Wochenblatt-Leserin Andrea L. fragt: Ich habe gelesen, dass ab 2024 die Vorab-Besteuerung für meine Kapitalerträge wieder eingeführt worden sei. Was bedeutet das für mich und was muss ich tun?
Prof. Dr. Hartmut Walz, Hochschule Ludwigshafen am Rhein, antwortet: Die Vorab-Besteuerung von Kapitalerträgen besteht bereits ununterbrochen seit dem Jahr 2018. Hintergrund ist das Investmentsteuergesetz. Da sich die Höhe der sogenannten Vorabpauschale nach dem Zinsniveau richtet, fielen in der Phase der Null- und Negativzinsen keine Vorab-Steuern an, obwohl die gesetzliche Regelung sich nicht geändert hat. Aufgrund der Zinssteigerungen im Jahr 2023 wird die pauschale Vorab-Besteuerung im Jahr 2024 wieder wirksam.
Es könnte Ihnen also im Januar 2024 passieren, dass Ihnen eine Steuerzahlung belastet wird, ohne dass Ihnen zuvor ein Kapitalertrag zugeflossen ist. Jedoch sind Sie hiervon nur betroffen, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen:
- Erstens muss sich das Anlageprodukt (etwa ein Investmentfonds oder ETF) im Kalenderjahr 2023 positiv entwickelt – also einen Gewinn erzielt – haben.
- Zweitens muss es sich um thesaurierende Produkte handeln, also eine Anlage, deren Erträge nicht ausgeschüttet, sondern im Produkt einbehalten für Sie angelegt werden.
Die Logik der Finanzbehörden lautet wie folgt: Während bei allen ausschüttenden Anlagen die Kapitalertragsteuer von 25 % plus Solidaritätszuschlag von 5,5 % auf die Kapitalertragsteuer Jahr für Jahr schon direkt vor der Überweisung an Sie ans Finanzamt abgeführt wird, ist das bei den nicht ausschüttenden (= thesaurierenden) Produkten mangels Ertragszahlung nicht möglich. Vielmehr würde ohne Vorab-Besteuerung eine automatische Wiederanlage der ungeminderten Erträge im Produkt erfolgen, sodass gegebenenfalls über viele Jahre hinweg kein steuerpflichtiger Ertrag flösse und der Fiskus somit leer ausgehen würde. Der Staat möchte jedoch zumindest einen Teil der Kapitalerträge auch bei den thesaurierenden Anlagen zeitnah besteuern.
Fiktiver Ertrag
Mit der Vorabpauschale wird – obwohl Ihnen kein laufender Kapitalertrag zufließt – pauschal ein fiktiver Ertrag zugerechnet und jährlich zu Beginn des Folgejahres besteuert. Die exakte Errechnung ist ziemlich kompliziert und enthält viele Besonderheiten und Ausnahmen. Sie sind jedoch auf der sicheren Seite und vermeiden Ärger, Kosten und Mühe, indem Sie Anfang Januar pro 1000 € Kapital Ihrer thesaurierenden Anlagen rund 4,50 € Liquidität auf dem Verrechnungskonto Ihres Depots bereitstellen.
Die gute Nachricht: Für Einlagen, Aktien und alle sonstigen ausschüttenden Anlagen müssen Sie nicht mit steuerlichen Vorab-Belastungen rechnen.
Und noch zwei gute Nachrichten: Die Vorabpauschale führt zu keiner zusätzlichen Steuerlast, denn sie wird bei der späteren Besteuerung der Kapitalerträge bei Verkauf der Anlage voll angerechnet. Und wenn Ihre Fonds oder ETFs bei einer inländischen Bank (Depotstelle) liegen (was der Regelfall ist), müssen Sie selbst neben der Bereitstellung der Liquidität überhaupt nichts tun, da Ihr depotführendes Institut die Steuer selbstständig errechnet und abführt. Nur falls die Anlagen im Ausland liegen, sind Sie verpflichtet, die erforderlichen Angaben in der Anlage KAP Ihrer Einkommensteuererklärung zu machen.
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(Folge 2-2024)