecca. Pandemiebedingt musste sie Kanada drei Monate eher verlassen. Ihr Fazit trübt das nicht: „Auf mich allein gestellt zu sein war eine Herausforderung. Ich bin selbstbewusster geworden und habe gelernt, mit mir besser umzugehen.“
Großer Einsatz für die Finanzierung
„Was ich mir vornehme, ziehe ich durch“, betont die 20-jährige Clara Twehues. So auch bei ihrem Auslandsjahr in den USA! Zwischen Realschulabschluss und Wechsel aufs Gymnasium ging es für sie 2019 mit der gemeinnützigen Austauschorganisation AFS zu ihrer Gastfamilie nach Oregon nahe Kalifornien im Westen der USA. Sie besuchte die Highschool und trieb viel Sport wie Fußball und Schwimmen.
„Ich war immer schon offen und wollte unbedingt einmal etwas ganz anderes erleben“, beschreibt die dritte von vier Töchtern ihre Motivation. Ihren Eltern, die einen Milchviehbetrieb in Sassenberg im Kreis Warendorf bewirtschaften, gefiel der Gedanke anfangs nicht, dass ihre Tochter mit 16 ins Ausland wollte. Clara engagierte sich enorm, um den Wunsch umzusetzen und überzeugte die beiden.
Um das rund 12 000 € teure Programm und die circa 1500 € für außerschulische Aktivitäten zu finanzieren, nutzte sie viele Wege. Sie bewarb sich erfolgreich um Stipendien über mehrere Tausend Euros, etwa für ehrenamtliche Tätigkeiten, sprach bei einer Bank vor, verdiente sich durch Waffelverkauf einiges hinzu und bekam einen Zuschuss aus der Verwandtschaft. Den Rest übernahmen ihre Eltern.
Der Einsatz zahlte sich aus! Begeistert denkt Clara an Amerika zurück. Das Jahr hat sie verändert, sagt sie. „Es war herausfordernd und hart, so weit von der Familie weg zu sein und Freunde zu finden.“ Das hat sie selbstständiger gemacht. Ihre Gastschwester ist jetzt eine ihrer engsten Freundinnen. „Ich bin sehr politisch geworden und habe gelernt, mit anderen Meinungen anders umzugehen und zu diskutieren.“ Und: Die Reiselust hat die ehrenamtlich sehr engagierte Jura-Studentin gepackt.
Lesen Sie mehr: