Wochenblatt-Leser Gerhard P. fragt: Mein Neffe ist Anfang des Jahres verstorben. Sein Vermögen – einen Hof, ein Haus und Bargeld – hat er an zwei nicht mit ihm verwandte Personen durch ein Testament vermacht. Außerdem besaß er ein Auto und ein Motorrad. Die Fahrzeuge wurden nicht im Testament genannt. Habe ich als sein nächster Verwandter Anspruch auf die Fahrzeuge?
Hubertus Schmitte, Rechtsanwalt, WLV, antwortet: Bei der Auslegung von Testamenten ist der Wille des Erblassers zu erforschen. Was hat er gemeint? Nach § 2084 BGB gilt das Prinzip der Auslegung zugunsten der Wirksamkeit, das heißt, es soll im Zweifel diejenige Auslegung vorgezogen werden, bei welcher die letztwillige Verfügung Erfolg haben würde.
In Ihrem Fall hat der Erblasser in seinem Testament das wesentliche Vermögen aufgelistet, nämlich den Hof, das Haus und das Barvermögen. Demgegenüber hat er das Auto und das Motorrad nicht erwähnt, zwei Dinge, die im Verhältnis zu den anderen von untergeordneter Bedeutung sind. Sicherlich hat er darüber hinaus weitere Dinge nicht erwähnt, beispielsweise den Hausrat oder persönliche Schmuck- und Kunstgegenstände. Das ist normal, er hat also an die wesentlichen Dinge gedacht. § 2087 BGB gibt dazu eine Auslegungshilfe. Danach ist eine Verfügung des Erblassers als Erbeinsetzung anzusehen, wenn der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet hat. Aus dieser Regelung wird die Auslegungshilfe abgeleitet, dass wenn die testamentarischen Einzelzuweisungen von Gegenständen an eine oder mehrere Personen den Nachlass erschöpfen, davon ausgegangen werden muss, dass diese Verfügungen eine Erbeinsetzung enthalten. Danach ist es naheliegend, in Ihrem Fall die zwei Personen, denen Ihr Neffe Hof, Haus und Barvermögen zugewandt hat, als umfassende Miterben anzusehen. Somit haben diese beiden Personen auch das Auto und das Motorrad geerbt.
Verfügung des Erblassers
Allenfalls könnte man von einem Vermächtnis zu Ihren Gunsten ausgehen, wenn der Erblasser Sie ausdrücklich benannt hätte, dass Sie Auto und Motorrad erhalten. Das ist aber unterblieben. Wie also sollte man zu der Auslegung kommen, dass die Dinge, die der Erblasser nicht erwähnt hat, nach gesetzlicher Erbfolge an die Verwandten gehen sollen?
Wir betonen aber noch einmal, dass die Testamentsauslegung eine Frage des Einzelfalls ist und anhand des gesamten Inhalts der letztwilligen Verfügung und der Umstände des Einzelfalls erfolgt. Nach dem, was Sie geschildert haben, dass nämlich die zwei im Testament genannten Personen das ganz überwiegende Vermögen erhalten sollen, ist nach der Vorschrift des § 2087 BGB davon auszugehen, dass diese beiden Personen umfassend die Erben sind. In welchem Verhältnis dies zueinander steht (welche jeweilige Erbquote), wird man anhand des Wertes ermitteln müssen, der diesen Personen zugewandt wurde. Ansonsten wären dies zwei Miterben je zur Hälfte.
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(Folge 36-2023)