Wochenblatt-Leser Florian H. fragt: Vor einigen Tagen sind uns kleine „Nester“ in unseren Eichen aufgefallen. Von welchen Insekten stammen diese und können sie unseren Eichen schaden?
Dr. Michael Klenner, Pflanzenschutzdienst, Landwirtschaftskammer NRW, antwortet: Auf den von Ihnen übersandten Fotos sind Eichengallen abgebildet. Die Bildung dieser Wucherungen, die Sie als Nester bezeichnen, erfolgt durch die Eiche selbst, wird aber von Pflanzenwespen aus der Familie der Gallwespen (Cynipidae) induziert. Allein in Mitteleuropa kommen Gallwespen in 20 Gattungen mit etwa 140 Arten vor, welche die Bildung von Gallen verursachen. An Eichen und Ahornbäumen, an Rosen und Brombeeren sowie an verschiedenen krautigen Pflanzen finden sich Gallen besonders häufig, nie jedoch an Nadelgehölzen.
Es gibt unterschiedliche Gallen
Je nach Bildungsort lassen sich verschiedene Gallen unterscheiden, zum Beispiel Blattgallen, Rindengallen, Knospengallen und Wurzelgallen. Weiterhin bestehen die Gallen mitunter auch aus verschiedenen Kammern, in denen sich jeweils eine Gallwespenlarve entwickelt. Auch werden solche Gallen oft noch von anderen Arten genutzt, die selbst keine Gallbildungen verursachen können, sie gelten dann als Einmieter.
Um die Biologie rund um die Bildung von Gallen noch interessanter zu machen, finden wir dann oftmals noch parasitische Hautflügler, wie Schlupf-, Brack- und Erzwespen, die sich an den Larven der Gallwespen entwickeln.
Im konkreten Fall scheinen die Gallen sich an der Rinde der Eichentriebe zu entwickeln. Sie sind eher knollenförmig und nicht ganz ebenmäßig gerundet. Bei einigen der abgebildeten Gallen ist erkennbar, dass sie offensichtlich mehrere Kammern enthalten.
"Kartoffelgallen" an Wurzeln der Eiche
Derartige Gallen werden häufig von der Eichen-Schwammgallwespe (Biorhiza pallida) verursacht. Die Lebensweise dieser Gallwespe ist bemerkenswert. In nur ca. 5 mm großen, nur eine Kammer enthaltenden „Kartoffelgallen“ an den Wurzeln der Eiche entwickelt sich die eingeschlechtliche Generation, die nur aus flügellosen Weibchen besteht. Diese Weibchen schlüpfen zum Ende des Winters, wandern den Eichenstamm empor und legen ihre Eier an der Basis von Knospen ab. Die so befallenen Knospen schwellen schnell zu den Gallen an, die auch als „Eichäpfel“ bezeichnet werden. In diesen Gallen entwickeln sich Weibchen und geflügelte Männchen. Nach der Begattung wandern die Weibchen dieser zweiten Generation am Stamm nach unten und gehen bis zu 1 m tief in den Boden, wo sie ihre Eier an den Wurzeln ablegen. Dies induziert nun wieder die Bildung der „Kartoffelknollen“ und der Kreislauf des Lebens der Eichen-Schwammgallwespe beginnt von Neuem.
Die Bildung der Gallen stellt für die Eichen im Allgemeinen keine relevante Beeinträchtigung dar. Auch für beispielsweise Weidevieh oder Obstbäume geht von den Gallwespen keine Gefahr aus. In dem Zusammenhang ist wissenswert, dass Eichengallen in früheren Jahrhunderten gesammelt und zu ordentlichen Preisen gehandelt wurden. Der hohe Anteil an Gerbstoffen (Tannin) in den Gallen war sowohl für Gerbereien als auch für die Herstellung von Schreibtinte von großer Bedeutung, bevor die chemische Industrie die erforderlichen Substanzen synthetisieren konnte.
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(Folge 32-2023)