Wochenblatt-Leserin Johanna B. in. N. fragt: Bei einer Treibjagd im lippischen Kalletal kam kürzlich dieses Wildkaninchen zur Strecke. Vom Körper her war es etwas kleiner und leichter als ein zweites, ebenfalls erlegtes Exemplar. Besonders auffällig waren jedoch die überlangen Schneidezähne im Unterkiefer. Tritt dieses Phänomen häufiger auf? Wie konnte sich das Kaninchen überhaupt ernähren?
Dr. Luisa Fischer, Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung (LANUV), Bonn, antwortet: Auf den Fotos kann man erkennen, dass die Schneidezähne im Unterkiefer des erlegten Kaninchens unverhältnismäßig lang sind. Natürlich ist die Bewertung solcher Veränderungen über Fotos nicht immer ganz einfach, aber mir kommt es zudem so vor, als ob der Oberkiefer des Kaninchens kürzer wäre als der Unterkiefer (dieser Eindruck kann aber auch an den zu langen, unteren Schneidezähnen liegen).
Tatsächlich habe ich solche Veränderungen bei einem Wildkaninchen noch nicht gesehen, jedoch schon ein paar Mal bei den nah verwandten Feldhasen.
Genetisch bedingt oder durch Verletzung
Diese Veränderungen können verschiedene Ursachen haben: Denkbar wäre zum einen, dass es sich um eine angeborene Fehlstellung der Kiefer handelt. Es könnte aber auch durch eine zurückliegende Schädelverletzung zu einer Verschiebung des Unterkiefers gekommen sein.
Abrieb fehlt
Das Problem ist, dass die Schneidezähne beim Wildkaninchen unentwegt wachsen und nur durch den Abrieb mit den jeweiligen „Gegenspielern“ ihre physiologische Länge beibehalten. Warum es bei dem vorliegenden Tier zu einem fehlenden Abrieb der unteren Schneidezähne kam, lässt sich so leider nicht mehr nachvollziehen.
Unterernährung
Die schwache körperliche Entwicklung deutet darauf hin, dass das Kaninchen nicht ausreichend, aber durch die übrigen Zähne zumindest so viel Nahrung aufnehmen konnte, dass es den Winter bisher überlebt hatte.
Es war gut, das Tier im Rahmen der Jagd zu entnehmen, da die Schneidezähne sicherlich weitergewachsen wären. Dies hätte wahrscheinlich auch noch zu Verletzungen und Entzündungen geführt, was mit Schmerzen für das Tier verbunden gewesen wäre.
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(Folge 1-2024)