Wochenblatt-Leser Heinrich G. fragt: Wir ernten das Futter für unsere Rinder von artenreichem Grünland verhältnismäßig spät im Juni als trockene Siloballen. Sehr viele Grassamen finden wir nun auf der Stallgasse wieder. Ist dieses Saatgut keimfähig?
Hubert Kivelitz, Referent für Grünland, Futterbau und Zwischenfrüchte, Landwirtschaftskammer NRW, antwortet: Wenn Aufwüchse von artenreichen Wiesen Ende Juni gemäht und als Heu getrocknet werden, werden die meisten Pflanzenarten (Gräser, Kräuter, Leguminosen) zwar zur Blüte, aber nur ein Teil auch zur Samenreife gekommen sein.
Der Zeitraum zwischen Vollblüte bzw. Befruchtung einer Pflanzenart und Samenreife variiert, je nach Pflanzenart, Witterungs- und Bestäubungssituation um mehr oder weniger viele Wochen. Ein Teil der Grünlandpflanzen, vor allem die früh blühenden, wird Ende Juni aber durchaus zur Samenreife gelangt sein. Erfolgt die Heutrocknung des gemähten Aufwuchses auf der Fläche über einen Zeitraum von vier bis fünf Tagen, wird durch das Wenden und Schwaden bereits ein hoher Anteil reifer Samen ausfallen. Durch dieses regelmäßige Aussamen können sich Gräser und Blütenpflanzen auf dem Grünland immer wieder reproduzieren.
Ausgefallene Samen von Gräsern und anderen Pflanzenarten, die beim Lagern und Verfüttern des Heus im Stall anfallen, können bedenkenlos auf die ursprüngliche Grünlandfläche ausgebracht werden. Günstiger Zeitpunkt wäre nach der Ernte des zweiten Schnittes im Spätsommer, wenn diese gesammelt und trocken gelagert werden. Auch der „Umweg“ über die Mistausbringung ist möglich.
Keimfähigkeit wahrscheinlich sehr gering
Die Keimfähigkeit der Samen lässt sich nicht abschätzen, da diese von verschiedenen Einflussfaktoren abhängt. Sie wird aber bei Gräsern sehr gering sein, da zum Zeitpunkt der Ernte (Ende Juni) die meisten Grasarten die Samenreife noch nicht oder nur in sehr geringem Maße erreicht haben. Gleiches gilt im Wesentlichen auch für Kräuter und Leguminosen. Allerdings reichen zur Reproduktion und zum dauerhaften Erhalt der Arten auf artenreichem Grünland sehr geringe Mengen des theoretischen Samenpotenzials.
Eine Problempflanze des Grünlandes ist der Stumpfblättrige Ampfer. Er blüht meist erst ab Juni/Juli, sodass bei einer Heuernte des ersten Aufwuchses Ende Juni noch nicht mit reifen Samen zu rechnen ist.
Das giftige Jakobskreuzkraut kann in warmen Frühjahren bereits Ende Mai anfangen zu blühen, sodass bereits Ende Juni erste Samen reif sein können. Reife Samen können sich dabei noch aus ausgefallenen Blüten entwickeln.
Aufgrund der starken Giftigkeit von Jakobskreuzkraut und des hohen Reproduktionspotenzials über Samen, die zudem eine Keimfähigkeit von 10 bis 20 Jahren aufweisen können, sollte insbesondere auf Grünlandflächen für Futterkonserven eine Null-Toleranz angestrebt werden.
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(Folge 10-2024)