Wochenblatt-Leser Jörg K. in L. fragt: Im Wochenblatt habe ich den Beitrag über ETF gelesen. Die zentrale Empfehlung war, für das Anlagegeld eher einfache, preiswerte und breit streuende ETFs zu erwerben und Mode-ETFs bzw. ETFsauf Trends und Branchen eher zu meiden. Gilt das auch für Smart-Beta-ETFs bzw. Faktor-ETFs, die durch ihren Ansatz eine etwas höhere Rendite versprechen?
Finanzexperte Prof. Dr. Hartmut Walz von Hochschule Ludwigshafen am Rhein kann informieren: Zum Verständnis: Die Rendite aus aktivem Anlagemanagement, also der bewussten Auswahl bestimmter Aktien aus dem Gesamtmarkt, wird als „Alpha“ bezeichnet. Während die Durchschnittsrendite des Gesamtmarktes „Beta“ heißt. Aktive Fondsmanager versuchen, ein positives Alpha zu generieren – also den Markt zu schlagen. Leider gelingt das in den meisten Fällen nicht. Das liegt auch an den Kosten aktiver Fonds.
Was sind Smart-Beta-ETFs?
Die Smart-Beta-ETF stehen nun in der Grauzone zwischen aktivem Investieren und einer völlig passiven Abbildung des Gesamtmarktes. Der Ausdruck „Smart“ –„clever“ oder „intelligent“ – weist darauf hin, dass der Initiator irgendeinen (hoffentlich wirklich intelligenten) Gedanken hatte, um aus einem marktbreiten (also alle börsennotierten Aktiengesellschaften) ETF eines Landes oder Wirtschaftsraums nur eine bestimmte Teilmenge herauszuziehen. Die Auswahl erfolgt nicht willkürlich. Daher ist es auch kein aktives Anlagemanagement. Vielmehr erfolgt die Auswahl nach klar definierten und dauerhaft gültigen Regeln, die stur durchgehalten werden und die ich hier vereinfachend als „Erfolgsfaktoren“ bezeichnen möchte. Und somit wird auch der Ausdruck Faktor-ETF verständlich.
Das erklärte, aber häufig nicht erreichte Ziel eines Faktor-ETF ist es, eine kleine Zusatzrendite („Faktorrendite“) zu erzielen, die ein wenig über der Rendite des Gesamtmarktes liegt. Ein beliebtes Beispiel für einen solchen Faktor stellt die Unternehmensgröße dar. Verfolgt man die Auffassung, dass sich beispielsweise die kleineren Unternehmen dynamischer entwickeln als die größeren, kann man in einen ETF investieren, der ausschließlich Unternehmen geringer Marktkapitalisierung („Small-Caps“) enthält.
Neue Faktor-ETFs
Neben dem hier beschriebenen Faktor „Größe“ gibt es auch ETFs, welche u. a. die Faktoren „Wachstum“, „Substanz“, „Qualität“ oder „Profitabilität“ verfolgen. Es gibt aber noch viele weitere. Und natürlich erfindet die Finanzdienstleistungsbranche täglich neue Faktoren und bringt neue Faktor-ETFs heraus, weshalb Fachleute schon humorvoll von einem „Faktor-Zoo“ sprechen.
Ich selbst empfehle, aus einem Depot keinen Faktor-Zoo zu machen, sondern es bei den einfachen und preiswerten ETFs zu belassen, die möglichst breit den Gesamtmarkt abbilden. Dafür habe ich vor allem folgende zwei Gründe: Erstens sind die Faktor-ETFs bzw. Smart Beta-ETFs regelmäßig erheblich teurer als die marktbreiten. Zum Beispiel 0,6 bis 0,8 % statt 0,15 bis 0,25 % jährliche Gebühr. Damit sind die Smart Beta-ETF simmer noch erheblich preiswerter als klassische, aktiv gemanagte Fonds, jedoch muss man die Mehrkosten erst einmal wieder zurückverdienen, was häufig nicht gelingt.
Faktorrenditen können negativ sein
Und zweitens: Faktorrenditen müssen nicht immer positiv sein. Die wissenschaftliche Analyse von Vergangenheitsdaten zeigt, dass Faktorrenditen auch sehr wohl negativ sein können; und das über viele Jahre hinweg. Während beispielsweise in bestimmten Marktphasen die Small-Cap-Prämie positiv ist, schlagen sich die kleineren Aktiengesellschaften in anderen Phasen eher unterdurchschnittlich. Und die beiden Faktoren „Wachstum“ und „Substanz“ sind gerade wie zwei Seiten einer Wippe. Wer also gleichzeitig auf beide Faktoren spekuliert, könnte sich die höheren Gebühren auch sparen und einfach den billigeren Gesamtmarkt-ETF erwerben.
Verdeckte Spekulation
Insgesamt bewerte ich die „Jagd“ auf Faktorprämien als eine verdeckte Form der Spekulation, die wegen der schlechteren Streuung einer Gesamtanlage zwangsläufig risikoerhöhend wirkt. Faktorspekulation spricht wie jede Form von Spekulation unseren Spieltrieb an. Ich empfehle jedoch, diesen nicht bei Ihrer Geldanlage auszutoben.
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(Folge 34-2022)