Wochenblatt-Leser Hermann W. in K. fragt: Mein Vater lebte bis zu seinem Tod (2021) in einer Einrichtung für behinderte Menschen. Ab Februar 2020 erhielt er Altersrente. Ich bin Alleinerbe. Jetzt stellt mir der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die „Teilhabe am Leben“ nach Prüfung des Nachlasses meines Vaters in Rechnung. Es geht um rund 70 000 €. Ist das rechtens?
Sozialrechtsexperte Jörg Uennigmann vom WLV kann informieren: Offenbar hat Ihr Vater zu seinen Lebzeiten Sozialleistungen in Anspruch genommen, deren Kosten er nicht selbst tragen musste, sondern die (zunächst) der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben als Träger der Eingliederungs- bzw. Sozialhilfe übernommen hat.
Grundsätzlich muss jedermann die Kosten seiner eigenen Versorgung und Teilhabe selbst tragen und hierfür das eigene Einkommen und auch vorhandenes Vermögen einsetzen. Nur wenn dies nicht möglich oder unzumutbar ist, übernimmt der Sozialstaat den Teil der Kosten, den der Betroffene nicht tragen kann oder muss.
Schonvermögen
Zwar hatte Ihr Vater Vermögen, das Sie jetzt geerbt haben. Wir gehen aber davon aus, dass er dieses als sogenanntes „Schonvermögen“ nicht einsetzen musste. Zum Schonvermögen können z. B. die selbst bewohnte Immobilie einschließlich Hausrat, Altersvorsorgeverträge oder Vermögensgegenstände gehören, deren Einsatz eine besondere Härte bedeuten würde. In der Eingliederungshilfe lag der zusätzliche Vermögensfreibetrag für die Lebensführung und die Alterssicherung 2021 bei 59 220 €.
Erbe einsetzen
Ist der Anspruchsberechtigte verstorben, besteht nach der gesetzlichen Wertung kein Grund mehr, seine Vermögensgegenstände zu schonen. Es greift dann die gesetzliche Regelung des § 102 SGB XII, wonach der Erbe der leistungsberechtigten Person zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet ist.
Der Hintergrund: Die Schutzvorschriften über den Einsatz des Vermögens zugunsten des Sozialhilfeempfängers sollen ihn davor schützen, Vermögen verbrauchen zu müssen, das er zu Lebzeiten noch für sich selbst benötigt. Dieser Schutzgedanke gilt aber nicht gegenüber dem Erben, der das Vermögen durch den Todesfall erhält. Anders gesagt: Es soll nicht das Vermögen an sich geschützt werden, sondern die Aufrechterhaltung der lebzeitigen Versorgung des Leistungsempfängers.
Kosten innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall
Die Kostenersatzpflicht bezieht sich nur auf diejenigen Kosten, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und ist begrenzt auf den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Es gilt ein Freibetrag, der sich am Eckregelbedarfssatz orientiert und 2021 (maßgeblich ist das Jahr der Erbschaft) bei 2676 € lag.
Pflege zu Hause
Ein höherer Freibetrag (15 340 €) gilt, wenn der Erbe ein Verwandter oder der Ehegatte des Verstorbenen war und ihn in häuslicher Gemeinschaft gepflegt hat. Schließlich ist eine Inanspruchnahme noch ausgeschlossen, wenn dem Erben gegenüber eine besondere Härte vorliegt, also beispielsweise der Nachlass auch für ihn Schonvermögen im Sinne der Sozialhilfe darstellen würde.
Sofern für Sie keine dieser Ausnahmeregelungen gilt, sind Sie als Erbe verpflichtet, die den Freibetrag übersteigenden Kosten bis zur Höhe des Nachlasswertes zu übernehmen.
Lesen Sie mehr:
(Folge 35-2022)