Wochenblatt-Leser Holger G. fragt: Bei uns heißt es, wenn jemand eine Mittagspause einlegt: „Er hält seine Unnerste.“ Manchmal ist auch von „None“ oder „Naune“ die Rede. Woher kommen diese Bezeichnungen?
Gisbert Strotdrees, Redaktion, antwortet: „Unnerste“ oder „Unterstunde“ ist eine alte Bezeichnung für das, was heute neuhochdeutsch „Powernapping“ genannt wird. In früheren Zeiten galt zwischen März und September, also zwischen Feldbestellung und Ernte, die ungeschriebene Regel, dass auf den Höfen nach dem Mittagessen eine Ruhestunde zum Erholen und Schlafen eingelegt wurde. Sie war auch nötig, denn die Männer und Frauen waren mit dem Licht der aufgehenden Sonne gegen 4 oder 5 Uhr morgens aufgestanden und hatten, abgesehen von einer Arbeitspause zum Frühstück, bis mittags durchgängig gearbeitet.
Die mittägliche Ruhestunde wurde sicherlich nicht überall und jederzeit eingehalten. Mal war sie auch kürzer als eine volle Stunde, und einfordern konnte sie auch niemand. Wenn etwa Regen aufzog und die Heu- oder Getreideernte gefährdete, war jedem klar, dass die Pause ausfallen musste. Aber ansonsten fand sie statt, unmittelbar nach dem Mittagessen, das auf den Höfen meist um 12 Uhr verzehrt wurde.
"Neunte Stunde"
Die Mittagszeit wurde als „None“ bezeichnet, was so viel bedeutet wie „neunte Stunde“. Das stammt aus dem Stundengesang der Klöster, der nach alter Tradition frühmorgens um 3 Uhr begann. Um 12 Uhr schlug also die neunte Stunde. Im Englischen heißt die Mittagszeit bis heute „noon“. Im Niederdeutschen wurde – und wird – die Pausenzeit „Naune“, „Nööneken“, „Nüürnken“ oder „Nonstunne“ genannt.
Die andere Bezeichnung „Unterstunde“ geht auf ein uraltes Wort zurück: „die Untern“ oder auch „das „Untern“. Dieses Wort war in allen Teilen Deutschlands gebräuchlich, ist aber längst aus dem Alltag verschwunden. Es bezeichnete jede Form von Übergang, Zwischenzeit oder „Zwischendurch“. Die Speise zwischen Mittag und Schlafenszeit zum Beispiel wurde in manchen Gegenden „Unter“ oder „Untern“ genannt.
Auch die Tageszeit zwischen dem Steigen und dem Sinken der Sonne, also die Mittagszeit, hieß vielerorts „Untern“.Von hier war es nur ein kurzer Schritt, auch die Pause nach dem Mittagessen so zu bezeichnen. Im Niederdeutschen hieß – und heißt – die Ruhezeit deshalb „Unner“, „Unnerstunne“, „Underste“ oder „Ünnersten“, aber auch „Undarn“, „Önnern“ oder „Üärnern“.
Mit Beginn des Frühherbstes war das Halbjahr der „Unterstunden“ vorbei. Die Sonne ging wieder später auf, die Menschen konnten morgens etwas länger schlafen als im Hochsommer. Damit verschwand auf den meisten Höfen die mittägliche Pause aus dem Tagesablauf. Im katholischen Westfalen gab es dazu sogar ein Datum und eine Ansage in der Redensart: „Maria Geburt (8. September) iß’n Ünnersten uut.“
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(Folge 14-2023)