Wochenblatt-Leserin Hildegard H. fragt: Mein Vater (80, verwitwet) hat den Hof seit zwölf Jahren verpachtet. Mein Bruder will, dass Vater eine notarielle Generalvollmacht zu seinen Gunsten unterschreibt, die auch für Grundstücksübertragungen gelten soll. Kann mein Bruder dann den Hof auf seine Frau oder eines seiner Kinder überschreiben? Werden meine erbrechtlichen Ansprüche oder die Höfeordnung umgangen?
Hubertus Schmitte, Rechtsanwalt, WLV, antwortet: Übertragung auf Kinder?: Das ist in der Praxis durchaus möglich. Zu beachten ist zwar § 181 BGB. Nach dieser Vorschrift kann Ihr Bruder nicht als Vertreter des Vaters mit Personen Geschäfte tätigen, die er selbst vertritt. Das sind die Kinder, die von Ihrem Bruder als Vater gesetzlich vertreten werden. Jedoch wird in der Praxis oft vereinbart, dass dies nicht gelten soll, was rechtlich zulässig ist. Dann wäre eine Übertragung auf die Kinder möglich.
Übertragung auf Ehefrau?: Recht haben Sie, dass die Gefahr besteht, dass Ihr Bruder als Vertreter des Vaters Grundstücke auf seine Ehefrau überträgt.
Folge für die Erben?
Erbrechtliche Bestimmungen werden mit der Generalvollmacht nicht ausgehebelt. Sollte es sich bei den Flächen noch um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handeln, wäre eine Genehmigung des Landwirtschaftsgerichts einzuholen. Es würde sich dann die Frage stellen, ob die Ehefrau Ihres Bruders überhaupt wirtschaftsfähig ist. Doch selbst wenn die Übertragung stattfindet, steht Ihnen als Tochter Ihres Vaters ein Abfindungsanspruch zu. Dieser verjährt erst nach drei Jahren ab Kenntnis von der Hofübertragung.
Pflichtteilsergänzungsansprüche: Sollte die Hofeigenschaft erloschen sein, wofür vieles spricht, weil die Flächen seit mehr als zwölf Jahren verpachtet sind, so stehen Ihnen Pflichtteilsergänzungsansprüche zu, sobald Ihr Vater verstorben ist. Dabei richtet sich die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht nach dem Einheitswert, sondern nach dem Verkehrswert des Hofes. Zu beachten ist, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche abschmelzen: Für jedes volle Jahr, welches zwischen der unentgeltlichen Übertragung der Flächen und dem Tod Ihres Vaters liegt, schmilzt der Pflichtteilsergänzungsanspruch um 10 % ab. Nach zehn Jahren bestehen folglich Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht mehr. Dabei haben wir unterstellt, dass die Übertragung der Flächen von Ihrem Vater (vertreten durch Ihren Bruder) auf Ihre Schwägerin unentgeltlich erfolgt. Findet ein Verkauf statt, gelten diese Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht. Dann befindet sich aber normalerweise das Entgelt im Nachlass, sodass Sie insoweit entweder Miterbin sind oder aber Pflichtteilsergänzungsansprüche in Bezug auf den Nachlass geltend machen können.
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(Folge 46-2023)